500 Euro für PDFs: Ministerien gefährden mit Gebührenzwang Informationsfreiheit

CC BY-SA 3.0 Sebastian Terfloth

Statt Kosten der Verwaltung zu decken, sind Gebühren für Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz zum Abschreckungsinstrument verkommen

Was ist die Transparenz der staatlichen Verwaltung wert? Nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) dürfen Behörden für die Bearbeitung von Anträgen Gebühren verlangen, für einfache Anfragen jedoch nicht. „Öffentliche Leistungen“ können dabei für einen Antragssteller nach dem Gesetz bis zu 500 Euro kosten. Gleichzeitig sollen die Gebühren aber „nicht abschreckend“ wirken.

Die Realität sieht jedoch anders aus. Zwei aktuelle Fälle zeigen, wie die Gebührenordnung des IFG missbraucht wird, um Anfragen aus der Bevölkerung abzuwehren:

Verkehrsministerium genügt eigenem Anspruch nicht

Stichwort Deutsche Bahn: Für die Übersendung des Infrastrukturkatasters, einer Streckenmerkmalsliste, Messdaten und eines PDF veranschlagt das Verkehrsministerium die Höchstgebühr von 500 Euro plus Gebühren für Kopien. Das begründet sie mit dem Rechercheaufwand, der Beteiligung der Deutschen Bahn im Verfahren und „Prüfaufwand“.

Die Dokumente sind jedoch ohnehin schon (als PDF bzw. Excel-Tabelle) vorhanden und sollten damit auch keine Gebühren kosten. „Prüfaufwand“ an sich sollte gar kein Gebührenbestand sein, schließlich ist dieser Teil jeder einfachen Anfragenbearbeitung. Dass Kosten für die Beteiligung der Bahn entstehen (sofern tatsächlich schützenswerte Interessen des Staatskonzerns berührt sind), rechtfertigt nicht die Maximalgebühr. Schließlich werden noch Kosten für Kopien prognostiziert, die bei einer digitalen Bearbeitung der Daten aber auch nicht anfallen müssten.

Bei einem so wichtigen Thema wie der Öffnung von Daten der Bahn sollte das Verkehrsministerium erkennen, dass Transparenz der richtige Weg ist – und nicht die Abschreckung mit überzogenen Gebühren. Die Blockadehaltung der Behörde ist vor allem auch deswegen verwunderlich, weil das Verkehrsministerium in ihrem „Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung“ selbst das Ziel vorgibt, Beteiligung „transparent im Hinblick auf Informationen“ zu gestalten.

Bundesamt für Verbraucherschutz blockiert Verbraucherinformationen

Stichwort Verbraucherschutz: Für die Beantwortung von acht einfachen Fragen zu ihrem Verbraucherschutzportal clewwa.de veranschlagt das Bundesamt für Verbraucherschutz ohne weitere Begründung ebenfalls den Maximalgebührensatz von 500 Euro. Dabei ließen sich die Antworten nach den Kosten, Nutzungsstatistiken und zum Datenschutz vermutlich mit einer einfachen Recherche innerhalb des Bundesamts beantworten.

Stattdessen drängt sich der Verdacht auf, dass das Bundesamt die Informationen verheimlichen will und dafür zur Gebührenkeule greift. Schließlich interpretiert das Bundesamt die Anfrage außerdem als IFG-Antrag, anstatt das ebenfalls einschlägige (und in Sachen Gebühren deutlich großzügigere) Vebraucherinformationsgesetz heranzuziehen.

Das grundsätzliche Problem bei den Gebühren: Jede Behörde kann ihre eigenen Gebühren mitunter recht willkürlich festsetzen. Das sieht dann etwa so aus, dass die Universität der Künste Berlin eine Anfrage kostenlos beantwortet, während die Freie Universität für eine gleichlautende Anfrage 250 bis 500 Euro berechnen will.

Das Auswärtige Amt weist gar in jeder Standard-Antwort auf IFG-Anträge unabhängig vom Inhalt daraufhin, dass die Anfrage bis zu 500 Euro kosten kann und wie hoch Personalkosten sind. Vor allem mit dem IFG unerfahrene Nutzer werden dadurch eingeschüchtert, statt zur Wahrnehmung ihres gesetzlich abgesicherten Rechts ermutigt zu werden.

CC BY 2.0 via flickr/matze_ott
CC BY 2.0 via flickr/matze_ott

Für etwa 10 bis 15 Prozent aller erfolgreichen IFG-Anfragen werden Gebühren berechnet (nicht inbegriffen also die wegen zu hoher Gebühren zurückgezogene Anträge). Dass das nicht so sein muss, zeigt das Umweltministerium: Das beantwortet Anfragen in der Regel schnell und auch kostenlos. Dies liegt vermutlich daran, dass es durch das über eine EU-Richtlinie durchgesetzte Umweltinformationsgesetz besonders für Anfragen aus der Bevölkerung sensibilisiert ist. Tatsächlich gibt es für Behörden die Möglichkeit, unter anderem „aus Gründen der Billigkeit“ auf die Erhebung von Gebühren zu verzichten, zumal die Bürokratie um Rechnungsstellungen nur weitere Kosten erzeugt.

Schließlich ist die Gebührenerhebung ohnehin nicht dazu gedacht, die durch IFG-Anträge anfallenden Kosten komplett zu decken. Wenn wir es mit dem Recht auf Informationsfreiheit ernst meinen, sollte es uns auch etwas wert sein. Deswegen muss das Informationsfreiheitsgesetz geändert werden und – wie schon in der Evaluation des Gesetzes vorgeschlagen – die derzeitige Kostenregelung aufgehoben und das Abschreckungsinstrument Gebühren abgeschafft werden. Transparenz und Bürgerbeteiligung dürfen den Staat etwas kosten, weil sie für die Demokratie essentiell sind. Für Bürger aber sollten sie kostenlos sein.


Was tun bei Gebührenforderungen durch Behörden?

  • Freundlich antworten: Manche Behördenmitarbeiter gehen davon aus, dass IFG-Anfragen nicht kostenlos sein dürfen. Es lohnt sich, auf eine Gebührenschätzung mit einer freundlichen Erklärung des Anliegens zu reagieren.
  • Andere Gesetze benutzen: Für Anfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) werden bis zu einem Aufwand von 1000 Euro teilweise gar keine Gebühren fällig
  • Auf Billigkeit hinweisen: Für Empfänger von Transferleistungen können Behörden von Gebühren absehen
  • Vermittlung einschalten: Die Bundes- und die Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vermitteln in Fällen von zu hohen Gebühren mit Behörden
  • Crowdfunding: Bei interessanten Anfragen kann es sich lohnen, von verschiedenen Personen Geld für den Gebührenbetrag einzuwerben
  • Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

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    5 Ergänzungen

    1. Hier zeigt sich wieder die absolute Skrupellosigkeit dieses Staates, besonders wenn man die hohe Steuerlast betrachtet die jedem Bürger aufgezwungen wird. Hier geht es nur noch ums eiskalte Abzocken.

    2. Gegen die Kostenbescheid sollte jeder Antragsteller sofort, jedenfalls fristgerecht Widerspruch einlegen und gegen den Widerspruchsbescheid dann fristgerecht Klage einreichen. Das VG Berlin prüft die Kostenbescheide sehr sorgfältig, es führt fast immer zur Herabsetzung bis Aufhebung der Kostenbescheide. Diese Verfahren kann man ohne Rechtsanwalt vor dem VG führen und sich bei der Geschäftsstelle bei der Abfassung helfen lassen. Ihr RA Partsch

    3. Wenn man Standardtexte für die Anfragen nutzt, die sowohl IFG als auch VIG als Rechtsgrundlage nennen, sollte man sich nicht wundern, wenn die angefragten Stellen mit Standardtexten antworten. Die hier und anderswo per Aufmerksamkeitsdruckbetankung gepushte Anfrageplattform fragdenstaat sollte doch genügend Spenden einsammeln, so dass neben den laufenden Werbetouren der Betreiber in eigener Sache noch etwas für den Ausbau der Funktionalität drin sein sollte. Dann fällt es den Behörden vielleicht nicht mehr so leicht, sich aus den Anfragen den passenden Ablehnungs- oder Gebührengrund herauszusuchen.

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