Einen Tag nach dem „TV-Event mixt Fernsehen und Youtube“ gibt es jetzt etwas Nachbetrachtung in den üblichen Medien. Die grosse Revolution war es nicht. Aber hatte das jemand ernsthaft erwartet? (Abgesehen von der PR-Maschinerie von CNN und Youtube…)
Hier sind mal einige Beiträge:
Tagesschau.de: Wahlkampf 2.0 mit Hillary und Barack.
Grünes Licht bekam dagegen ein Schneemann mit panischer Angst vor der globalen Erwärmung. Der größte Teil der Wählerfragen hätte allerdings auch von einem traditionellen Moderator stammen können: Neben der Irak-Frage und anderen außenpolitischen Themen wie dem US-Ansehen in der Welt, standen die Zukunft der Renten- und Krankenversicherung, Erziehung und Steuern im Mittelpunkt.[…] Die Bewertung der vom Veranstalter CNN als „historisch“ bezeichneten Debatte fiel unterschiedlich aus: Ein Wähler, der seine Frage per Videoclip eingeschickt hatte, befand: „Es war im Großen und Ganzen schon unterhaltsam. Aber war es auch informativer?“. Der frühere Präsidentenberater David Gergen sagte dagegen: „Klarer Gewinner der Debatte war das Format.“ Da die Fragen schwer vorauszuberechnen gewesen seien, hätten sich die Kandidaten kaum vorbereiten können.
Die Futurezone hat den Medienpsychologe Peter Vitouch von der Uni Wien befragt: „30 Sekunden Ruhm für jedermann“.
Ein Mann aus Ohio hielt bei seiner Frage nach der Waffengesetzgebung gar ein Gewehr in den Händen – in einer Live-Diskussion hätte er es kaum bis zum Eingang geschafft.[…] Hier sieht Vitouch eine potentielle Gefahr für den neuen Ansatz, den er prinzipiell für gut hält: „Man muss aufpassen, dass die Politik nicht durch die Kommunikationsmedien beeinflusst wird und das alles zu einer einzigen großen Show und ins Lächerliche gezogen wird.“ Einen Vorschub für die Demokratisierung kann Vitouch nicht erkennen, eher eine Tendenz zur Freak-Show und der „alten Andy-Warhol-Geschichte“, der einst sagte: „In Zukunft wird jeder für 15 Minuten berühmt sein.“
Bei Spiegel-Online bestimmt eher der ganze Berater-Medien-Zirkus den Artikel: Clinton und die sieben Zwerge.
Was die Modemesse in Mailand für die Designer, die Automesse in Detroit für die Fahrzeugentwickler, das ist die Debatte der Präsidentschaftskandidaten für die Kampagnenmanager: Eine Leistungsschau ihres Könnens – unübersehbar auch eine Demonstration ihrer Macht. Sie bezeichnen sich selbst als Männer hinter den Kandidaten, als Helfer im Hintergrund. Aber das ist reine Koketterie. In Wahrheit sind sie die Designer der Kandidaten. Früher polierten sie Images, heute modellieren sie, wenn man sie gewähren lässt, den Bewerber. Sagten die Parteiführer ihren Spitzenkandidaten einst, was sie tun sollten, sagen heute die Berater den Kandidaten, wer sie sein sollen. Clinton-Berater Blumenthal fasst das so zusammen: „Die Aufgabe ist es, die Erwartungen der Wähler an den Kandidaten durch die Manipulation von Symbolen und Images zu erfüllen.“ Alles werde der Aufgabe untergeordnet, die Persönlichkeit des Kandidaten – und später das Regieren selbst: „Die permanente Kampagne ist die Ideologie unserer Zeit“, schreibt er in einem Buch über die Washingtoner Eliten. Das meint er keineswegs vorwurfsvoll. […] In klinischer Reinheit waren jene Archetypen zu besichtigen, die in der Sprache der Berater als Pussyfooter, Rainmaker und Steamroller bezeichnet werden.[…]
New York Times: Debates to Connect Candidates and Voters Online.
“It’s our democracy, not yours, CNN,” he said. “There is a need for order, but not control.” He said that although random questions from ordinary people might show “some real turkeys,” it would also show that “people really care, and democracy is in good hands.” Mr. Bohrman defended the decision, saying that having a gatekeeper would prevent the debate from becoming a circus and prevent campaigns from manipulating the process with thousands of clicks on questions they like.
Wer schon einmal hinter den Kulissen eines Politiker- oder Prominentenchats gearbeitet hat, wird ihm an dieser Stelle voll zustimmen.
Das ist durch Erfahrungen begründet. Aber trotzdem sollte man sich schonmal Gedanken machen, wie man die Gatekeeperfunktion durch offenere Prozesse geöffnet bekommt.
Bei Talk-Shows im Fernsehen sitzt im Publikum ja auch meist parteiisches Publikum zum klatschen und fragen stellen, was von den Kandidaten mitgebracht wurde.
„…die Gatekeeper-Funktion durch offenere Prozesse geöffnet“ – hieße das nicht – Abschaffen der Fernsehkanäle? CNN macht viele Schritte in diese Richtung (Video on demand, Umfragen, Blogs usw. usf.), aber doch mit entgegengesetzter Zielsetzung, oder? Das jedenfalls mal meine Perzeption.
Sicher sind offenere Prozesse bei solchen Veranstaltungen wünschenswert. Dennoch können nicht tausende Leute gleichzeitig reden, Fragen stellen, diskutieren etc. In einer Live-Situation kann man die Politiker / Promis eher dazu bringen, auf Fragen zu antworten – und zwar schnell und einigermaßen authentisch, ohne dass ein Riesenstab an PR-Leuten und Beratern jedes Gramm der Antwort abgewogen hat.
Der Job des Gatekeepers liegt dann darin, die Interessen der tausenden von Teilnehmern zu bündeln und ggfs. nachzuhaken, wenn zuviel heiße Luft vom Interviweten kommt. Das ist bei CNN/Youtube ja auch geschehen.