Ex-Datenschutzbeauftragter im Interview„Moderne Verwaltung ist transparent“

Öffentliche Verwaltung gilt vielen als Black Box, denn von außen ist der Apparat kaum einzusehen. Der ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink erklärt, woran das liegt, wie sich Verwaltung ändern muss und wie Digitalisierung Transparenz fördern kann.

Stefan Brink im grauen Anzug mit blauer Krawatte, im Hintergrund verfahrbare Archivregale
Der Jurist und ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink erklärt den Konflikt zwischen Transparenz und Amtsgeheimnis. – Alle Rechte vorbehalten Portrait: IMAGO/Metodi Popow; Archivregale: Unsplash/ubahnverleih; Montage: netzpolitik.org

Warum hat die Kommune ausgerechnet den örtlichen Spielplatz als Standort für den neuen Mobilfunkmast ausgesucht? Wie laufen die Gespräche der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern zur Forderung nach einem Transparenzgesetz? Was verhandeln Bund und Länder in Sachen Staatsvertrag zur Registermodernisierung? Die öffentliche Verwaltung hält sich bedeckt und gibt Informationen häufig nur widerwillig heraus.

Um Vertrauen in Verwaltung und Demokratie zu stärken, muss sie allerdings Transparenz schaffen und Zugangshürden in der Antragstellung abbauen. Im Interview erklärt Stefan Brink, warum Verwaltung sich auf umfassende Transparenz einlassen muss, um modern und zukunftsfest zu sein. Der Jurist und ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte Baden-Württembergs ermutigt Bürger:innen zu mehr Selbstvertrauen und plädiert dafür, Verwaltung höflich, aber bestimmt in ihre Schranken zu weisen.

netzpolitik.org: Herr Brink, warum lässt sich die öffentliche Verwaltung nicht in die Karten schauen?

Stefan Brink: Das hat damit zu tun, dass sie an der Fachlichkeit orientiert ist. Deutsche Beamtinnen und Beamte definieren sich über ihre Fachkompetenz. Sie haben gelernt, dass sie besondere Fähigkeiten erworben haben, die ihre Qualifikation ausmachen. Der Führungsspitze gegenüber sind sie distanziert oder neutral, während sie sich den Bürger:innen gegenüber häufig überlegen fühlen.

Bürger:innen nehmen sie als Laien wahr, die nicht beurteilen können, was die Verwaltung tut. Das ist der wesentliche Grund der Intransparenz und dafür, dass die Verwaltung nicht transparent sein will. Die Einstellung ist: „Warum sollten wir uns von Laien kontrollieren lassen? Das passt doch gar nicht, die wissen gar nichts und verstehen alles falsch.“

Aus Sicht der Verwaltung bedeutet Informationsfreiheit, dass Bürger:innen Dokumente bekommen, die sie eh nicht verstehen, und es bräuchte wahnsinnig viel Zeit, ihnen zu verdeutlichen, dass das, was auf den ersten Blick komisch aussieht, in fachlicher Hinsicht perfekt ist. Verwaltungsmitarbeiter:innen glauben häufig, sie könnten es sich nicht leisten, jedem ihre Arbeit zu erklären. Das Selbstbild der Verwaltung und das Verständnis ihrer Funktion spielen eine enorme Rolle. Wenn Verwaltung den Servicegedanken verfolgt, ist das natürlich etwas ganz anderes, als dem Bürger komplexe Verordnungen vorzutragen, die er mutmaßlich nicht versteht.

netzpolitik.org: Im New Public Management, einer Denkschule aus Großbritannien aus der Zeit Margaret Thatchers, betrachtet die Verwaltung Bürger:innen als Kunden. Die bekommen am Ende ein Produkt, mit dem sie zufrieden sind oder nicht. Die Verwaltung muss sich dann an der Kundenzufriedenheit messen lassen. Geht der Hinweis zum Servicegedanken in diese Richtung?

Brink: Das beschreibt ganz gut die Ökonomisierung der Verwaltung, die im öffentlichen Sektor allerdings nichts zu suchen hat. Verwaltung hat sich nicht nach der wirtschaftlichen Effizienz zu orientieren, sondern an der Rechtstaatlichkeit. Gegen ihre Ökonomisierung muss sich Verwaltung wehren und da muss sie auch selbstbewusst auftreten.

netzpolitik.org: Welche Gründe für Intransparenz gibt es noch?

Brink: Wichtige menschliche Gründe spielen eine Rolle. Niemand lässt sich gern kontrollieren. Jeder macht mal Fehler, bei denen er sich nicht ertappen lassen will. Öffentliche Verwaltung ist in vielen Punkten auch Mangelverwaltung und gibt nicht gerne zu, dass manchmal weder Zeit noch ausreichend Ressourcen vorhanden sind, um gute Ergebnisse zu erzielen. Manchmal leisten Mitarbeiter:innen auch keine gute Arbeit. An manchen Stellen passt der Personalschlüssel schlicht nicht, da muss man dann „unsauber“ agieren – und das zeigt man nicht gern.

Korrupt im Dunkeln

Deutlich schwerer wiegt, dass es natürlich auch in Deutschland Korruption gibt, die politisch motiviert ist oder auch politischen Vorgaben folgt. Teilweise sind Verwaltungsmitarbeiter:innen auch nicht stark genug, sich Vorgesetzten und deren unsachlicher Einflussnahme zu widersetzen. Transparenz könnte helfen, sie zu bestärken und Korruption einzudämmen.

Darüber hinaus gibt es sicher auch Fälle, wo sich Menschen in der Verwaltung bereichern wollen. Vorteilsgewährung lässt sich nie ausschließen. Mitarbeiter:innen hätten es aber deutlich schwerer, sie zu vertuschen, wenn es mehr Transparenz gäbe. Ein Beispiel dafür sind illegale Datenbankabfragen der Polizei: Es gibt immer wieder Fälle, wo Polizisten privat etwas wissen wollen und sich unerlaubt Akteneinsicht verschaffen. Wir hatten in Baden-Württemberg jedes Jahr zehn bis zwanzig illegale Abrufe.

netzpolitik.org: Wie werden diese illegalen Abrufe bekannt?

Brink: Wir Datenschützer haben durchgesetzt, dass alle Abrufe protokolliert werden müssen. Die Registersysteme protokollieren mit, wer abfragt. Man kann ferner nicht mehr mit Sammelkennung abfragen, sondern jeder muss mit seiner eigenen Dienstnummer die Anfrage stellen. Das schreckt viele ab – und das ist gut so.

Aber es gibt immer noch genügend Leute, die glauben, illegale Abfragen würden nicht auffallen. Oder sie verstehen vielleicht nicht, dass ihre Abfrage tatsächlich auf sie zurückzuführen ist. Letztlich erwischt man nur einen Teil, wenn man die Protokolle nicht alle überprüft. Aber in den Stichproben fallen immer wieder Leute auf.

netzpolitik.org: Wer prüft diese Stichproben?

Brink: Das macht die interne Revision der Polizei.

Steh dazu!

netzpolitik.org: Verwaltung stellt sich oft so dar, als sei sie fremdgesteuert und könne keine eigenen Entscheidungen treffen. Woran liegt das?

Brink: Das ist ein üblicher Mechanismus und darin liegt auch ein Grund für Intransparenz. Die öffentliche Hand hat zwar keine Entscheidungsfreiheit, weil sie nicht frei ist, in dem, was sie tut. Frei sind nur wir Bürger:innen. Aber die Verwaltung hat doch immer verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten. Nach außen gibt sie das allerdings nicht gerne zu.

Das kennen wir zum Beispiel aus der Justiz. Die Gerichte erklären, sie hätten gar keine Entscheidungsmacht. Entscheidend sei alleine das Gesetz. Das ist eine Form sich selbst zu immunisieren, indem man die eigene Rolle herunterspielt. Das macht auch die Verwaltung gern. Dabei ist sie selbst Staatsgewalt und übt auch selbst Macht aus.

Sie hat große Entscheidungsspielräume, immer und überall. Vor allem bei der Frage, um welche Themen sie sich überhaupt kümmert, welche sie aufgreift, welche sie liegen lässt, wie sie ihre Ressourcen einsetzt. Darüber kann sie sehr viel steuern. Diese Entscheidungsmacht muss sie auch verantworten. Aber da hält sie lieber den Deckel drauf und sorgt für Intransparenz, nach dem Motto: „Wir haben gar nichts entschieden, das war doch alles schon vorgegeben.“

Akten als öffentliche Quelle?

netzpolitik.org: Wie würde eine transparente Verwaltung idealerweise aussehen?

Brink: Gute Transparenz beginnt damit, eine gesetzliche Regelung zu treffen, dass so gut wie alles transparent sein kann. Das bedeutet also zunächst, dass ich das Amtsgeheimnis aufhebe und die Verwaltungsbeamten nicht mehr dazu zwinge, nichts zu sagen. Die Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder geben der Verwaltung vor: „Ihr könnt über alles berichten, und ihr müsst das sogar auch, wenn jemand fragt.“

Am wichtigsten ist also die Regelung, dass das, was in den Akten steht, eine öffentliche Quelle ist, aus der sich jede:r bedienen kann. Die Verwaltung muss sich darauf einstellen, dass jemand kommen kann und nach Dokumenten fragt, die sie dann herausgeben muss. Das hat eine enorme erzieherische Wirkung und ist ein großer Erfolg.

netzpolitik.org: Welche Rolle haben die Bürger:innen in dem Ganzen?

Brink: Sie können und sollten von ihrem Recht auf Informationen aus der Verwaltung Gebrauch machen. Damit geben sie der Verwaltung die Gelegenheit, sich mit dem Thema Transparenz auseinanderzusetzen und hier eine Routine zu bekommen. Die Transparenzregelung funktioniert nur, wenn die Verwaltung regelmäßig Anfragen bearbeiten muss. Andernfalls fällt sie wieder in den alten Trott.

Optimal wäre es, wenn die Verwaltung per Transparenzgesetz das ganze Verwaltungswissen zur Verfügung stellen müsste, auch zur persönlichen, privatwirtschaftlichen und ökonomischen Nutzung und Verwertung. Gerade die digitale Verwaltung könnte das leisten, zum Beispiel über Internet-Portale. Das Vorgehen über Einzelanfragen und Einzelantworten ist charakteristisch fürs IFG, aber eigentlich altbacken und für alle Beteiligten aufwändig.

netzpolitik.org: Wie geht die öffentliche Verwaltung mit dem IFG und Anfragen um?

Brink: Sobald es für öffentliche Verwaltung alltäglicher wird, baut sie viele Hemmnisse ab. Da hilft es, wenn Bürger:innen mal mit Klarnamen anfragen und höflich auftreten. Dann fühlt sich Verwaltung auch abgeholt. Da kommt gar keiner auf die Idee, dass das jetzt ein Fall nach Informationsfreiheitsgesetz war, sondern man hatte ein gutes Gespräch in der Verwaltung, hat die Informationen bekommen, alle sind zufrieden. Das ist die optimale Situation.

Immer mehr Beamtinnen und Beamte verstehen, dass auch sie selbst Anfragen stellen können, zum Beispiel bei der vorgesetzten Behörde. Der Aufsichtsbehörde mal auf den Schreibtisch gucken: Verwaltung kann damit auch erfahren, was Verwaltung tut.

Veränderung tut weh

FragDenStaat, kurz FDS, ist inzwischen der Gradmesser dafür, wie Informationsfreiheit in Deutschland funktioniert, und nicht mehr wegzudenken. Über die Plattform können einzelne Bürger:innen mit wenigen Klicks an Informationen herankommen, und damit sitzt FDS der Verwaltung wirklich im Nacken. Das ist eine heilsame Position.

Verwaltung ärgert sich darüber und wehrt sich auch mit Unterstützung der Gerichte, die teils sehr konservativ urteilen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Jahr die sehr ärgerliche und unzutreffende Entscheidung getroffen, dass solche Anfragen nicht mehr anonym laufen dürfen. Diese Entscheidung ist grob falsch. Selbstverständlich dürfen Bürger:innen anonym fragen. Die Verwaltung geht es überhaupt nichts an, wer da anfragt, das heißt, es gibt kein zulässiges Interesse der Verwaltung zu ermitteln, wer fragt und aus welchen Gründen. Sie muss jede Anfrage gleich beantworten.

netzpolitik.org: Gibt es die Aussicht, dass die Entscheidung rückgängig gemacht wird?

Brink: Ich gehe davon aus. Das Team meines Forschungsinstituts und ich arbeiten uns gerade an dem Thema ab. Es gibt eventuell die Möglichkeit, diese unglückliche Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Wir werden sehen, ob wir dorthin kommen. Die Entscheidung ist von einem Senat gefällt worden, der eigentlich mit Informationsfreiheit gar nichts am Hut hat. Ich bin sicher, dass der zehnte Senat des Bundesverwaltungsgerichts, der eigentlich dafür zuständig ist und mehr Erfahrung hat und das Thema besser überblickt, das mit einer gegenläufigen Entscheidung korrigieren wird.

Identifizierungspflicht als Transparenzhemmer

Eine Identifizierungspflicht im IFG wäre ein grober Selbstwiderspruch. Wenn ich sowas als Gesetzgeber ins Gesetz schreibe, dann will ich gar nicht, dass die Verwaltung transparent ist, weil ich ihr damit natürlich ein Machtmittel an die Hand gebe, den Antragsteller unter Druck zu setzen. Die Behörde baut eine Machtposition auf. Sie sagt: „Ich kenne dich, ich überlege mir jetzt, warum du diese Fragen stellst und du bist dann in meinen Akten. Dann werden wir mal überlegen, ob uns deine Fragen gefallen.“

Wer Informationsfreiheit wirklich will, der sorgt dafür, dass Bürger:innen keinen Grund haben, ihre Anfrage nicht zu stellen. Diese Identifizierungspflicht aber ist genau so ein Grund, lieber keine Anfragen zu stellen. Parlamente, die die Identifizierungspflicht ins Gesetz schreiben, haben sich vorher in der Regel von der Verwaltung einflüstern lassen, dass das irgendwie notwendig sei, etwa um die Kosten geltend machen zu können oder ähnlichen Unfug. Das sind einfach unentschlossene Gesetzgeber, die nicht wirklich eine transparente Verwaltung wollen.

Für echte Transparenz baut der Gesetzgeber ein Transparenzgesetz, senkt so weit wie möglich die Hürden, an Informationen zu kommen, und lässt möglichst wenig Ausnahmen zu, in denen Verwaltung keine Informationen herausgibt.

netzpolitik.org: Manche argumentieren: Wenn die Verwaltung transparent sein soll, dann sollten es im Gegenzug auch die Anfragenden sein, um ein Verhältnis mit Augenhöhe herzustellen.

Offenes Visier passt nicht zum Datenschutz

Brink: Ja, aber darin liegt ein Denkfehler. Das hat nichts mit Augenhöhe zu tun. Die öffentliche Verwaltung hat einen klaren gesetzlichen Auftrag, und für Staatsorgane wie die Verwaltung gibt es keine Freiheit. Da sitzen zwar auch Menschen, aber in ihrer Funktion als öffentliche Verwaltung. Diese ist keine Trägerin von Grundrechten und hat insbesondere nicht das Recht, auf Augenhöhe mit dem Bürger zu sprechen, der ihr gegenübertritt.

Der Bürger dagegen ist frei in dem, was er tut. Er kann selbst entscheiden, ob er von der Verwaltung etwas wissen will oder nicht, wie er auftritt, ob er seinen Klarnamen nennt, ob er unter Pseudonym oder anonym agiert. Der Bürger ist frei, die Verwaltung ist gebunden. Das Argument, der Bürger sollte der Verwaltung mit offenem Visier gegenübertreten, ist ein klarer Widerspruch zu unseren datenschutzrechtlichen Vorgaben und verfassungsrechtlichen Überzeugungen.

netzpolitik.org: Viele Bürger:innen haben nichts dagegen, ihre Identität anzugeben. Die vertrauen der Verwaltung oder sehen keinen Grund, ihre Daten zu verbergen.

Brink: Sicher, das darf auch jeder so handhaben, aber das muss niemand tun. Es gibt eben auch Bürger:innen, wie Journalist:innen oder politische Aktivist:innen, die ein klares, berechtigtes Interesse haben, diese Informationen der Behörde nicht mitzuteilen und anonym zu bleiben.

Unterlegene Verwaltung

Bürger:innen verfügen über das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Verwaltung hat das nicht. Damit muss Verwaltung leben. Das ist nicht immer angenehm. In meiner Funktion als Informationsfreiheitsbeauftragter habe ich regelmäßig an die Bürger:innen appelliert, der Verwaltung gegenüber höflich aufzutreten. Auch in der Verwaltung sitzen nette Menschen oder jedenfalls Menschen, die respektiert werden wollen.

Aber rechtlich gesehen muss das der Bürger nicht. Der Bürger muss einfach nur seine Fragen stellen. Dass sich öffentliche Verwaltung manchmal nicht gewertschätzt fühlt oder dass sie merkt, dass sie im Verhältnis zum Bürger in einer schwächeren Position ist – er darf wissen, wie der Verwaltungsbeamte heißt, umgekehrt geht das nicht – damit muss Verwaltung professionell umgehen. Manchmal klappt das leider nicht.

netzpolitik.org: Welchen Effekt hat die Pflicht zur Identifizierung?

Brink: Die Identifizierung hat als einzigen Effekt, dass sie Bürger:innen davon abschreckt, eine Anfrage zu stellen. Viele werden zögern, weil sie befürchten, dass ihnen daraus Nachteile entstehen, dass die Verwaltung sie dann schlechter behandelt zum Beispiel. Das wird die Anzahl der Fragen in Deutschland reduzieren.

Hier werden ohnehin traditionell wenig Informationsfreiheitsanfragen gestellt, ganz anders als zum Beispiel in den USA mit dem Freedom of Information Act. Dort nutzen Bürger:innen diese Möglichkeit ganz breit und es gibt diese schöne Einstellung: „Ich habe die Verwaltung bezahlt, jetzt will ich auch wissen, was die machen. Das sind meine Ergebnisse, die da produziert werden.“ Diese Anspruchshaltung muss man nicht überbetonen, aber wir sollten in Deutschland lernen, dass es gut und sinnvoll sein kann, sich zu informieren.

Intransparenz mit gutem Grund?

netzpolitik.org: Gibt es Bereiche in der Verwaltung, die nicht transparent sein sollten?

Brink: Es gibt zumindest ein paar, wo man drüber nachdenken kann, ob sie von Anfang an transparent sein sollten, wenn es zum Beispiel um Sicherheitsinteressen geht. Da ist häufig zunächst nicht klar, wie das Gefahrenpotential aussieht und ob überhaupt eines besteht. Da kann es sinnvoll sein, Vermutungen erstmal nicht nach außen dringen zu lassen. Im Nachhinein sollte man aber transparent sein und erklären, wo man eine Gefahr gesehen hat und warum es dann eine war oder keine.

Die Polizei, die vorhat, eine Razzia zu machen, wird das vorher nicht verkünden können, sondern erst im Nachhinein. Das gilt letztlich aber für wenige Bereiche. Ich bin zum Beispiel dafür, dass auch die Nachrichtendienste so transparent wie möglich sind. Sie aus der Transparenzpflicht herauszunehmen, ist in den meisten Fällen nicht geboten. Klar, im operativen Geschäft wird man sich zurückhalten, aber man kann über sehr viele abgeschlossene Verfahren berichten, auch über die Methoden, die man einsetzt.

Gute Gründe für Intransparenz sind ausschließlich Rechte von Bürger:innen, zum Beispiel das Datenschutzrecht. Ich darf den Sozialbescheid nicht an den Nachbarn herausgeben. Zwar darf ich als Bürger sogar danach fragen, aber dann muss die Behörde erst einmal beim Betroffenen anfragen, ob sie ihn herausgeben darf oder nicht.

Digitale Verwaltung, transparente Verwaltung

netzpolitik.org: Wie schätzen Sie den Effekt der Digitalisierung auf die Transparenz der Verwaltung ein?

Brink: Digitalisierung hat einen positiven Effekt. Denn sie entlastet die öffentliche Verwaltung, auch im Bereich der Informationsfreiheit. Die Digitalisierung kann extensive Transparenz boosten und Informationsfreiheit alltäglich machen.

Ein gutes Beispiel dafür sind die Transparenzportale. Da können wir Workflows einrichten, in denen die Verwaltung das Ergebnis des Verwaltungshandelns im Portal öffentlich zugänglich macht. Das hat für die öffentliche Verwaltung auch einen erzieherischen Effekt, denn sie stellt damit ihr Vorgehen und ihre Ergebnisse für jeden sichtbar und verständlich dar.

Digitalisierung kann Abläufe extrem verkürzen, selbst dort, wo im Einzelfall, also auf Antrag entschieden werden muss. Nicht nur, weil man per E-Mail kommunizieren kann, sondern auch, weil man zum Beispiel elektronisch besser schwärzen kann. Das hört sich an wie eine Kleinigkeit, aber mit Schwärzen hat die öffentliche Verwaltung viel Arbeit. Nicht nur ist es sehr aufwendig, sondern produziert auch hohe Kosten, wenn etwa Mitarbeiter:innen fünfmal kopieren und viermal mit einem Edding drüber malen müssen, um persönliche Informationen von Bürger:innen aus dem Dokument zu entfernen. Da kann Verwaltung mithilfe digitaler Tools schneller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder personenbezogene Daten wie Klarnamen von Menschen herausfiltern, die sie schwärzen sollte.

Transparenz kostet nicht die Welt

netzpolitik.org: Beim Thema Digitalisierung geht es auf allen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen – ums Geld.

Brink: Es ist völlig klar, dass die Länder das finanzieren müssen und dass die Kommunen das nicht können. Die brauchen in diesem Bereich noch mehr Unterstützung. Und das kann eigentlich nur heißen, dass das Land für alle öffentlichen Stellen entsprechende Transparenzportale aufbaut, für Schnittstellen sorgt und es einfach macht, die lokale und regionale Verwaltung daran anzuschließen, damit die Daten dort alle hineinlaufen.

Die Kosten dafür sind aber letztlich lächerlich gering. Es braucht diesen Gesinnungswandel innerhalb der öffentlichen Verwaltung, damit sie endlich anerkennt, dass sie eine dienende Funktion hat und transparent sein muss, natürlich auch weiterhin Macht ausübt, aber eben im Rahmen der Gesetze und auf der Basis von völliger Transparenz. Der Schritt ist noch nicht überall vollzogen, aber er wird kommen. Ich bin optimistisch, dass die positiven Digitalisierungseffekte eintreten werden, auch in der öffentlichen Verwaltung.

Wir haben in vielen Bereichen eine hohe Nachfrage nach verlässlichen Datenbeständen. Was die öffentliche Verwaltung für uns anlegt, ist ganz weit vorne und beugt Fake News vor.

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