Die polnische Regierung hat sich geweigert, Mitglieder des Pegasus-Untersuchungsausschusses zu treffen, die diese Woche nach Warschau gereist sind. Die Delegation von zehn Parlamentarier:innen wollte Hintergründe zum Überwachungsskandal sammeln und Akteur:innen befragen. Auf dem Plan standen Treffen mit lokalen Politiker:innen, Vertreter:innen des obersten Rechnungshofes und Betroffenen der Spionage.
Angefragt hatte der Ausschuss auch das polnische Innenministerium und Justizministerium. Doch beide Häuser hätten die Einladung zu einem Treffen abgelehnt. Das berichtete der Ausschussvorsitzende Jeroen Lenaers in einer Pressekonferenz zum Abschluss der Reise.
Dass diese Treffen nicht stattfinden würden, war schon vor Beginn der Reise klar: Mehrere politische Gruppen im Ausschuss haben ein gemeinsames kritisches Statement veröffentlicht und die Weigerung der PiS-Regierung zur Zusammenarbeit verurteilt. „Wir sind der Meinung, dass solche Treffen der Regierung Gelegenheit geben würden, auf Berichte über den illegalen Einsatz von Überwachungsmaßnahmen gegen Personen, die als politische Gegner angesehen werden, zu reagieren.“ Der Ausschuss werde sich dadurch nicht von seinem Ziel abbringen lassen, den Missbrauch von Trojanern in der EU zu untersuchen.
„Weitere Dimension der Krise der Rechtsstaatlichkeit“
In der Pressekonferenz sagte Lenaers, der Besuch der zehn Ausschussmitglieder sei dennoch produktiv gewesen. Man habe neue Erkenntnisse über den „illegalen Einsatz von Überwachung gegen demokratische Akteure“ in Polen gewonnen. Es sei klar geworden, dass das System der legalen Kontrollen in Polen demontiert worden sei, um Personen anzugreifen, die als politische Gegner:innen gelten. Er nannte das eine „weitere Dimension der Krise der Rechtsstaatlichkeit in Polen“.
Im Kern gehe es um Rechtsstaatlichkeit, sagt Lenaers. Die Regierung könne sich zwar hinter Begründungen wie Nationaler Sicherheit verstecken. „Aber es gibt kein Szenario, in dem nationale Sicherheit einen verpflichtet, Anwält:innen oder Oppositionelle auszuspionieren.“
Man werde sich von der Blockade der Regierung nicht davon abhalten lassen, die Untersuchung fortzusetzen und Empfehlungen abzugeben, wie EU-Bürger:innen in Zukunft vor solchem Missbrauch von Überwachungswerkzeugen geschützt werden könnten.
„Tür zu einem Raum der Gesetzlosigkeit“
Sophie in ’t Veld, Berichterstatterin im Ausschuss, war bei ihrem Auftritt sichtlich verärgert. Der Ausschuss sei sich bewusst, dass so gut wie alle EU-Mitgliedstaaten Staatstrojaner einsetzten. In einigen Staaten geschehe das jedoch nicht, um die Sicherheit der Bürger:innen zu schützen, sondern richte sich gegen die eigenen Bürger:innen. Spionagesoftware sei hier zu einem Werkzeug autoritärer Regierungen geworden.
„Ich habe den Eindruck, die nationale Sicherheit ist eine Tür zu einem Raum der Gesetzlosigkeit geworden“, sagte in ’t Veld, „in dem nationale Regierungen sagen können: Ab hier gelten eure Regeln nicht mehr und die EU hat nichts mehr zu sagen.“ Sie forderte von der EU-Kommission, in solchen Fällen härter durchzugreifen. Gleiches gelte für Europol: Wenn Mitgliedstaaten die Behörde nicht von sich aus zur Mithilfe bei Ermittlungen rund um den Skandal bitten, müsste sich diese selbst einmischen.
Europol hatte in einer Befragung im Ausschuss mitgeteilt, es habe vom Einsatz des Staatstrojanders in der EU nichts gewusst und sei erst durch die Enthüllungen in den Medien darauf aufmerksam geworden. Bisher habe sich die Behörde auch nicht in nationale Untersuchungen eingeschaltet.
Sowohl in Ungarn als auch in Polen hatte sich die Regierung auf Gründe der nationalen Sicherheit berufen, nachdem bekannt wurde, dass Journalist:innen und Oppositionelle mit Pegasus abgehört wurden. Ein besonderes Interesse an einer Aufklärung des Skandals zeigt die regierende polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht.
Hoffnung auf Besserung „nahe Null“
In ’t Veld sagte, ihre Hoffnung auf Besserung bei der derzeitigen polnischen Regierung sei „nahe Null“. Diese habe die Kontrollen aktiv selbst abgebaut und ein System geschaffen, das gewollt gegen die eigenen Bürger:innen gerichtet sei. Sie nannte das „sehr besorgniserregend“.
Ihre Kritik richtete sich auch gegen die Regierung von Israel. Der Staatstrojaner Pegasus ist ein Produkt der israelischen Firma NSO Group. Die Lizenzen für die Ausfuhr der Produkte in EU-Staaten seien von Israel erteilt worden, sagte in ’t Veld. „Wie kann es sein, dass wir immer noch nicht mit Sicherheit sagen könnten, dass Polen von der Liste der für eine Ausfuhr gebilligten Länder gestrichen worden ist?“ Israel sei ein Verbündeter und sie erwarte, dass die Regierung dabei hilft, EU-Bürger:innen zu schützen.
Im Juli hatten die Parlamentarier:innen eine Reise nach Israel unternommen und dort Vertreter des Außenministeriums getroffen, von diesen aber nur allgemeine Auskünfte zu den Exportregelungen erhalten. Ein Vertreter von NSO Group war bereits im Juni vom Ausschuss befragt worden. Im Nachgang teilte das Unternehmen mit, zwölf EU-Staaten nutzten Pegasus, zweien seien die Lizenzen wieder entzogen worden. Ob es sich dabei allerdings um Polen und Ungarn handelt – die beiden Ländern, in denen Überwachungsskandale früh bekannt geworden sind –, wollte NSO nicht bestätigen.
Kurz vor der Wahl gehackt
Nach Ungarn war Polen das zweite Land in der EU, in dem Ende 2021 öffentlich wurde, dass der Staatstrojaner Pegasus gegen Regierungskritiker:innen eingesetzt wurde. Unter anderem der Rechtsanwalt Roman Giertych und die Staatsanwältin Ewa Wrzosek wurden nachweislich ausspioniert. Das Citizen Lab der Universität Toronto, das weltweit zum Einsatz von Trojanern forscht, fand heraus, dass Giertych mindestens 18 Mal gehackt wurde, kurz vor den Parlamentswahlen 2019. Zu dieser Zeit vertrat er unter anderem den ehemaligen Premierminister Donald Tusk, der jetzt Chef der größten Oppositionspartei ist.
Bei Ewa Wrzosek, die gegen eine umstrittene Justizreform opponierte, wurde der Trojaner laut forensischen Analysen 2021 auf das Smartphone aufgebracht. Beide glauben, dass die polnische Regierung hinter dem Hack steht.
Ewa Wrzosek war eine der Betroffenen, die der Ausschuss in Warschau getroffen und befragt hat. Unter anderem ging es dabei um die Fragen, welche rechtlichen Möglichkeiten Betroffenen bleiben und wie die Spionage den Ausgang der Wahlen beeinflusst haben könnte. Auch mit dem Untersuchungsausschuss im polnischen Senat und Vertreter:innen des Parlamentes traf sich die Delegation.
Freud’scher Verschreiber ;)
Ausschlussvorsitzende
Ich frage mich, warum ein Politiker, ganz gleich welchen Landes, überhaupt ein Smartphone nutzt, wenn er jederzeit damit rechnen muss, gehackt und ausspioniert zu werden?
Ich würd´s nicht machen, sondern die Spione täuschen, indem ich nur sinnloses Zeug dort schreibe und alles politisch Wichtige mündlich, schriftlich oder besser noch face to face übermittle. Bei einem netten Waldspaziergang. Taktik rules!