EU-GrenzpolizeiFrontex zieht gegen Kritiker vor Gericht

Derzeit steht die EU-Grenzpolizei Frontex in Kritik, weil sie an den EU-Außengrenzen an Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist. Anstatt diese Praxis zu beenden, geht die Behörde gegen Transparenzaktivist:innen vor.

Irisches Schiff im Einsatz für Frontex als Teil der Operation Triton CC-BY 2.0 Irish Defence Forces

Berichte über illegale Pushbacks in Griechenland, die zweifelhafte Rolle der deutschen Bundespolizei, Vertuschungsversuche von Frontex – die Veröffentlichungen zu Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen nehmen kein Ende. Im Zentrum der öffentlichen Kritik steht derzeit die EU-Grenzpolizei Frontex, der vorgeworfen wird, an Verstößen gegen internationales Recht beteiligt zu sein.

Nun zieht die EU-Behörde gegen die Transparenzaktivist:innen von FragDenStaat vor Gericht, berichtet die Nichtregierungsorganisation am Mittwoch auf ihrem Blog. FragDenStaat setzt sich seit Jahren für Transparenz bei Frontex ein und hat Mitte November Belege für die Verstrickungen von Frontex in Pushbacks veröffentlicht.

Die Klage steht offenbar in Zusammenhang mit einer früheren gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den ungleichen Akteuren. Ende 2019 hatte FragDenStaat eine Auskunftsklage gegen Frontex vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg verloren. Daraufhin schickte Frontex eine Anwaltsrechnung über 23.700 Euro. Die Agentur begründete ihre Rechnung mit der Beauftragung von teuren Privatanwälten.

Im Frühjahr hatten sich mehr als 87.000 Personen in einer Petition Frontex gerichtet, damit die Behörde ihre Rechnung zurückzieht. FragDenStaat weigerte sich, die Rechnung zu bezahlen.

Details müssen vorerst geheim bleiben

Weitere Details aus dem Fall sind derzeit nicht bekannt, da sie auf EU-Ebene während laufender Verfahren geheimgehalten werden müssen. Auf eine Presseanfrage vom 1. Dezember hat Frontex zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht reagiert.

Arne Semsrott, Projektleiter von FragDenStaat und Autor bei netzpolitik.org, wertet die Forderung der EU-Agentur als klares Einschüchterungsmanöver:

Frontex hat ein Milliardenbudget. Keine EU-Agentur ist so gut ausgestattet wie sie. Es ist auf EU-Ebene sehr ungewöhnlich, bei Auskunftsklagen private Anwälte zu beauftragen und Kosten für Klagen von zivilgesellschaftlichen Organisationen einzufordern. Sollte Frontex mit dieser Einschüchterungstaktik Erfolg haben, können sich künftig nur noch Unternehmen und reiche Personen Klagen gegen EU-Behörden leisten – die kritische Zivilgesellschaft, Journalist:innen und Aktivist:innen bleiben außen vor.

Schon heute seien Auskunftsklagen gegen die EU besonders teuer. Anders als in Deutschland und anderen EU-Staaten gibt es auf EU-Ebene keine gesetzliche Deckelung von Gerichtskosten.

Unterdessen soll Frontex mit dem neuen EU-Haushalt ein Budget von 11 Milliarden Euro für die kommenden Jahre erhalten, um technisch weiter aufrüsten zu können.

4 Ergänzungen

  1. Langsam wird es mehr als “unterirdisch“, was Frontex da tut. Bei der in Artikel beschriebenen Reaktion wird klar, dass es sich bei den Pushbacks nicht um Fehlentscheidungen einzelner Abteilungen handelt. Das aus meiner Sicht menschenrechtsverletzende Verhalten wird von Frontex insgesamt gedeckt. Frontex ist insgesamt verantwortlich weil Frontex insgesamt geklagt hat.

    Ganz unabhängig davon, wie man zur Flüchtlingsproblematik steht handelt es sich bei diesem Verhalten (Pausbacks) um:

    – Nötigung, also unter Anwendung von Handeln, Druck, Gewalt die Willensfreiheit Anderer zu Beeinträchtigen. Das ist etwas ganz Anderes als legitime Rechtsdurchsetzung. Das hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun. Man kann nicht Richter und Polizei in Einem sein.

    – Verstöße gegen das Seenotrettungsrecht. Denn das seht vor, Menschen in Notlagen ganz unabhängig von der Ursache zu retten und nicht noch zusätzlich in Gefahr zu bringen.

    – Frontex nimmt in Kauf, dass Menschen bei Pausbacks ertrinken. Das ist grob fahrlässig. Wenn dabei jemand stirbt würde ich das wenigstens als fahrlässige Tötung bezeichnen. Aus meiner Sicht als juristischer Laie muss ich das als das Mord bzw. Mordversuch bezeichnen. Interne Handlungsanweisungen bei Frontex könnten das belegen oder verneinen. Warum also die Heimlichkeiten?

    In einem Rechtsstaat kann und muss ich verlangen, dass Frontex zu diesen Vorwürfen Stellung nimmt und dass ggF. die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Das Gegenteil geschieht und darüber hinaus versucht man die, die auf Rechtsstaatlichkeit, auf unsere Demokratie bestehen, finanziell zu vernichten. Der Verdacht liegt sehr nahe, dass es sich um einen Versuch von Repression und Vertuschung geht.

    Eine willentlich nicht rechtmäßig agierende Organisation gehört sofort in die Schranken verwiesen oder abgeschafft. Alternativ gehört der ungeheuere Vorwurf aktiv und objektiv widerlegt. Letzteres geschieht nicht, wird sogar aktiv verhindert.

  2. Also gegen Personen und Organisationen klagen, um Transparenz zu verhindern…

    unabhängig davon, wie viel Transparenz und Kontrolle es in welcher Form geben wird, darf das nicht Teil des Systems sein.

    So ist der Rechtsstaat eigentlich keiner mehr, und die Demokratie ist nur noch „demokratisch“ in so fern, als dass ein Wahlverfahren irgendwo mit dabei ist.

  3. Also vielleicht sollte es eine unabhängige Klagebehörde geben, die als einzige gegen Zivilisten und Teile der Zivilgesellschaft klagen darf.

    Andere Behörden dürfen sonst nur vor das Verfassungsgericht oder gegen die klagebehörde klagen :).

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