Warum wir weiterhin darüber aufklären, wen Maaßens Anhängerschaft retweetet

Unser Bericht zur Datenanalyse von Hans-Georg Maaßens Anhängerschaft auf Twitter hat bei manchen Menschen Kritik ausgelöst. Deswegen erklären wir, warum wir zum Artikel stehen, warum solche Recherchen in Zeiten des Rechtsrucks wichtig sind und warum wir uns nicht von Klageandrohungen und Shitstorms einschüchtern lassen.

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Netzwerk (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Alina Grubnyak

Seit Veröffentlichung des Artikels zum Twitterverhalten der Followerschaft von Hans-Georg Maaßen gibt es anhaltende Kritik. Sie kommt vielfach aus Milieus der AfD und auch von einigen der Menschen, die laut Datenanalyse zu den 100 Accounts gehören, die von Maaßen-Followern am meisten retweetet werden sowie aus deren eigener Followerschaft. Auf diese Kritik wollen wir hier nochmals eingehen. Im Wesentlichen besteht sie aus zwei Punkten:

Zum einen wird uns vorgeworfen, wir würden alle Accounts in einen Topf werfen und sie alle als rechtsradikal bezeichnen. Das stimmt nicht. Die Grafiken ergeben sich aus den offengelegten mathematischen Berechnungen der Daten. Auch die Formeln, die für die mathematischen Berechnungen angewandt wurden, haben wir offengelegt: Nähe und Distanz in der Darstellung der Cluster ergeben sich daraus, welche Accounts zusammen mit welchem anderen Account retweetet werden. Dies ist eine rein numerische Darstellung. Im Text werden zwar einige Accounts explizit als rechtsradikal und/oder rassistisch bezeichnet, es sind solche bei denen es daran keinen Zweifel gibt.

In Bezug auf die übrigen Accounts wird eine derartige Behauptung aber nicht aufgestellt oder ein solcher Eindruck vermittelt. Im Gegenteil: Der Text stellt klar, dass wir beispielsweise den Account von @rolandtichy, der die Liste der meisten Retweets sogar anführt, nicht als rechtsradikal einstufen. Gleiches gilt neben weiteren selbstverständlich für die Accounts von @hallaschka_HH, @alicologne, @MarcFelixSerrao, @kachelmann, @drumheadberlin, @PhilipPlickert, @Arnd_Diringer oder @neythomas, die in den Grafiken auch irgendwo Erwähnung finden. Die Aussage, alle 100 namentlich in den Grafiken erwähnten Accounts seien rechtsradikal, wird im Text nicht getroffen und sollte auch nicht impliziert werden.

Untersuchung, wo sich die Anhängerschaft von Maaßen auf Twitter verortet

Zum anderen wird die Datenanalyse selbst kritisiert. Ist es überhaupt aussagekräftig, welche Accounts die Follower von Hans-Georg Maaßen sonst noch retweeten? Schließlich müssten die 25 meistretweeteten Accounts selbst gar nicht mit dem Profil von Hans-Georg Maaßen interagiert haben, um in seiner Nachbarschaft zu landen – es reicht, die gleichen Fans zu haben. Wir halten die Methodik für geeignet, um einen ersten Eindruck zu bekommen, wo sich die Anhängerschaft von Maaßen auf Twitter verortet.

Natürlich bedeutet nicht jeder Retweet Zustimmung, es kann sich in Einzelfällen auch um kritische Auseinandersetzung handeln. In kommunikationswissenschaftlichen Untersuchungen wird dennoch häufig auf dieses Kriterium zurückgegriffen, denn in der großen Anzahl bedeuten Retweets eben doch Nähe.

Dass die eigenen Tweets von vielen weiterverbreitet werden, die auch offen rechtsradikale und rassistische Accounts retweeten, ist vielleicht kein Zufall. Man kann daraus keine pauschalen Schlüsse ableiten, aber im schlimmsten Fall verweist es auf gemeinsame Ansichten, Narrative, Gegner und Schnittmengen. Diese Nachbarschaft im Netzwerk des einflussreichen Ex-Geheimdienstchefs ist nach unserer Auffassung aber von öffentlicher Relevanz, gerade weil dieser nach seiner behördlichen Karriere nun eine politische Karriere anstrebt.

Für uns ist jedenfalls klar: Über Interpretationen lässt sich streiten, aber wer verhindern möchte, dass wir Schnittmengen in der Followerschaft von Hans-Georg Maaßen benennen, hat ein Problem mit der Pressefreiheit.

Shitstorm und Klageandrohungen um Berichterstattung zu beeinflussen

Wir haben uns in der Vergangenheit oft mit den digitalen Netzwerken der neuen Rechten beschäftigt: Wir haben einen AfD-nahen Scheinriesen-Account aufgedeckt und inoffizielle Unterstützernetzwerke dieser Partei. Wir haben die Hintergründe der Twitterstrategie der AfD beleuchtet und dabei fragwürdige Methoden entdeckt. Die journalistische Auseinandersetzung mit den digitalen Strategien der neuen Rechten ist gerade in Zeiten wichtig, in denen die Demokratie von diesen Kräften stark attackiert wird.

Wir stehen zu unserem Bericht über die Datenanalyse. Deswegen lassen wir uns weder von Klageandrohungen noch von Shitstorms einschüchtern, die mit persönlichen Angriffen, Beleidigungen und Verleumdungen eine Änderung unserer Berichterstattung einfordern. Beides stellt einen Angriff auf die Pressefreiheit dar.

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8 Ergänzungen

  1. Der Link zu Github enthält am Ende einen Punkt führte daher zu einem 404 bei Github. Ohne den Punkt am Ende funktioniert der Link.

  2. Mit Verlaub! Verrennt euch bitte nicht, dafür ist diese Website (trotz meines immer wieder aufkeimenden Missfallens) zu wichtig geworden! ;)

    Ich selbst wurde schon Opfer irgendwelcher heimlich geteilter »Blockt-die-Nazis-mal-weg-Listen« für Twitter, weil mir ein paar rechtsradikale und ein paar sehr konservative Menschen folgten – wofür ich herzlich wenig kann. In dieses dumme Social-Media-Feuer aus der twittrigen Hatespeech-Praxis gießt ihr mit solchen pseudowissenschaftlich-suggestiv formulierten »Analysen« öffentlich verfügbarer Metadaten, die unter dem Anschein der zahlenfressenden Objektivität mit weiten Armen zu Kurzschlüssen einladen, frisches Öl rein, damit es noch weiter lodere, als ob der Zerfall jeglicher erträglicher zwischenmenschlichen und diskursiven Kultur in der flüchtigen Wahn- und Parallelwelt Twitters nicht schon schlimm genug wäre.

    Ja, ich halte Hans-Georg Maaßen für einen gefährlichen Feind der Grund- und Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland. Nicht, wegen der Leute, die ihm folgen und wegen der teilweise unappetitlichen Dinge, die diese Leute sonst noch so zur Lektüre empfehlen (wofür er erst einmal nicht so viel kann). Sondern um dessentwillen, was er von sich gibt. Und das tut er seit Jahren, und er tat es auch, als er noch im Amt war.

    Nein, ich habe nicht die Angewohnheit, jeden wegzublocken, der Auffassungen vertritt, die ich für schwer erträglich halte, und nein, ich werde mir diese Haltung auch nicht angewöhnen. Ich blocke Idioten, Spammer und Werber (oft auch ihre hässlichen Brüder, die Journalisten, die sich in den Dienst jeder schlechten Sache stellen, um besser Werbeplätze vermarkten zu können), weil da jedes Miteinander unmöglich ist.

    Übrigens finde ich es faszinierend, dass das Getwitter der Bildzeitung keine besondere Erwähnung findet – dieses ist zumindest in meiner Filterblase so populär unter den Menschen mit gefestigtem rechtsradikalem Weltbild, dass es mir manchmal vorkommt, als wolle die Bildzeitung zur Parteizeitung der AfD werden, nachdem die Auflage und publizistische Bedeutung seit Jahren (und zum Glück) immer mehr wegbricht. Aber das kann natürlich meine Filterblase sein.

  3. Lasst Euch nicht einschüchtern. Getroffene Hunde bellen. Nimmt man die paar Rechten, die eine Scharnierfunktion haben, aber vielleicht nicht rechtsradikal sind, aus dem Artikel raus, dann bleibt ja dennoch die Erkenntnis, dass die retweetende Followerschaft von Maaßen überwiegend rechtspopulistische bis rechtsradikale Accounts verbreitet.

    Dass genau dieses Maaßen und seinen Fanboys nicht gefällt, da sie doch die CDU unter bürgerlichem Deckmantel nach ganz rechts schieben wollen, ist klar. Das Ergebnis der Analyse ist das, was sie am meisten fürchten.

  4. Finde ich jetzt nicht verwunderlich das unter der Followerschaft von Maassen viele Nazis sind. Der Typ hat dieses Klientel ja oft genug durch seine Rechten Äußerungen getriggert.

    Aber dennoch sind nicht alle Accounts die ihr hier auflistet Rechtsradikal. Wer z.B. einfach Religions/Islamkritisch ist, ist ja nicht unbedingt automatisch Rechts.

  5. Dem Mainstream folgend. “ Deutsche Sicherheitsbehörden sollen im Kampf gegen Rechtsterrorismus und Hasskriminalität neu aufgestellt werden. Das geht nach Recherchen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“ aus einem aktuellen Planungspapier des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor.

    Demnach soll das BKA zukünftig mit einer neuen Struktur und mehr Personal die Ermittlungen gegen rechtsterroristische Gruppierungen und Einzeltäter intensivieren. Außerdem soll in der Behörde eine „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität“ eingerichtet werden. “ – https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/rechtsextremismus-129.html

  6. „Dies ist eine rein numerische Darstellung.“ und ähnliche Varianten von „das hat der Computer“ ausgerechnet finde ich keine gute Argumentation. An anderer Stelle wollen wir das ja aus gutem Grund auch nicht („Niemand hat behauptet, dieser dunkelhäutoge Typ sei kriminell, wir haben den nur eingekastelt, weil der Computer uns da was ausgerechnet hat“)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.