bitsIn Asien klappt Coronabekämpfung doch mit weniger Datenschutz?!

Die Strategien zur Eindämmung der Corona-Pandemie scheinen in Asien viel erfolgreicher zu sein als in Europa. Häufig wird unser Datenschutz als Hindernisgrund für ähnliche Erfolge genannt. Doch gibt es hier offensichtlich Missverständnisse, denn die dortigen Maßnahmen funktionieren ganz anders als bei uns und haben nicht so viel mit Datenschutz zu tun. Unser Tagesüberblick.

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Hallo,

die vergangenen Tage wurde ich mehrfach im Rahmen von Interviews und Leser:innenbriefen mit einem Kommentar in der Zeit konfrontiert, wo unter dem Titel „Von Asien lernen“ Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung aus Asien beschrieben wurden. Anscheinend haben viele aus dem Artikel herausgelesen, dass der Datenschutz bei uns Schuld an der Pandemie sei und dort der fehlende Datenschutz ein Hauptfaktor für eine bessere Strategie wäre.

Das Argument, dass der Datenschutz bei uns stören würde, hört man ja regelmäßig, und ich bin da schon oft drauf eingegangen. Heute möchte ich mich auf den Vergleich der Strategien zur Pandemiebekämpfung konzentrieren. Da spielen Datenschutzfragen tatsächlich nur eine nebensächliche Rolle. Vor allem kann man erfolgreiche Strategien in Asien leider nur bedingt mit unseren in Deutschland vergleichen.

Wie die Zeit richtig schreibt, liegt es nicht an einer „konfuzianischen Untertanenmentalität“, sondern an knallharten Vorschriften der jeweiligen Länder. Bei uns steht hingegen die Freiwilligkeit in der Befolgung der Regeln im Vordergrund. Es wird mit mehr oder manchmal weniger Erfolg versucht, notwendige Maßnahmen zu begründen und zu erklären. Das führt leider dazu, dass diese von Teilen unserer Gesellschaft als eine Art ehrenamtliches Engagement betrachtet werden. An die Vorgaben kann man sich dann halten, wenn man Lust drauf hat, oder eben nicht. Dazu zählt das korrekte Masken(richtig)tragen, das Abstandhalten oder ausnahmsweise mal auf Partys und Urlaube verzichten.

Dazu kommen in vielen asiatischen Staaten klare Reiseverbote und geschlossene Grenzen, und zwar im Sinne von tatsächlich undurchlässig, nicht nur eine Beschränkung oder Regulierung der Übertritte. Das ist bei kleinen Inselstaaten etwas einfacher durchzusetzen, wie sich auch in Neuseeland zeigt. Von Diktaturen wie China ganz zu schweigen. Aber vor allem setzen die Länder Urlaubsverbote konsequent um. Wenn wir bei uns Spanien-Urlaube in einer Pandemie verbieten würden, bräche vermutlich eine Revolution aus. Doch erst wenn wir solche Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheitsverbreitung ernsthaft umsetzen wollten, könnten wir uns ja darüber unterhalten, ob zur Einhaltung der harten Regeln auf bestehende Datenbanken zugegriffen werden könnte, um das auch durchzusetzen.

Quarantäne, aber richtig

Aber ein zentrales Element in asiatischen Staaten ist die konsequente Quarantäne-Strategie mit einer Überprüfung der Einhaltung. Ein Zwang zu 14 Tagen Hotel mit Verpflegung, aber auf eigene Kosten, ohne dass man das Zimmer verlassen darf. Tagsüber nur eine Stunde Rundgang auf dem Hotel-Parkplatz. Zur Einhaltung der Regeln wird überprüft, ob sich das Handy bewegt hat. Gut, darüber können wir sprechen. Aber erst, wenn wir uns auf den Punkt „14 Tage Quarantäne“ geeinigt haben, zusätzlich mit mehreren Tests in diesem Zeitraum. Bei uns wird beides ja eher als Handlungsempfehlung angesehen, Tests gibt es nicht mehr für alle und es gibt auch keinerlei Kontrolle darüber.

In Asien sind die Maßnahmen aber nicht freiwillig. Natürlich werden sie zunächst debattiert und erläutert, jedenfalls in den demokratischen Staaten. Aber dann setzt man sie eben um. Regelverstöße werden härter geahndet. Sozialer Druck und mögliche Sanktionen sorgen letztlich dafür, dass praktisch alle mit Masken rumlaufen, weil es sonst der ganzen Gesellschaft schlechter ginge. Das ist eigentlich ein No-Brainer, aber eben für Teile unserer Bevölkerung leider nicht – und da muss man nicht nur an Querdenker denken.

Wenn wir über eingeschränkten Datenschutz in Asien reden, dann reden wir vor allem über die Durchsetzung und Kontrolle von Regeln, die nicht zur Debatte stehen und damit dem Diskurs und einem Rechtfertigungszwang entzogen werden. Das wäre dann aber auch eine ganz andere Debatte bei uns als die Frage, ob die Corona-Warn-App jetzt ausreichend überwachen kann.

Die Corona-Warn-App ist gerade unser kleinstes Problem

Bei der App ist das Hauptproblem, dass sie zuviele Erwartungen geweckt hat. Vor allem bei Menschen, die sie technisch nicht gut in ihren Möglichkeiten einschätzen konnten und die jetzt den Datenschutz für die zweite Welle verantwortlich machen. Aber wenigstens funktioniert sie gerade noch, im Gegensatz zu unserer analogen Kontaktverfolgung in Gesundheitsbehörden, wo das System aktuell zumindest in Teilen zusammengebrochen ist. Und die meisten Beschwerden über die Corona-Warn-App haben eher mit unserer Test-Infrastruktur und der mangelnden Anbindung von Laboren zu tun und nicht mit der App an sich.

Selbstverständlich muss man alle Grundrechte gegeneinander aufwiegen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung steht nicht immer über allen anderen. Aber Maßnahmen müssen auch evidenzbasiert sein und priorisiert werden.

Ein simples „In Asien klappt es doch mit weniger Datenschutz“, ist mir dabei echt viel zu unterkomplex.

Kurze Pausenmusik:

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Die Erstellung dieser Ausgabe wurde freundlicherweise von Tomas Rudl und Mascha Fouquet unterstützt.

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Ein Vorschlag des EU-Ministerrats, dass verschlüsselte Kommunikation erheblich geschwächt werden soll, ruft starke Gegenreaktionen hervor. Sie kommen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen.

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Serafin Dinges fasst ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs zusammen: Im Voraus angekreuzte Kästchen sind nicht legal.

Eine Einwilligung zur Datenspeicherung ist nur rechtskräftig, wenn Nutzer:innen das entsprechende Häkchen selbst setzen. Der Europäische Gerichtshof hat hierzu heute Klarheit geschaffen. Auslöser war ein Gerichtsverfahren in Rumänien.

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In ihrer Kolumne ordnet Julia Reda ein Verfahren vor dem Europäische Gerichtshof ein, der sich mit Kompatibilität von Uploadfiltern und der Europäischen Grundrechtscharta beschäftigt: EuGH könnte Uploadfilter kippen und Berlin blamieren.

Sollte die CDU gegen ihr Versprechen den Einsatz von Uploadfiltern verlangen, könnte der Europäische Gerichtshof die Richtlinie nächstes Jahr wieder kippen.

Was sonst noch passierte:

Das Bundeskriminalamt ermittelt gegen Drogenimporteure und hat dafür Chats aus dem Encrochat-Netzwerk ausgewertet: Krypto-Handys geknackt BKA nimmt Kokain-Großdealer fest.

Auf die Hintergründe von Encrochat hatte ich im Juli hingewiesen. Vice Motherboard hat viele Details der Operation: How Police Secretly Took Over a Global Phone Network for Organized Crime.

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Das Schweizer Republik-Magazin hat neue Details rund um die Crypto AG recherchiert. Das Unternehmen wurde viele Jahre lang von CIA und BND mitbetrieben und verkaufte Verschlüsselungsequipment mit eingebauten Hintertüren in alle Welt. Republik fand heraus, dass auch Schweizer Unternehmen von der CIA ausspioniert wurden: Die mysteriöse Schwester­firma.

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Eine neue Studie der Stanford University kommt auf Basis der Auswertung von Mobilfunkdaten zu dem Ergebnis, dass sich an einigen Orten Menschen besonders häufig anstecken. Zu den Orten gehören Restaurants, Hotels, Cafes, Fitnessstudios und religiöse Räume. Also überall, wo Menschen in Gruppen zusammenkommen. Lars Fischer hat bei Spektrum eine Einordnung: Telefondaten deuten auf Superspreader-Orte.

Die Studie „Mobility network models of COVID-19 explain inequities and inform reopening“ findet sich bei Nature.

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Eine gute Analyse zu den weniger werdenden Corona-Infektionszahlen bietet der Faktenfinder von Tagesschau.de: Trendwende in Sicht? Es ist derzeit unklar, ob das auf die aktuellen Maßnahmen zurückzuführen ist, auf die Appelle der Bundesregierung, mehr zuhause bleiben oder einfach nur die Tests abnehmen, weil das System gerade etwas zusammenbricht. Allerdings steigen die Todeszahlen und das ist kein gutes Zeichen.

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Dafür gibt es Hoffnungen, dass bis Ende 2022 das „Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz“ (DEMIS) in allen Gesundheitsbehörden verfügbar sein soll. Mal schauen, wie stark dann noch die Corona-Pandemie ist: Fax statt Videochat – So groß ist das Digitalisierungs-Defizit der Gesundheitsämter.

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Mehrere Arztpraxen sind derzeit ein Fall für die Staatsanwaltschaft, weil sie Schilder mit „Maske verboten“ hängen haben oder Statements wie „Impfung ohne Sinn“ von sich geben: Berliner Ärztekammer prüft 130 Fälle Corona leugnender Ärzte.

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Die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern hat einige Verschwörungsideologen auf ihrer Corona-Leugnungs-Tournee festgenommen, da sie sich nicht an Auflagen halten wollten: Polizei nimmt Pandemieleugner Schiffmann in Gewahrsam.

Darunter war auch der Verschwörungsideologe Samuel Eckert, der auch eine Chatgruppe mit Falschbehauptungen und Verschwörungsmythen für Kinder betreibt, wie Report Mainz recherchiert hat: Verschwörungsmythen im Kinder-Chat.

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Das Bundesinnenministerium sieht Club-Kultur nicht als Teil der Kultur an. Ich persönlich halte Clubs in meiner Kultur für relevanter als Opern und Theater, aber da haben die Juristen im BMI offensichtlich eine andere Vorstellung: Berliner Clubs werden nicht als Kulturstätten anerkannt.

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Eine schöne Idee: Fahrrad-Aktivist:innen haben auf der Basis eines Luftbildes von 2019 für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ausgerechnet, wieviel Fläche parkende Autos einnehmen. Die 38351 gezählten parkende Autos haben in etwa den Umfang von allen Parks im Bezirk zusammen.

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Auf mehrfachen Wunsch hin soll ich doch über das mediale Großereignis einer Trump-Pressekonferenz vom Wochenende vor einer Garage in einem Industriegebiet neben einem Sex-Shop schreiben. Passenderweise hat das die Washington Post schon gut zusammengefasst: It began on a gold escalator. It may have ended at Four Seasons Total Landscaping.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Hintergrundbilder zur Verwendung in Video-Konferenzen von dem Ort und auch in virtuellen 3D-Welten gibt es schon Nachbauten. Furries inklusive. Ein zeitgeschichtlicher Ort mit großer Ausstrahlung also, an den sich viele auch noch nach Trump erinnern werden.

Video des Tages: Philosophie von Revolutionen

Die Philosophin Eva von Redecker hat das Buch „Revolution für das Leben – Philosophie der neuen Protestformen“ geschrieben, das ich auch noch lesen möchte. In der Schaubühne Berlin hat sie das Buch und ihre Thesen im Gespräch mit Nils Markwardt vorgestellt. Davon gibt es eine Aufzeichnung auf Youtube.

Tilo Jung hatte zuletzt ein Gespräch mit Eva von Redecker für sein „Jung und naiv“-Interviewformat veröffentlicht, das man sich auch als Podcast anhören kann.

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Das war es für heute. Viele Grüße und bleibt gesund,
Markus Beckedahl

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4 Ergänzungen

  1. Tests sind bei uns immer noch Mangelware.

    Die USA sind zwar am Arsch, werden uns da aber weit überholen, falls die das noch nicht getan haben. Wie in der IT: „reicht doch“.

    1. Naja, alles dichtmachen, alles testen, dann geht es wieder weiter.

      Einfluss der App? Leute fangen, die sich nicht an Quarantäne halten, aber aus Dummheit ihre Geräte mitnehmen oder gemessen am Zweck falsch bedienen. Infektionen rückverfolgen? Keine Daten.

  2. Inwieweit könnte ein aufgeweichter Datenschutz überhaupt dazu beitragen, eine
    sinnflutartige virale Verbreitung überhaupt aufzuhalten ? Das ist ja nur eine fantastische solutionistische
    Annahme und keine bewiesene Tatsache. Immerhin ist ein Virus ein
    Naturphänomen ähnlich einem Erdbeben, dass sich zwar durch Vorbeben vorhersagen läßt,aber
    eine Verhinderung eines Erdbebens ist ist trotz ständig optimierter Vorhersagbarkeit nicht möglich.

    Es muß also gefragt werden , wieviel Privatheit ist die Gesellschaft bereit zu opfern, um evtl einen kommenden Virausausbruch vorhersagen zu können. Zu viel mehr wird auch die allerbeste App nicht in der Lage sein.

    Es ist doch völlig utopistisch, dass die Bewegungsdaten jedes einzelnen einer zb 80 Millionen Volkes so in Synchronisation gebracht werden könnten, dass jeder potentiell einem potentiell Superspreader oder Inizierten aus dem Weg gehen könnte.
    Was kommt als nächstes, eine AI die Unfälle mit einer Wahrscheinlichkeit von 86% vorhersagt wenn sie nur in der Lage ist unser gesamtes visuelles Umfeld mitscannen zu dürfen..

    Wir und einige unserer nicht so technikaffinen Politiker, sitzen da vielleicht auch ein wenig der PR Maschinerie und solutionistischen Wunschdenkens eines Landes auf, das nunmal auch in erster Linie Smartphones verkauft. Es ist notwendig diesen Diskurs zu erweitern und sich gar nicht erst auf Vergleichsgefechte mit China einzulassen. Ich fürchte sonst werden die Versuche, mit falschen Versprechungen unsere Privatheit aufzuweichen immer vehementer und irgendwann gibt es tatsächlich so etwas wie eine Apppflicht.

  3. Das Aufstellen und Einhalten von sinnvollen Regeln darf bei uns halt nicht zu sehr betont werden, denn das Brechen von Regeln zum Nachteil der Gesellschaft ist Teil der propagierten Alltagskultur.

    Nur am Beispiel der Autoindustrie: zu schnelles Fahren, falsch Parken, immer groessere und schaedlichere Autos, immer mehr Strassen und versiegelte Flaechen, immer weitere Subventionen zur Gewinnmaximierung.

    Auch sonst ist die aktuelle Kultur des neoliberalen Egoismus letztlich eine Kultur gegen Gemeinsinn Vertrauen, und damit gegen das Einhalten von Regeln. Der Gewinner und Vorbild ist nicht der gesellschaftsdienlich Regelkonforme, sondern der individuell erfolgreiche Regelbrecher.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.