CDU: Vorratsdatenspeicherung ist nicht die Zukunftsfrage der Netzpolitik

Jens Spahn on Twitter: "Wer Netzpolitik auf die Frage der #VDS reduziert, dem kann man echt nicht helfen... Das ist wahrlich nicht die Zukunftsfrage in diesem Feld." 2015-06-25 08-36-45Jens Spahn, Vertreter der Unter-45-jährigen im CDU-Präsidium und neuer parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium erklärt per Twitter:

„Wer Netzpolitik auf die Frage der #VDS reduziert, dem kann man echt nicht helfen… Das ist wahrlich nicht die Zukunftsfrage in diesem Feld.“

Die Position kann man haben. Aber offensichtlich hat er die Bedeutung der Vorratsdatenspeicherung für viele Menschen nicht verstanden. Sie ist eines von vielen Themen der Netzpolitik, aber spielt trotzdem eine zentrale Rolle. Denn mit der anlasslosen Vollprotokollierung unserer Kommunikationsdaten übertritt der Staat eine rote Linie: Indem alle Verbindungsdaten auf Vorrat gespeichert werden, wird die Unschuldsvermutung aufgehoben und wir sind alle verdächtig. Und das betrifft nicht nur uns mit unseren Smartphones, sondern auf absehbare Zeit alles an Autos, Kühlschranken und sonstigen Ideen, was man mit „Industrie 4.0“ noch ans Netz anschließen kann. In der analogen Welt gibt es nichts Vergleichbares.

Und in Zeiten, wo der Bundestag sein Netzwerk und die US-Geheimdienste ihre Personalakten nicht absichern können, haben viele kein Vertrauen darin, dass die Vorratsdaten auch sicher gespeichert werden.

Außerdem ist die Vorratsdatenspeicherung das i-Tüpfelchen auf einer durch und durch verkorksten Netzpolitik dieser Bundesregierung mit ihrer Digitalen Agenda, der Verschlimmbesserung der Störerhaftung, der Ausweitung der Überwachungsbefugnisse unserer Geheimdienste als Antwort auf Snowden, die geplante Abschaffung der Netzneutralität und Günther Oettinger.

Hier verspielt die Bundesregierung die gesellschaftliche Zukunftsfrage auf dem ganzen Feld.

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26 Ergänzungen

  1. Ich sehe das mal positiv: Wenn es nicht so wichtig ist, können wie das mit der Mindestspeicherfrist oder anderen Synonymen für die VDS doch auch einfach sein lassen. \o/

  2. Wer hat denn überhaupt behauptet, das es DAS zentrale Thema ist? Nur weil es gerade ein aktuelles ist? Natürlich ist es ein wichtiger Baustein weil er Einfluss darauf hat ob und in welcher Form man sein Recht auf Privatsphäre wahren kann. Das wird gehörigen Einfluss auf die Beteiligung am politischen Prozess haben. Strategisch ist es schon wichtig. Genauso wie die Netzneutralität und der Breitbandausbau.

    Man sollte die Tatsache das ein SPD Vorsitzender das Thema zur persönlichen Vertrauensfrage umbaut nicht als Massstab nehmen. Das war eine persönliche Entscheidung aus reinem Aktionismus und eine historisch verpatzte Gelegenheit sich anders zu positionieren. Wenn das Gesetz gekippt wird gibts nicht nur Spott sondern auch weniger Wähler…tolle Leistung!

  3. Die VDS ist ein hervorragendes Instrument, um die Bevölkerung auf Linie zu halten, denn es kann im Falle eines Falles niemand Widerstand gegen die Staatsgewalt (oder auch nur Militärdienst) leisten,
    weil alle Kontakte und etwaige Aufenthaltsorte im Fluchtfall bekannt wären. Niemand leistet Widerstand, wenn er ausgeliefert ist.
    Den Rest hat das Max-Planck-Institut schon gesagt.

  4. Ja, scheint mir ein Strohmannargument vielleicht auch nur Floskelmissbrauch zu sein. Andererseits kann man sich ja mal auf den Gedanken einlassen: Wenn man die Vorratsdatenspeicherung auf die Tendenz verallgemeinert, das Netz vorallem als Instrument der Informationserhebung über die Menschheit zu begreifen, könnte das genausogut die Zukunftsfrage der Netzpolitik sein.

  5. VDS und andere Überwachungsmöglichkeiten setzen die Grenzen, bis wie weit „die Cloud“ auch für lukrative wirtschaftliche Anwendungen interessant wird. Da sich NSA und besonders GCHQ eher auf Industriespionage konzentrieren, dürfte ein Erfolg dieses Geschäftsmodells eher zäh werden.

  6. Danke Netzpolitik für Euer Engagement.
    Allerdings bitte, bitte …. bei Satzteilen wie „… in Zeiten, wo der Bundestag …“ bekomme ich echt Blitzherpes. Bitte, bitte gewöhnt Euch nicht auch diese unsäglichen „Wo-Nebensätze“ an.

  7. Die Botschaft ist: VDS-Debatten, sind ja sowas von out, richtig lahm. Auf dieses Looser-Niveau lassen wir uns erst gar nicht mehr ein, sondern wir sagen hier die Zukunft der Netzpolitik an: wir geben jetzt vor, worüber in Zukunft geredet wird, wenn es um das Internet geht.

    Das überzeugt sicher keinen, der Netzpolitik.org abonniert hat, aber in der allgemeinen Öffentlichkeit ist das eine äußerst wirksame Argumentationsstrategie. Wer das nicht ernst nimmt und sich nicht entblöden will, auch auf derselben Ebene darauf zu reagieren, der darf sich über kurz oder lang in sein stolzes, edelgesinntes inneres Exil zurückziehen und das Feld der Öffentlichkeit Leuten wie Herrn Spahn überlassen => Fail.

  8. Zensursula war auch nicht die Zukunftsfrage in diesem Feld.

    (Und Bsp. mit denen man Godwins Law erfüllen kann, finden sich sicherlich auch zu hauf.)

  9. Mit der Förderung des Komplexes (Pig Data – Smart Industrie – Chip überall drin – Smart Everything – Vernetzte, petzende Alltagswelt – keine Dienstleistung mehr ohne elektronische Spur und Verwertung durch „legitime“ „Stakeholder“ „Interessen“ – alles, was Geld macht, ist legitim) – überschreiten die bei mir ebenfalls eine rote Linie. Durch die Konvergenz verschiedenster Bereiche in eine einzige digital gemanagte, per Default totalüberwachte Welt wird’s richtig gefährlich. Bevor man sich’s versieht, kann man keinen Schritt mehr vor die Tür tun, ohne vorratsdatengespeichert zu werden. Und das sollen wir alles toll finden, laut Ansage aus der CDU. Kein Wunder, wenn deren netzpolitisches „Zukunfts“ „Konzept“ direkt aus der entsprechenden Lobby diktiert wird.

    Können die verdammten CDU-Trampeltiere sich nicht aus irgendeinem Bereich heraushalten?

  10. Nur eine Anmerkung bzw. Richtigstellung:

    Die sogenannte #Unschuldsvermutung gilt nur vor Gericht. Für Polizei und Staatsanwaltschaften logischerweise nicht.

    1. Stimmt „Unschuldsvermutung“ passt hier nicht ganz, aber selbst Polizei und Staatsanwaltschaft brauchen zumindest einen Anfangsverdacht, um überwachen zu dürfen, und der wäre bei der anlasslosen Vollprotokollierung unserer Daten auch nicht mehr gegeben.

    2. „Für Polizei und Staatsanwaltschaften logischerweise nicht.“ Dich haben sie aber gut konditioniert :D Natürlich gilt die Unschuldsvermutung auch für Polizei und Staatsanwaltschaft.

  11. Die CDU/CSU reduziert sich seit über einer Dekade doch immer wieder selbst auf die innenpolitische Instrumentalisierung und wirtschaftspolitischen Veranalogung des Digitalen Wandels. Welche netzpolitischen Zukunftsfragen hat man denn sonst bedient? Was wurde nicht zum Nachteil der digitalen Gesellschaft und ihrer technologischen Innovationsstärke erwirkt?

  12. „CDU-Präsidium und neuer parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium“
    „Frage der #VDS reduziert, …Zukunftsfrage in diesem Feld.““

    Ob das DIE Zukunfsfrage ist, kann ich nicht beurteilen.
    Ob das als bekannt stromlinienförmiges CDU-Mitglied möglich ist, das zu beurteilen, wage
    ich zu bezweifeln. Selbst wenn, würde er das Gegnteil behaupten. Er will ja
    „noch was werden“, das geht denen über alles. Hierarchie orientiert.Leider.
    Nicht ohne Grund funktioniert die große Koalition mit der SPD bestens.
    Was bei mir höchstens einen Lachanfall auslösen würde, halten die für wahr oder reden es sich ein, denn da gibt es was „zu holen“. Oder man kann sich damit toll verkaufen.
    Solange genügend Wähler dieselbe angsgesteuerte Weltsicht bewohnen, wird dieses Problem
    weiter existieren. So komisch die auch sind, das Problem mit diesen ist es nicht.

    Auch ein Grund, wieso sich viele -siehe Wahlbeteiligung- nicht vorstellen können, bei sowas aktiv mitzumachen.
    Vertrauenswürdigkeit sieht ganz anders aus und klingt vor allem auch völlig anders.
    Der Wähler sieht nur ein Abbild, nicht das was die tun, im Detail, denn wer würde sonst sowas ernsthaft wählen.

  13. „CDU-Präsidium und neuer parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium“
    „Frage der #VDS reduziert, …Zukunftsfrage in diesem Feld.““

    Ob das DIE Zukunfsfrage ist, kann ich nicht beurteilen.
    Ob das als bekannt stromlinienförmiges CDU-Mitglied möglich ist, das zu beurteilen, wage
    ich zu bezweifeln. Selbst wenn, würde er das Gegnteil behaupten. Er will ja
    „noch was werden“, das geht denen über alles. Hierarchie orientiert.Leider.
    Nicht ohne Grund funktioniert die große Koalition mit der SPD bestens.
    Was bei mir höchstens einen Lachanfall auslösen würde, halten die für wahr oder reden es sich ein, denn da gibt es was „zu holen“. Oder man kann sich damit toll verkaufen.
    Solange genügend Wähler dieselbe angstgesteuerte Weltsicht bewohnen, wird dieses Problem
    weiter existieren. So komisch die auch sind, das Problem mit diesen ist es nicht.

    Auch ein Grund, wieso sich viele -siehe Wahlbeteiligung- nicht vorstellen können, bei sowas aktiv mitzumachen.
    Vertrauenswürdigkeit sieht ganz anders aus und klingt vor allem auch völlig anders.
    Der Wähler sieht nur ein Abbild, nicht das was die tun, im Detail, denn wer würde sonst sowas ernsthaft wählen. Ehrlich traurig aber wahr.

  14. Ich würde mal gerne wissen, wie das mit der VDS in den anderen Ländern abläuft? Repressalien? Unschuldige in U-Haft? Abmahnwellen? Internetanschlüsse gekappt?

    Wie ist das denn so in der Schweiz oder Frankreich mit Vollüberwachung, und noch so einige Länder mit der VDS? WAS sind die tatsächlich auftretenden Nachteile für alle. Oder gibt es dazu keine Studien?

    Ich habe gestern schon den Artikel zum Schweizer Grünen gelesen und seine visualisierten Daten angeschaut. Sieht ja mächtig beschäftigt aus. Aber welche echten Machtmissbräuche wurden denn schon dokumentiert? Wo sind die reisserischen Bild-Niveau Berichte über eingetretene Türen, verhaftete Großmütter und erschossene Haustiere basierend auf falschen Vermutungen und stümperhaften Abhörpraktiken? Ich weiss schon das der Eingriff in die Privatsphäre gegeben sein wird wie nie zuvor aber den Leuten muss man mit Konsequenzen kommen nicht mit den absehbaren Möglichkeiten.

    Ich habe leider nicht so viel mitbekommen in den letzten Jahren. Kann sich da noch wer an die wirklich harten Fälle erinnern wo Leuten die Bude ausgeräumt wurde oder schlimmeres? Nicht nur in Deutschland wenn es geht.

    1. Soweit bekannt, gibt es nur in Deutschland die rechtliche Möglichkeit der Massenabmahnung von Verbrauchern, das kann also in Ländern wie Frankreich od. Schweiz nicht auftreten.

      Nach dem Attentat in Paris haben die franz. Behörden etwa 7 Personen verhaftet (U-Haft), die sie vermutl. mit der VDS ermittelt haben, die also irgendwie in Kontakt mit den Mördern waren, ohne dass diesen Pers. allerdings bis heute irgendwas entsprechendes nachgewiesen werden konnte … früher nannte man so was mal Sippenhaft.

      Erpressungen haben die Eigenschaft, dass sie nur funktionieren, wenn sie geheim bleiben.

      Studien von staatl. Stellen dazu gibt es wohl nicht.

      1. Joa ich dachte mehr sowas wie Hausdurchsuchungen und Erstürmung der Räumlichkeiten beim Frühstück wie bei dem Soziologen neulich der in der ZDF Anstalt erwähnt wurde. Die haben ihn ja wegen seiner Google suche mit Brandstiftern in Verbindung gebracht und trotz Observierung saß er dann ein paar Wochen in U-Haft – ein Uni-Professor in U-Haft.
        Das ist genauso krass wie im Fall der 7 Personen aber nunja für die steht die Allgemeinheit ja nicht auf weil das sind bestimmt Terroristen und scheiss auf Menschenrechte. Schuldig bis das Urteil gesprochen ist, heißt es heutzutage.

      2. Zum Frühstück wirst Du nicht kommen

        Aus Deutschland gibt es auch ohne VDS einige Beispiele (nur aus dem Gedächnis, wurde alles schon genannt).

        So bekam z.B. eine Professorin der Chirurgie (CSU Mitglied), nach dem sie auf twitter auf eine öffentliche Veranstaltung der bayrischen Justizministerin (CSU) hingewiesen hat, Besuch von 2 Polizeibeamten in Zivil die ihr klar machten, dass sie soetwas in Zukunft besser unterlässt und auch nicht auf dieser öffentlichen Veranstaltung erscheinen sollte. Wie sich herausstellte, steckte hinter dieser Aktion eben die genannte Justizministerin.

        Eine „Oma“ wurde der Urheberrechtsverletzung angeklagt, weil angeblich (VDS) Protokolle das beweisen würden, und sie hätte ja einen Internetanschluss (heutzutage gibt es wohl keinen Telefonvertrag mehr ohne einen Internettarif), obwohl sie keinerlei Technik für einen Internetanschluss (rooter etc.) hatte.

        Bei einer Journalistin klingelte es morgens um 6 und es standen 6 Polizeibeamte, teils in Zivil, vor der Tür mit einem Durchsuchungsbeschluss, weil sie in ihrem eigenen Blog gepostet hat, dass sie von ihren Kindern zum Geburtstag eine Spaßdoktorurkunde geschenkt bekommen hätte – Verdacht auf Titelmissbrauch. Die Staatsmacht hat ihr nicht mal erlaubt, sich anzuziehen.

        Bei einem Chirurgenehepaar klingelte es morgens um 6. Polizei, Hausdurchsuchung! Vorwurf: Urheberrechtsverletzung, obwohl die Familie zum fraglichen Zeitpunkt zweifelsfrei im Urlaub war. Das Haus wurde durchsucht, der Laptop der Tochter, mit aufgeklebter MickyMaus, wurde beschlagnahmt. Erst in der letzten Instanz wurde geglaubt, dass die Mutter vor längerer Abwesenheit alle Stecker elektrischer Geräte (auch z.B. rooter) herauszieht.

        Eingetreten wird übrigens nicht. Egal ob Du zu Hause bist und die Tür nicht aufmachst, oder auch nicht, der Schlüsseldienst öffnet die Tür … und die Nachbarn werden sich denken: wird schon seinen Grund haben, der kam mir schon immer so komisch vor.

  15. Das Problem ist, dass die Politik anscheinend denkt die „Zukunftsfragen in diesem Feld“ sind Regulierungen. Sei es VDS, Netzneutralität oder Störerhaftung es geht immer darum Entwicklungen zu behindern oder verhindern.

    Ansonsten tut die Politik ja relativ wenig, wenn es z.b. um den Ausbau des Netzwerks geht. Das machen die zuständigen Firmen. Wobei dann halt das flache Land und die Netzneutralität hinten runter fallen.

    Es wäre wirklich interessant zu Wissen was Herr Spahn für die Zukunftsfragen hält, in der die Politik einen positiven Einfluss hat?

  16. Au fein, Herr Spahn versucht hier aus den letzten verdreckten Argumenten seiner Fraktion noch ein angriffslustiges Statement zu basteln.
    Neue Brille kaufen macht PR-mäßig mehr her.

  17. „Vorratsdatenspeicherung: Selbst Ermittler halten Gesetzentwurf für untauglich“

    Ja, Guten Morgen, habts ihr endlich auch verstanden ;D

    1. Die besagten Ermittler halten aber den Gesetzentwurf aus ganz anderen Gründen für untauglich….ihnen gehen die Möglichkeiten nicht weit genug. Sie plädieren für längere Speicherfristen, wollen Seitenaufrufe auch inhaltlich protokollieren, eMail-Verkehr protokollieren, obwohl der BND bereits eine strategische Überwachung der eMail-Kommunikation wahrnimmt – G-10-Gesetz § 5 bis 8. Also das volle Programm der Kommunikationsüberwachung.

      Nicht anderes verbirgt sich hinter der Aussage.

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