Berliner Staatsanwaltschaft und Filesharing-Verfolgung

Sueddeutsche.de hat ein Interview mit der Berliner Oberstaatsanwältin Vera Junker übe rden Sinn und Unsinn von Abmahnungen und der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen: „Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“. Interessant ist auch die Aussage, dass die Berliner Staatsanwaltschaft „die Ermittlung der Person hinter einer IP-Adresse grundsätzlich“ mit einer guten Begründung ablehnt.

Die bloße Nachfrage beim Provider wäre zwar nicht aufwändig, aber sie bringt auch nicht viel. Um herauszufinden, welche Person tatsächlich die Tauschbörse genutzt hat, müssten wir eine Hausdurchsuchung machen, den Rechner beschlagnahmen, Zeugen befragen et cetera. In einer Wohnung leben ja meist mehrere Menschen, viele arbeiten mit WLAN, das auch Fremde nutzen können, wenn es nicht verschlüsselt ist.

Diesen Aufwand finden wir gemessen an der Tat unverhältnismäßig. Wir können nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen und Grundrechtseingriffe vornehmen, die eigentlich für andere Taten vorgesehen sind. Wir machen ja auch keine Hausdurchsuchung wegen einer Beleidigung. … Die Verfehlung ist einfach zu gering, um den ganzen Rechtstaat daraufzuwerfen. Wir sind ja zum Schutz des Bürgers da und müssen auch dafür sorgen, dass Beschuldigte nicht mit Eingriffen konfrontiert werden, die unverhältnismäßig sind. Solange es nicht um gewerbsmäßige Verstöße geht, zählen wir Filesharing zu den kleineren Verfehlungen. Als Staatsanwaltschaft haben wir einen Beurteilungsspielraum, ob es im öffentlichen Interesse ist, solche Fälle zu verfolgen – wir verneinen das.

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8 Ergänzungen

  1. Hab es eben auch schon in einem anderen Blog geschrieben. Ich finde das auch gut so. Es ist quatsch das unsere Richter sich mit Kleinkram beschäftigen (jedenfalls wenn man es auf die einzelne Person runterrechnet).

    Denn genauso könnte man sagen wieviel Schaden der Landwirtschaft durch Apfelklau entstehen und jetzt machen wir hausdurchsuchungen und geben Milliarden aus weil jemand nen Apfel geklaut hat. Total übertrieben.

    Das Problem ist bei der Musikindustrie das da ein paar Große sind die das aufregt. Aber so ist das wenn man monopolitäre Stellung hat.

  2. aja, da muss man ggf. mal prüfen ob diese Dame sich nicht einer Strafvereiitelung selbst strafbar gemacht hat.

    Den Vergleich bezüglich „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, greife ich gerne auf, auch wenn es nach meiner Ansicht zutreffender wäre von „Piranha-Schwärmen“ zu sprechen.

    Seit Jahren fallen Millionen Schwärme von „Spatzen“ über die Produkte der Industrie her und berauben diese um die Früchte ihrer Arbeit. Der Einsatz von „Kanonen“ gegen diese gigantischen „Spatzenschwärme“ ist daher leider erforderlich. Hierbei wird nicht verkannt, dass ein „Volltreffer“ bei einem einzelnen „Spatzen“ entsprechende Folgen haben kann. Der Ber¬liner Landesverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter ging bereits vor mehreren Jahren von einer Dunkelziffer von 99 % bei derartigen Delikten aus (Die Zeit 13.06.1986 S. 24), so dass die verbleibende „Trefferquote“ ohnehin verschwindend gering ist. Die Situation hat sich seither nicht verbessert. Ferner wird auf den Aufsatz „Schadenshöhe und Dunkelziffer im Bereich der Softwarepiraterie“ (CR 1986, 111) verweisen. Demgegenüber gab es in der Software-Industrie die ersten Kon¬kurse, die auf die gi¬gantische Software-Piraterie (Verluste der Industrie 1989 ca. 6 Milliarden US-$, vergl. COMPUTER¬WOCHE 10.5.1991 s.1) zurückzuführen sind. MICROSOFT könnte ohne Softwarepiraterie das Doppelte verkaufen (ABENDZEITUNG 10. Juli 1996). Die Vereinigung der Deutschen Software-Industrie e. V. geht davon aus, dass durch die Software-Piraterie ca. 2000 Arbeitsplätze vernichtet, bzw. deren Schaf¬fung verhindert wird (Datenschutz-Berater 1/89 S. 26).

    Firmenkonkurse und Vernichtung von Arbeitsplätzen, zu denen jeder einzelne Software-Pirat seinen einzelnen Anteil beiträgt, stellen für die betroffenen Personen der EDV-Industrie ebenfalls einen gravierenden sozialen Eingriff dar. Es ist nicht einzusehen, warum es sozial gerechtfertigt sein soll, dass durch Software-Piraterie arbeitslos gewordene Personen „auf der Straße stehen“, währenddem bei den Schädigern man aus alters- oder sozialen Gründen Rücksicht nehmen soll.

    Mit freundlichen Grüßen

    Günter Frhr. v. Gravenreuth

    1. Man muss da etwas mehr differenzieren. Die Schäden die der Musikindustrie entstehen lassen sich extrem leicht hochrechnen ebenso wie die die der Software-Industrie entstehen. Entscheidend für die Beurteilung ist hier der Vergleich mit dem was die betreffenden Firmen einnehmen würden wenn es kein Filesharing gäbe. Und die Einnahmen wäre deutlich geringer als uns diese Leute erzählen, denn bei 15-20€ pro Album überlegt man sich mehrmals ob man das unbedingt braucht während man bei „kostenloser Musik“ nicht viel nachdenkt sondern zuerst lädt und dann entscheidet ob man das auch wirklich hört. Selbiges Prinzip gilt für Software auch dort wird vieles „einfach mal so“ runtergeladen auch wenn man sich das normalerweise nicht bzw. nur stark reduziert kaufen würde.
      Dann muss man gerade bei Software auch noch die Konkurrenz zu freier Software berücksichtigen. Ohne Filesharing würden viele, die jetzt z.B. MS Office nutzen auf Openoffice umsteigen.

      Mein Comment soll jetzt keine Verharmlosung sein, aber man muss die Zahlen der Industrie immer etwas kritisch sehen

    2. Nunja.. es ist so das die Industrie ein Schaden davonträgt, ganz klar, keine Frage. Wie hoch dieser real ist kann leider niemand (JA, NIEMAND!) genau sagen. Wenn ich mich selbst als Maßstab nehme so habe ich und werde ich weiterhin 80% meiner digitalen Unterhaltungsgüter illegal beziehen und damit das geltende Recht mit Vorsatz, Absicht und voller Verantwortung brechen.
      Warum ich das tue?
      Aus Prinzip, aus politischer Überzeugung, aus den Gedanken heraus das sämtliche Informationen unsere Gesellschaft niemanden gehören. Jeder, JEDER sollte das Recht auf Wissen, Kultur und eben auch digitaler Unterhaltung haben.
      Mir ist bewusst das ich in der Minderheit bin, das viele unser derzeitiges System unterstützen (oder nur opportunistisch sind) weil Sie dadurch viel Profit machen.
      Profit ist aber nicht alles im Leben, und das müssen durch mein Handeln (und das der anderen bösen Mordraubkopierer) viele schmerzlich erfahren (ich wünschte es wäre anders).
      Insbesondere eben die Unterhaltungsindustrie, wo das tauschen von Information durch das Internet eben am einfachsten ist.
      Außerdem sollte man sich mal Gedanken darüber machen was die Unterhaltungsindustrie mit ganzen Profit überhaupt macht bzw. machen würde wenn es mich und andere nicht gäbe, Die Welt verbessern?, Jeden Zugang zu Unterhaltung bieten? Sicher nicht!

      MfG, Ein Gast.

  3. Gestern wurden bei mir insgesamt 198 CD-Rs sowie mein PC beschlagnahmt! In Berlin! Ich hatte mich bei einer vernehmung in anderer Sache verquatscht. Staatsanwaltschaft und Amtsrichter gaben sofort grünes Licht! Ich muß zudem sagen, das zwar alles (mp3s, Filme, Sex e-books, 4 Windows-XP Versionen) schon „kostenlos“ heruntergeladen wurde, ich diese Dateien jedoch nur für den „Privatgebrauch“ verwandt habe. Daher kann ich ein öffentliches Interesse nicht erkennen! Ich habe der „Öffentlichkeit“ nicht geschadet! Daher finde ich diese Aktion „eine bodenlose Frechheit!“ Den dicken Banken gibt mans, den Kleinen nimmt mans. DEUTSCHLAND DU KOTZT MICH AN – DU BIST EIN SCHEI?KAPITALISTISCHER DRECKSSTAAT!!!!!!!

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