Microsoft versucht verzweifelt, ein unklar definiertes und überflüssiges Dokumentformat zu etablieren. Man lässt bald zwei Dutzend Partnerfirmen Mitglied beim schwedischen Normungsinstitut SIS werden, und erhält damit stimmfähige Mitglieder. Es sieht nach Stimmenkauf aus.
Zwei Aspekte stinken daran. Einmal natürlich die „Neuen“, heise.de formuliert so:
25 Mitglieder des entsprechenden Beratungsausschusses beim SIS votierten für die von Redmond vorangetriebene Konkurrenz zum bereits ISO-standardisierten offenen Dokumentenformat OpenDocument (ODF), sechs dagegen. Eine knappe Handvoll Teilnehmer verließ aus Protest die Abstimmung, da zu dem Termin plötzlich 23 in dem Arbeitskreis bislang nicht vertretene Firmen auftauchten und für stimmberechtigt befunden wurden.
Wo kommen die 23 neuen Mitglieder plötzlich her? Man wird nur Mitglied, indem man eine bezahle Mitgliedschaft eingeht. Pro Mitglied kostet das etwa 2444 Euro pro Jahr, macht zusammen etwa 63’000 Euro. Ein Bombengeschäft, wenn man bedenkt, dass die Office-Produkte die Cashcow sind (oder waren). Da kann man mal eben diese Firmen Mitglied sein lassen, die sich nicht an der Diskussion zuvor beteiligt hatten. os2world.com hat diese Liste:
Camako Data AB (Microsoft Gold Certified Partner), Connecta AB (Microsoft Gold Certified Partner), Cornerstone Sweden AB (Microsoft Gold Certified Partner), Cybernetics (Microsoft Gold Certified Partner), Emric AB, Exor AB (Microsoft Certified Partner), Fishbone Systems AB (Microsoft Gold Certified Partner), Formpipe Software (Microsoft Gold Certified Partner), FS System AB, Google, HP (Microsoft Gold Certified Partner), IBizkit AB (Microsoft Certified Partner), IDE Nätverkskonsulterna (Microsoft Gold Certified Partner), IT-Vision AB, Know IT (Microsoft Gold Certified Partner), Modul1 (Microsoft Gold Certified Partner), Nordic Station AB (Microsoft Certified Partner), ReadSoft AB (Microsoft Certified Partner), Sogeti (Microsoft Gold Certified Partner), Solid Park AB (Microsoft Gold Certified Partner), SourceTech AB, Strand Interconnect AB (Microsoft Gold Certified Partner) and TietoEnator (Microsoft Gold Certified Partner)
The final result was 25 Yes, 6 No and 3 Abs and this would from the start be a done deal of saying No!
Fällt da jemandem etwas auf? Dummerweise hat zusätzlich zu dieser Breitwand „eine knappe handvoll Teilnehmer“ das Meeting aus Protest verlassen. Denen ist mangelndes Rückgrat vorzuwerfen, aber ändern können hätten die nichts, außer an der Publicity. Ihre Namen werden auch noch preisgegeben, so leicht kommen die bestimmt nicht davon.
Der andere heikle Punkt muss dieser sein: wenn jeder Mitglied werden kann, jede Firma, dann sind die Befürworter von ODF selbst schuld. Es gibt sicherlich auch in Schweden genügend institutionalisierte Firmen, die FOSS vertreten oder Bedenken gegen herstellergebundene Formate haben. Wieso sind die nicht Mitglied geworden? Wir brauchen mehr Nerdlobbyismus und (wenn es sein muss: bezahlte) Repräsentation in solchen Gremien. Wenn es denn nur auf Zählen von Mitgliederstimmen hinausläuft, dann müssen es auch nicht mal rhetorische Leuchten sein. Gezielte Präsenz reicht. Hier ist mangelnde Planung und Kooperation aller (auch der inhaltlich präzisen, öffentlichen) Kritiker mit Schuld. Dumm gelaufen.
Bei noooxml.org ahnte man am 13. August schon böses, als die Request for Comments-Phase bereits abgelaufen war. Dort findet man auch die Namen der Firmen, die ständige Mitglieder sind.
…it seems that MS has not stacked the deck with its boughten friendship. At least not yet. Rumor has it that more members are possibly joining the group before the vote, but I have no more information at the moment. …
As you can see, almost exclusively government representatives, no clear Microsoft-bias. The list of members for this main committee is not going to change before the final vote.
I would be very surprised to see anything else than a „No with comments“ from the SIS committee. Given the sheer number of objections (I found hundreds myself, and commented in detail on about 50 of the more grave errors I found in the proposal), and the reportedly large amount of comments from the general public, which I expect to be mostly negative, I see no way for OOXML to pass in Sweden.
Auch die schwedische FFII hat sich geäußert: Microsoft pulls tricks to produce Swedish support for the standardisation of its Office format
Die FSFE hat auch einen Blogeintrag mit vielen weiteren Links zum Thema: ooxml is defective by design
Unlautere Machenschaften überall. Pfui Deibel.
IMHO wäre das nicht richtig, wenn FOSS Unterstützer mit gleichen dreckigen Methoden das Ergebnis zu beeinflussen suchten. Eine großartige Idee hat das nicht nötig, auch unter der Gefahr daß es eben nur eine Idee bleibt.
Warum nicht in Projektausschreibungen aufnehmen, daß alle Dokumente in offenen (Liste) Formaten erstellt werden müssen? Mehr Courage bei den einzelnen ist nötig. Wo bleibt da der Anspruch der Ingenieure? Sind das nur Arbeitsknechte oder haben sie eine höhere Bildung und Ethos?
Ich für meinen Fall mach es so, auch auf die Gefahr hin, von meinem Chef dafür einen Anschiß zu kassieren.
Andererseits… Feuer mit Feuer zu bekämpfen mag nicht immer die richtige Strategie sein. „We need another kind of evil“ geht nicht immer gut.
Also: eigentlich hat Microsoft zwar begrenzt einen Erfolg erzielt, sich aber durch dieses Verhalten total disqualifiziert. Man braucht die Firmen nicht mehr so ernst nehmen, weil denen offenbar nichts anderes eingefallen ist – bessere Qualität, sorgfältigere und zweifelsfreiere Definitionen vielleicht. Das hätte ein größeres Spektakel verhindert, aber jetzt ist der Schaden offensichtlich.
Über dieses Eingeständnis der Unfähigkeit* freut man sich doch gerne. :)
* und dabei ist es egal, ob es absichtlich ungenau ist oder unabsichtlich und schlampig. Wenn die technische Klarheit ausbleibt nimmt OOXML technisch niemand ernst. Das ist bereits soweit.
Die Geschichte wiederholt sich (Office 2000 konnte auch schon etwas schräges XML), und darauf werden immer mehr Leute aufmerksam. Der Schaden für FOSS bleibt gering.
Das war wohl nichts, jemand hat was gemerkt.. heise.de
Schwedisches Normungsinstitut erklärt OpenXML-Abstimmung für ungültig
Die FFII hat alles schön aufbereitet:
Haha, ein Preisgeld von 2500 Euronen, bei ca. 6000 Seiten Spezifikation macht das ca. 41 Cent pro Seite. *chuckles*