Drohung oder Zukunftsversprechen? Grüne Fachtagung äußert massive Kritik an Drohnen

Der Einsatz von unbemannten Fluggeräten ist längst keine ferne Zukunftsmusik mehr: Während bewaffnete US-Drohnen allein in Pakistan im Zeitraum von Juni 2004 bis September 2012 zwischen 2.562 und 3.325 Menschen getötet haben, werden bei uns Drohnen immer mehr zu Überwachungs- und Aufklärungszwecken verwendet. Und selbst Privatpersonen können mit dem Besuch des Elektronikladens um die Ecke eine Drohne mit hochauflösender Kamera erwerben und sich damit den Garten des Nachbarn oder gleich sein Schlafzimmer einmal genauer anschauen. Über die Konsequenzen dieser Entwicklung und mögliche Lösungen haben die Grünen am vergangenen Freitag die Fachtagung Drohnen – Drohung oder Zukunftsversprechen? veranstaltet.

Drohnenangriffe sind Rekrutierungsgrund Nummer Eins für Al-Qaida

Diese begann mit einer Rede von Professorin Mary Ellen O´Connell, die die US-Drohnenangriffe im Kontext internationalen Rechts diskutierte und dabei zu einem klaren Ergebnis kam: Es gebe keine rechtlichen Grundlagen, Menschen außerhalb von Konfliktzonen zu töten. Sie nahm die üblichen Argumente für das gezielte Töten mit Drohnen in Ländern wie Pakistan, Jemen und Somalia auseinander. So sei weder das Recht auf Selbstverteidigung, die Zustimmung von Ländern wie Pakistan oder das Argument, dass es ja Präzisionsschläge seien, ausreichend, um die Angriffe zu legitimieren. Besonders letzteres widerlegte sie eindrucksvoll: Allein in Pakistan starben bei 364 Drohnenangriffen 474 – 881 Zivilisten, einschließlich 176 Kindern. Inzwischen sind Drohnenangriffe Rekrutierungsgrund Nummer eins für al-Qaida – nicht mehr wie früher Guantanamo. Es sei nun an Deutschland, Druck auf den Verbündeten USA zu machen und sich gegen die extralegalen Tötungen zu stellen.

Die Bundesrepublik allerdings plant zurzeit selber, Drohnen anzuschaffen. Um die im deutschen Einsatz befindlichen Heron-Drohnen abzulösen, steht neben dem Erwerb israelischer oder amerikanischer Modelle auch eine europäische Eigenentwicklung im Raum. Dazu bemerkte die abrüstungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion Agnieszka Brugger sarkastisch:

Wenn man die Drohnen verhindern will, sollte man auf eigene Entwicklung setzen.

Professorin Jutta Weber stellte bei ihrem Vortrag zu ethischen und philosophischen Fragen die Verbreitung von Drohnen in den weiteren Zusammenhang einer „revolution in military affairs“ hin zu Präzisionswaffen und intelligenten Systemen und betonte, dass der Trend zu präventiver Sicherheitspolitik enorm von der Industrielobby gefördert werde. Ihr Vortrag ließ wenig auf Drohnen als Zukunftsversprechen hoffen, machte sie doch eine Reihe von Problemen deutlich, wie die vielen zivilen Opfer, die technischen Probleme und die Manipulierbarkeit. So erzählte sie, dass man bis 2009/10 mit einer 30 Dollar Software die Datenströme von amerikanischen Drohnen auf afghanischen Laptops auslesen konnte. Besonders Sorgen machte vielen die Frage, wer bei komplett automatischen Drohnen, die es bald geben soll, eigentlich die Verantwortung trägt und ob die gezielte Tötung mit Drohnen zu einer Enthemmung des Tötens führt.

Grundrechte gelten auch beim Einsatz von Drohnen

Beim Workshop „Drohnen und Staat“, wie auch bei einer der beiden Podiumsdiskussionen wurde auf die Problematik von nichtmilitärischen Drohnen im Einsatz des Staates eingegangen. Es wurde mehrheitlich anerkannt, dass Drohnen nicht per se abzulehnen seien, wie auch der  Datenschützer Thilo Weichert zugab. Zum Beispiel zur Tatortvermessung, wie sie die Berliner Polizei zurzeit verwendet, seien unbemannte Flugobjekte durchaus zu begrüßen. Diese filmen keine Menschen, wie Hartmut Koschny, Kriminaldirektor beim Landeskriminalamt, betonte und dürfen nicht über Menschenmassen fliegen. Ob dies allerdings so bleibt ist fraglich. Generell seien hohe rechtliche Anforderungen zum Einsatz von Drohnen nötig, forderte Professor Aden von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Die beim Einsatz potentiell betroffenen Grundrechte, wie informationelle Selbstbestimmung, die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Versammlungsfreiheit müssten beachtet werden und klare gesetzliche Eingriffsbefugnisse und Verfahrensregeln eingeführt werden. Vor allem das Filmen von Demonstrationen lehnen sowohl Aden als auch Weichert ab, da es unter anderem Menschen davon abhalten könne, zu Demos zu gehen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, wie wichtig es ist, das vermeintliche Zukunftsversprechen Drohnen gesellschaftlich zu debattieren und gesetzlich zu regulieren. So schreiben Michael Kellner und Malte Spitz (Mitglied im Bundesvorstand der Grünen):

Sicher ist, entweder es gelingt bald dieser Entwicklung entgegenzutreten und sie zu stoppen oder sie ist nicht mehr aufzuhalten! Drohnen sind kein Zukunftsversprechen, sondern werden zur Drohung weltweit.

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