Britisches Netzsperren-Gesetz vorgestellt

In Großbritannien wurde heute der umstrittene Digital Economy Bill vorgestellt. Der Gesetzesvorschlag umfasst unter anderem eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung von illegalem Filesharing. Darunter sind eine Three-Strikes-Regelung und umfangreiche Befugnisse für das Wirtschaftsministerium.

Die Netzsperren sollen nicht direkt eingeführt werden, berichtet die BBC. Vorerst sollen die Internetanbieter lediglich dazu verpflichtet werden, Mahnschreiben an Kunden zu verschicken, die bei illegalem Filesharing erwischt wurden. Die Rechteinhaber müssen demnach für die Zusendung eine Pauschalgebühr bezahlen, die von der Regulierungsbehörde Ofcom festgelegt wird.

Wenn diese Maßnahme nicht greift, müsse sich der Wirtschaftsminister erneut ans Parlament wenden, um Provider zum temporären Abschalten von Internetzugängen oder anderen Maßnahmen wie etwa einer Drosselung der Verbindung verpflichten zu können, hieß es auf der Pressekonferenz. Diesen Schritt will Lord Mandelson nur gehen, wenn illegales Filesharing nicht innerhalb von zwölf Monaten um mindestens 70 Prozent zurückgeht. Da das Gesetz im kommenden April in Kraft treten soll, würden Netzsperren erst nach Ende der Evaluationsphase im April 2011 eingeführt werden, angestrebt ist der Juli 2011. Welche technischen Maßnahmen genau in betracht kommen, ist noch nicht klar, schreibt der Guardian:

As for the thorny issue of technical measures to combat online piracy, the bill says they include any measure that „limits the speed or other capacity of the service provided to a subscriber; prevents a subscriber from using the service to gain access to particular material, or limits such use; suspends the service provided to a subscriber; or limits the service provided to a subscriber in another way.“

Allerdings ist in dem heute veröffentlichten Vorschlag auch ein Passus enthalten, der dem Wirtschaftsminister weitreichende Befugnisse zugestehen würde. Entsprechende Information waren bereits gestern an die Öffentlichkeit geraten. Demnach erhielten Lord Mandelson bzw. seine Nachfolger das Recht, Verordnungen zum Copyright, Designs and Patents Act zu erlassen,

for the purpose of preventing or reducing the infringement of copyright by means of the internet, if it appears to the secretary of state appropriate to do so having regard to technological developments that have occurred or are likely to occur.

Begründet wird dieser Vorstoß mit dem Bedarf, schnell auf unvorhergesehene technische Veränderungen reagieren zu können. Faktisch wäre es dem Wirtschaftsminister allerdings auch möglich, neue Rechtsmittel im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen einzuführen. Zudem könnte er Rechteinhabern Befugnisse übertragen, sodass diese berechtigt wären, eigenständig Jagd auf Filesharer zu machen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

22 Ergänzungen

  1. Wieso die Provider?

    Verschicken dann auch die künftigen privaten Autobahnbetreiber Mahnungen wenn jemand zu schnell fuhr?

    Und wieso überhaupt der Wirtschaftsminister? Was hat der mit Justiz zu tun? Achso, bei Selbstjustiz und Lobbys und finanziellen Denkanstößen ist das ja alles das gleiche.

    Muss Telekom UK jetzt auch Mahnungen verschicken wenn die kriminellen Kunden Terroranschläge via Telefon planen?

    Und bei Verkehrsunfällen wird nun der Umweltminister eingeschaltet um den Familien der Totgefahrenen zu ermöglichen die Todesraser direkt in Selbstjustiz zu hängen?

    Ich frag mich welcher gesunde Mensch so ein Gesetz verabschiedet hat. Die Briten tun mir leid.

    1. „Ich frag mich welcher gesunde Mensch so ein Gesetz verabschiedet hat.“

      Gar keiner. Weil es noch gar kein Gesetz ist, sondern ein Gesetzesvorschlag.

  2. Und du meinst das das kein richtiges Gesetz geben wird? Du kennst doch die Briten.

    Und die gewissen finanziellen Denkanstöße sind auch nichts neues.

    Selbstjustiz ole!

    Wird eigentlich bei den bösen Briten nur der Internetanschluss gekappt oder auch der Anschlussinhaber verklagt?

    1. Natuerlich wird ein Gesetz kommen. Ob dieses oder ein haerteres oder ein weicheres wird sich zeigen. Ebenso ob es noch vor der Wahl kommen wird oder nicht. Mit ziemlicher Sicherheit wird Mandelsohn es jedenfalls kaum mehr anwenden koennen, denn so ziemlich keiner rechnet damit dass er Teil der naechsten Regierung sein wird.

      Ob ueberhaupt Internetanschluesse gekappt werden wird sich erst noch zeigen muessen, da wird noch einiges Wasser die Themse, die Clyde und viele andere Fluesse herunterfliessen.

      Viel schlimmer ist die Sache was denn nun genau mit der Definition von Copyrightsverletzungen und deren schnelle und leichte Aenderung gemeint ist bzw was damit passieren koennte. Vor allem falls ein gewisser R.M. von der zu erwartenden naechsten Regierung sein Payback einfordert.

  3. Copyrights haben wir ja irgendwie alle, auf unsere ganz eigenen Sachen…

    Aber das Schlimmste finde ich ist und bleibt die Kriminalisierung von (Ex-)Kunden. Z.B. im Kino die „Nur noch 4x singen Filme“. Alle Kinogänger sind potentielle Raubkopierer, ist klar.

    Mal schauen wann der Kunde wieder König wird.

  4. @Simon: Viel schlimmer sind diese Drecks Videos auf Original DVDs. Ich kann mir, nachdem ich viel Geld für ne limitierte Sammleredition hingeblättert habe, noch den Stuss vor dem Film antun den jemand bei der Kopie nie zu sehen bekommt.

  5. @Fieser_Admin
    Das ist doch nur eine Ausrede! Wenn du dir die ganze Serie gekauft hast, kannst du sie ja immer noch Rippen und die Werbung wegschneiden.
    Es bleibt das gute Gewissen jemandem für seine Arbeit bezahlt zu haben.

    Außerdem kann jeder gute Player die stellen vorspulen, oder wenn du weißt wo der eigentlich Inhalt anfängt, kannst du den Titel auch sofort aufrufen. Es gibt eigentlich kaum einen Grund solche Dinge aus dem Netz zu ziehen, außer der pers. Bereicherung. Für wirklich wenig Geld kann man die Filme oder Serien schon ausleihen, teilweise sogar in Büchereien. Musik gibt es auch via Radio und Fernsehn. Wenn man es genau betrachtet gibt es keinen Grund in diesem Fall P2P, Tauschbörsen zu benutzen.

    Zurück zum Thema:
    Generell finde ich es Bedenklicher das der entsprechende Inhalt mittlerweile in Echtzeit gefiltert wird und analysiert wird. Dies sind Mechanismen die nicht grade ungefährlich sind und nur sehr Erfahrene Anwender kümmern sich um Verschlüsselte Verbindungen. Letztlich wird es darauf hinauslaufen das jeder der Verschlüsselt und keine Lizenz hat.. sich strafbar macht, oder sofort vom Netz ausgeschlossen wird.

  6. Hat Grossmeister Gorny noch nicht das Maul aufgerissen „Wir auch, wir auch!“ und schon mal den Überweisungsträger nach Berlin verfolgungssicher und nicht nachvollziehbar eingerichtet? Schwarze Koffer sind ja laut SSchäuble out.

    Oder hab ich was verpasst.

    Die Klassengesellschaft lässt grüssen, nicht nur in der Gesundheit.

    Eine Klasse mit Internet und eine Klasse ohne. Durch die Sippenhaftung jederzeit gewährleistet.

    Wo bleiben eigentlich die Tommie-Piraten? Gibts keine auf jenem seltsamen Eiland?

  7. @ 8/Anonymer_user:

    Gutes Gewissen? Vielleicht. Dennoch ist das Rippen und Schneiden illegal. Dank der lieben Industrie.

    Und vorspulen… nun ja, find ich auch unschön. Man wird ja dennoch als böser Raubkopierer hingestellt, jedes Mal wenn man den Film schauen will. Ausserdem soll ja auch bald wenn es nach der Industrie geht nicht mehr möglich sein bei aus dem TV aufgenommene Sendungen vorzuspulen. Bzw. die Werbung zu überspringen. Alles Gängelungen der ehrlichen Kunden. Kaufen darf man, aber das wars dann auch.

    Zur Musik und Radio stimme ich zu, wenn man einen guten Sender kennt (z.B. http://www.106acht.de wenn man Rockpop mag) gibts genug gute Musik, ohne das man CDs kaufen und/oder irgendwas runterladen muss.

    Zum Thema Filesharing allgemein: Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Ja, es machen definitiv zu viele Menschen. Der Schaden der entsteht ist wohl auch sehr hoch, wenn auch nicht so hoch wie von der Industrie behauptet. Jedoch frage mich mich: Wieso muss die Industrie so viele Sonderrechte bekommen? Die können doch anhand der IP-Adresse ermitteln, dann teilt die (Staats)Anwaltschaft dem Provider X zu einem frühen Zeitpunkt mit das festgehalten werden soll welcher Benutzer zum Zeitpunkt Y die IP-Adresse Z hatte. Danach wird in einem normalen Verfahren ermittelt, bzw. geurteilt und eine angemessene! (nicht diese Millionenstrafen, die total überzogen sind) verhängt. In großen Fällen gerne auch Gefängnis, falls es Tauscherei in großem oder kommerziellen Stil war.

    Aber den Internetanschluss von ganzen Familien kappen, weil Klein Fritz mal ausprobiert hat und 2 Warnungen und 2x Hausarrest oder was auch immer ignoriert hat? Und die ewigen Kundengängelungen und Verkriminalisierungen von Kunden? Das alles kann ich nicht nachvollziehen.

    Last but not least hoffe ich das künftig einige Richter und Polizeibeamte genauer prüfen, was wirklich passierte. Wenn z.B. die Musikindustrie behauptet das Klein Fritz das Album XYZ via Emule heruntergeladen hat, welches z.B. 100MB groß ist und die Musikinudstrie behauptet er hätte es an 50.000 andere Klein Fritzies verteilt, sich bei der Untersuchung aber herausstellt das er „nur“ 200MB hochgeladen hat, dann hat er in meinen Augen auch „nur“ an 2! Personen das Album verteilt. Und somit sollte als Grundlage ein Schaden in Höhe von 3 Alben genommen werden, denn das ist der real entstandene Schaden. Ein Ladendieb wird ja auch nur für das was er mitnehmen wollte (z.B. 1 CD) verurteilt und nicht dafür das er eine CD theoretisch 1000x kopiert und verkauft.

    Sorry wegen dem langen Kommentar, aber das musste alles mal raus.

  8. Ich weiss, aber es ist deutlich realistischer als die Behauptungen mit 1000 entgangenen Verkäufen. Es geht darum das zunächst einmal die Gerichte genau prüfen was genau passiert ist und sich nicht auf die Angaben der Industrien verlassen.

    Gekauft oder nicht gekauft, eine genaue Rechengrundlade wirds dafür nie geben, da man nicht beweisen kann was genau war.

    Zugrunde legen kann man 1x die CD die heruntergeladen wurde. Das ist gewissermaßen der „Diebstahl“ der begangen wurde. Je nach Auslegung kann dann z.B. noch die Beihilfe zum Diebstahl in 2 Fällen als zusätzliches Delikt hinzu kommen.

    Auf jeden Fall muss erstmal dafür gesorgt werden das die Phantasiesummen der Industrien nicht mehr ohne weiteres akzeptiert werden und das dort mehr hinterfragt wird.

    Ich finde es auch nicht akzeptabel was die Industrien teilweise vor Gericht abziehen, aber ich denke uns allen ist klar das sich das nicht von jetzt auf gleich anders wird und „faire“ Verhandlungen kommen.

    Gekauft oder nicht gekauft, ich persönlich sage hier auch: DAS kann nicht die Entscheidung sein. Wenn ich für etwas kein Geld habe darf ich es mir nicht nehmen, weder im Laden (Ladendiebstahl) oder per Tauschbörse (Raubkopie). Ich weiss, es sind immaterielle Güter, theoretisch ist der entstandene Schaden gleich Null, wenn Tauscher X definitv nicht gekauft hätte. Aber er selbst hat sich gewissermaßen persönlich bereichert.

    Ich finde es wichtig beide Seiten zu sehen und zu berücksichtigen UND die Verhältnisse zu wahren.

  9. Internetsperren können nicht die Lösung sein. Manchmal habe ich das Gefühl z.B. die GVL legt es auf die Abmahnungen an. Beruflich bietet das Unternehmen, wo ich tätig bin, ShoutCast Server an. Damit wir es unseren Kunden so einfach wie möglich machen können, wollten wir bei der GVL klare Informationen, welche Daten die Kunden der GVL für entsprechende Verträge übermitteln müssen. Doch zurück kam eine Mail mit unklaren Informationen. Auf eine zweite Anfrage kam fast die gleiche Mail, welche ebenfalls nur unklare und sicherlich nicht rechtlich sichere Informationen gab.

  10. Das Blöde ist ja: Selbst wenn man ganz direkt klare und direkte Informationen anfordert ist man am Ende der Ge**schte, wenn dann doch die Klagen kommen.

  11. Etwas offtopic, aber zu 100% zutreffend:

    In der Spielebranchde verhängen viele Hersteller/Publisher Embargos, damit die Spiele schön gepusht werden, auch wenn die Qualität nicht wirklich gut ist.

    4players hat das meiner Meinung nach mehr als treffend formuliert:
    http://www.4players.de/4players.php/kommentar/Spielkultur/1988453/0/index.html

    Wer Qualität abliefert muss sich vor Tests und Bewertungen nicht fürchten. Richtig! Und wer Qualität liefert verkauft auch was. Sollte man der Musikindustrie mal mitteilen.

    Im Übrigen übernehme ich für Links keine Gewähr und distanziere mich ausdrücklich. Also bitte nicht verklagen, oder mir das Internet abklemmen. Danke.

  12. Über den Sinn und Unsinn des „3-Strikes“ und „Internetsperren möchte ich mich nun schon gar nicht mehr auslassen.
    Für mich sehr bedenklich ist, dass in Copyright-Dingen hier die Verfassung ausgehebelt werden soll, indem ein Minister am Parlament vorbei Regelungen erlassen kann. Zu Recht gibt erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Auch hier gilt wohl „wehret den Anfängen“.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.