EU-Innenkommissar fordert Abfrage mehrerer Polizeidatenbanken „mit einem einzigen Klick“

Beim Treffen der Innen- und JustizministerInnen der Europäischen Union am vergangenen Donnerstag ging es um wichtige Weichenstellungen gegen Bürgerrechte und Datenschutz. Geplant ist eine biometriebasierte Superdatenbank, über die Personendaten und sonstige Informationen abrufbar sind.

Übersicht der polizeilichen undgrenzpolizeilichen Datenbanken. Beschrieben wird der deutsche Vorschlag eines "Kernsystems". (Bild: BMI)
Übersicht der polizeilichen undgrenzpolizeilichen Datenbanken. Beschrieben wird der deutsche Vorschlag eines „Kernsystems“. (Bild: BMI)

Beim Treffen der Innen- und JustizministerInnen der Europäischen Union am vergangenen Donnerstag ging es um wichtige Weichenstellungen gegen Bürgerrechte und Datenschutz. Geplant ist eine biometriebasierte Superdatenbank, über die Personendaten und sonstige Informationen abrufbar sind.

In mehreren polizeilichen und grenzpolizeilichen Datenbanken tauschen europäische Sicherheitsbehörden schon jetzt Informationen über Visumsangelegenheiten (VIS), Daten von Asylsuchenden (EURODAC) oder zur Beobachtung, Festnahme oder Ausweisung ausgeschriebener Personen aus (SIS II). VIS und EURODAC basieren auf einem automatisierten Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS), das bald auch für das SIS eingeführt werden soll.

Die drei EU-Datenbanken werden bald um zwei weitere Systeme ergänzt. Nach jahrelangem Widerstand hat das Europäische Parlament der Einrichtung eines Passagierdatensystems (PNR) zugestimmt, die Richtlinie wurde beim Ratstreffen am Donnerstag formal angenommen. Ebenfalls im Aufbau befindet sich ein „Ein-/Ausreisesystem“ (EES), das jeden Übertritt einer EU-Außengrenze protokolliert und Fingerabdrücke oder Gesichtsbilder der Reisenden verarbeitet. Die Kommission legte kürzlich einen neuen Entwurf vor, der von den MinisterInnen in Brüssel zunächst beraten wurde.

Datenbanken „miteinander verbunden und interoperabel“

Weitreichender sind aber die Pläne zur Verbindung der Datenbanken und die Möglichkeit zur Rasterfahndung. Weitgehend unbeachtet hatte die Europäische Kommission am 6. April eine Debatte zur „Verbesserung des polizeilichen Informationsaustauschs“ angestoßen. Ziel sei die „strukturelle Verbesserung der Datenverwaltungsarchitektur der EU“ mithilfe von „gleichzeitigen Systemabfragen“.

Möglichkeiten verknüpfter Datenbanken (Bild: Kommission).
Möglichkeiten verknüpfter Datenfelder (Bild: Kommission).

Wo erforderlich und machbar, sollten Informationssysteme laut der Kommission in Zukunft „miteinander verbunden und interoperabel sein“. Pünktlich zum Ratstreffen am Donnerstag hatte die Kommission eine weitere Mitteilung zur „Europäischen Sicherheitsagenda“ veröffentlicht, die weitere Schritte zur „Interoperabilität“ von Datenbanken beschreibt. Allerdings ist der Begriff auf EU-Ebene nicht einheitlich definiert. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) spricht deshalb lieber von einer „Verknüpfung“.

Ein gleichlautendes Forderungspapier zu verknüpften europäischen „Datentöpfen“ hatte de Maizière schon im März bei der Kommission eingereicht. „Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten wie diesen hat Sicherheit Vorrang“, begründete der deutsche Innenminister die Notwendigkeit des Vorschlages nach den jüngsten Anschlägen in Brüssel. Der deutsche Forderungskatalog wurde jedoch noch vor den Anschlägen verschickt.

Eine Software prüft Fingerabdrücke auf Qualität

Die Bundesregierung spricht sich dafür aus, ein zentrales „Kernsystem“ zu errichten und die bestehenden Datenbanken als „Module“ einzubinden. Das Bundesinnenministerium fordert zudem erweiterte Suchmöglichkeiten in dem „Kernsystem“ und den angeschlossenen Datenbanken. Damit sollen Verbindungen unter den enthaltenen Erkenntnissen gefunden werden.

Die vier biometriebasierten Datenbanken SIS, EES, VIS und EURODAC (Bild: Kommission).
Die vier biometriebasierten Datenbanken SIS, EES, VIS und EURODAC (Bild: Kommission).

Biometrische Daten sowie dazugehörige „Kerndaten“ würden dem deutschen Vorschlag zufolge grundsätzlich nur noch einmal erfasst. Eine Software prüft dann, ob die Fingerabdrücke bereits in einer anderen Datenbank vorhanden sind. Ist dies der Fall, wird automatisch der beste und umfangreichste Datensatz genutzt.

Im Idealfall sollen zu jeder Person zehn Fingerabdrücke vorliegen (die sogenannten 10-Finger-Sätze). Das von Deutschland geforderte „Kernsystem“ könnte auch mithilfe von „latenten“ Fingerabdruckspuren durchsucht werden. Gemeint sind daktyloskopische Daten, die an Tatorten, Unfallstellen oder auch im verdeckten Verfahren durch Geheimdienste ermittelt oder gefunden wurden.

Schließlich könnten weitere Datenbanken in das neue „Kernsystem“ integriert werden, darunter das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS). Auch dort könnten nach derzeitiger Planung Fingerabdrücke verarbeitet werden. Die deutsche Kopfstelle im ECRIS Verbund ist das Bundesamt für Justiz. Bundesinnen- und Bundesjustizministerium prüfen bereits die für eine Fingerabdruck-Funktionalität erforderlichen Infrastrukturen.

Das „Kernsystem“ setzt sich durch

Längst arbeitet das Bundesinnenministerium in Pilotprojekten an der technischen Umsetzung des geforderten europaweiten „Kernsystems“. Nun sollen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt werden, denn Datenbanken unterliegen jeweils einem bestimmten Zweck und können nicht beliebig miteinander „verknüpft“ werden.

Die Kommission hat deshalb eine „hochrangige Sachverständigengruppe für IT-Systeme und Interoperabilität“ eingesetzt, die im Mai erstmals zusammenkommen soll. Ihr sollen Bedienstete der EU-Agenturen, nationale Sachverständige und institutionelle Akteure angehören, allerdings werden diese nicht näher benannt. Auf Basis der Vorschläge dieser „Sachverständigengruppe“ will die Kommission noch dieses Jahr dem Europäischen Parlament und dem Rat konkrete Ideen präsentieren.

Beim Treffen der Innen- und JustizministerInnen hat Dimitris Avramopoulos, der Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, am vergangenen Donnerstag erste Vorstellungen skizziert. Behörden der Mitgliedstaaten sollen zunächst deutlich mehr Daten anliefern. Um größtmöglichsen Nutzen aus den Informationen zu ziehen, müssten die Datenbanken laut Avramopoulos „einander ergänzend, durchsuchbar, interoperabel und verknüpft“ sein („complementary, searchable, inter-operable and inter-connected“.

Ziel sei die Entwicklung einer einheitlichen Suchmaske („Single Search Interface“), um die Informationen „mit einem einzigen Klick“ abrufen zu können.

"Single Search Interface" nach Vorschlag der EU-Kommission.
„Single Search Interface“ nach Vorschlag der EU-Kommission.

Wie bereits bei den noch zu errichtenden Informationssystemen PNR und EES wird die Umsetzung eines solchen „Single Search Interface“ bereits entwickelt. Behörden aus sechs Mitgliedstaaten, darunter auch das Bundeskriminalamt, arbeiten mit Europol am verbesserten Informationsaustausch. Untersucht werden Möglichkeiten der Weiterverwendung bestehender Datenbanken, auch wenn diese neu strukturiert oder erweitert werden.

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