"Stop scanning me"Europaweite Kampagne gegen Chatkontrolle gestartet

Unter dem Motto „Stop scanning me“ hat ein Bündnis aus Bürgerrechtsorganisationen eine breite Kampagne gegen die Chatkontrolle gestartet. Das Vorhaben der EU-Kommission ist aus Sicht der Aktivist:innen weder zielführend noch mit dem europäischen Recht vereinbar.

Screenshot der Webseite stopscanningme.eu
Stop scanning me! – lautet der Appell eines Bündnisses verschiedener Bürgerrechtsorganisationen – Alle Rechte vorbehalten stopscanningme.eu

Die europäische Zivilgesellschaft verstärkt ihren Protest gegen die von der EU-Kommission geplante Chatkontrolle. Das Netzwerk European Digital Rights (EDRi), dem europaweit verschiedene Bürgerrechtsorganisationen angehören, hat die Kampagne unter dem Motto „Stop scanning me“ gestartet. Gemeinsam mit 13 weiteren Organisationen hat EDRi dazu eine Website ins Leben gerufen, auf der sie die europäischen Gesetzgeber:innen auffordern, das Vorhaben zu stoppen und den Gesetzesentwurf zurückzuziehen.

Darüber hinaus hat das Bündnis eine Analyse des Verordnungsvorschlags der Kommission veröffentlicht. In dem 52-seitigen Dokument legen die Autor:innen dar, warum die unter dem Namen Chatkontrolle bekannte Gesetzesinitiative gegen europäisches Recht verstößt und obendrein das Ziel des Kinderschutzes verfehlt.

Die Analyse stellt zudem die Ergebnisse einer Anfrage des Irish Council for Civil Liberties (ICCL) bei der irischen Polizei vor. Die Anfrage ergab, dass das automatisierte Scannen von Nachrichten auf Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu zahlreichen Falschmeldungen führt. Diese würden nicht nur die Behörden überlasten, sondern vor allem das eigentliche Ziel des Kinderschutzes aushebeln, weil tatsächlich strafbare Inhalte dann nur unzureichend verfolgt werden können. Dem Kampagnenbündnis zufolge enthielten in Irland im Jahr 2020 lediglich 20,3 Prozent der Meldungen Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder, nur ein Drittel davon wurde verfolgt.

Eine Überwachungsinfrastruktur von bisher ungekanntem Ausmaß

Mit der Chatkontrolle will die EU gegen Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder im Netz vorgehen. Die Child Sexual Abuse Regulation (CSAR), wie der Vorschlag zur Chatkontrolle offiziell heißt, sieht vor, dass unter anderem Anbieter:innen von Messengerdiensten die privaten Nachrichten ihrer Nutzer:innen scannen müssen. Davon wären auch verschlüsselte Nachrichten betroffen. Diese sollen entweder auf den Geräten abgegriffen werden – das sogenannte Client Side Scanning – oder aber die Verschlüsselung selbst wird gebrochen.

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Kritiker:innen bemängeln, dass die EU damit eine Überwachungsinfrastruktur von bisher ungekanntem Ausmaß errichten würde, statt in den Kinderschutz zu investieren und die zuständigen Behörden finanziell wie personell besser auszustatten. Expert:innen zeigen sich zudem besorgt, dass Child Sexual Abuse Material (CSAM) nicht der einzige Vorwand bleiben wird, um das Durchsuchen privater Kommunikation zu rechtfertigen.

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte den Verordnungsvorschlag am 10. Oktober im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments vorgestellt und war dabei durch Unkenntnis der Thematik aufgefallen, wie netzpolitik.org berichtete.

Auf der Kampagnen-Website erklärt das Bündnis, inwiefern die Chatkontrolle die Grundrechte aller EU-Bürger:innen verletzt. Darüber hinaus findet sich dort die Analyse des Gesetzesentwurfes sowie ein Positionspapier.

Seit Monaten protestieren Bürgerrechtsorganisationen gegen das Vorhaben; auch der UN-Menschenrechtskommissar, einige Bundesminister:innen und Bundesländer haben sich dagegen ausgesprochen. Um über die Folgen der Chatkontrolle aufzuklären, hat Alexander Lehmann für die Kampagne „Chatkontrolle stoppen!“ ein Video produziert, das das Vorhaben anschaulich erklärt.

2 Ergänzungen

  1. >> EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hatte den Verordnungsvorschlag am 10. Oktober im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des EU-Parlaments vorgestellt und war dabei durch Unkenntnis der Thematik aufgefallen, … <<

    Was die wohl beste Voraussetzung dafür ist, in der Politik erfolgreich zu sein und sich für etwas stark zu machen. Augen und Ohren zu, und ohne Wissen durch die Wand.

    Was nützen all die klugen Artikel, Videos und MEMEs den Bürgern, wenn sie von den Entscheidern in der Politik weder gelesen werden oder Zustimmung finden?

    Wissen hat in der Politik leider nicht die allerhöchste Priorität, der Wille zur Macht aber schon.

    Und die Empörung darüber: Wem nützt die?

  2. Das muss man mal in Rechnung stellen. So viele Menschen, so viele Experten, beschäftigt mit Hühnerpferdescheiße.

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