Dialog zur Urheberrechtsdebatte? Immer gerne.

Im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gibt es einen Artikel über „Urheberrecht – Kein Blut für Downloads“. Darin geht es um die aktuelle Debatte rund um Internetsperrungen, welche PR-technisch recht geschickt am vergangenen Donnerstag von der Rechtelobby vor dem Tag des Geistigen Eigentums platziert wurde. Die Argumentation des Journalisten dreht sich um eine „Reiz-Reaktions-Kette unter Umgehung des Gehirns, also der Hemmung“. Chronologisch wird bei dem Brief begonnen, indem es einen „rhetorischen Hallraum von Angriffskrieg und Völkerrecht des Stärkeren“ zu entdecken gibt. Es werden Industrielobby-Zahlen von vermeintlichen Downloads zitiert, weil vermutlich keine anderen Journalisten zur Verfügung stehen. (Wobei die Zahl von 10:1 Kopien auf ein Original nicht besonders hoch sind, wenn man ähnliche Zahlen vom Kulturkampf gegen Kassettenkopien vergleicht. Da gab es auch nicht unbedingt weniger Kopien von Originalen.) Die „Macht der Kreativwirtschaft“ führt dann zu Merkels Reaktion mit ihrem Video-Podcast, wo ich mir sogar vorstellen kann, dass dies im Vorfeld vom Spin abgesprochen sein kann. Sowas ist ja nicht unüblich in der Politik. Und ein Grossteil der Unterschreiber wurde letzte Woche auf dem CDU-Kulturgipfel in Berlin gesehen.

Und nun kommen die Blogs mit „reflexhaft-sarkastischen Spotts“ ins Spiel, wobei explizit dieses mit dem Artikel zum Thema vom vergangenen Samstag genannt wird. Wobei wir wieder bei der Reiz-Reaktions-Kette“ sind, was man ja durchaus thematisieren kann. Aber wenn wir explizit zu einem medialen Dialog eingeladen werden, machen wir da gerne mit. Ich weiss nur nicht so Recht, ob ich die Intention des Journalisten verstehe, der erkennt, dass die „Fronten zu beiderseitigem Nachteil verhärtet“ sind. Mit „Verhöhnung und Missachtung“ komme man nicht weiter, Hemmung tue Not. Das bezog sich wohl auf das Zitat aus dem Merkel-Podcast über die Computer zum herunterladen, wo ich mich immer noch frage, wie der Satz auf den Telepromter kam.

Bis hierhin kann ich die Argumentation verstehen. Ich frag mich allerdings immer noch, was genau mit dem letzten Absatz gemeint ist:

Netzpolitik.org zum Beispiel verlangt keine Anarchie, sondern „zukunftsfähige Geschäftsmodelle“. Einfach parasitär zu existieren ist allerdings keines: Dass kulturell anspruchsvolle Inhalte nicht umsonst zu haben sind, sollte inzwischen allen klar sein. Dass Blogger, gerade die, die für Eigentumsfreiheit plädieren, in den seltensten Fällen selbst solche Inhalte kreieren, ist die Schattenseite der Angelegenheit. Der Reflexbogen ist überspannt. Das aber ist eine Chance für die Reflexion.

Mit den Geschäftsmodellen meine ich explizit welche, die mit einem guten Angebot die Nachfrage der Kunden in einer veränderten Medienwelt befriedigen. (Als kleines Beispiel sei hier nur mal der Open-Business-Reader von iCommons verlinkt.) Ich kann es leider nicht ändern, dass in den letzten Jahren von den grossen Unternehmen hinter den grossen Namen auf dem Offenen Brief die falschen Strategien angewendet wurden und es immer noch äusserst kompliziert ist, im Netz Musik zu kaufen. Als Nutzer hätte ich gerne niedrigschwellige Angebote, die mich nicht gängeln und mir vorschreiben wollen, wie und wo ich meine Musik zu hören habe. Die kommen erst allmählich, wobei ich immer noch zweifel, ob der DRM-Trip tatsächlich vorbei ist.

Frage mich aber, was genau mit diesem Satz gemeint ist: „Dass Blogger, gerade die, die für Eigentumsfreiheit plädieren, in den seltensten Fällen selbst solche Inhalte kreieren, ist die Schattenseite der Angelegenheit.“

Auf einer Ebene verstehe ich den Artikel: Der Autor scheint sich einen Dialog zu wünschen, wo Konsumenten und Unterschreiber mal miteinander reden. Vermutlich derselbe „gesellschaftliche Diskurs“, den sich die Kanzlerin als Reaktion wünscht. Denn wir auch gerne hätten. Aber ist das so realistisch? Kommt denn irgendwer von den jungen Internetnutzern an die Kanzlerin, bzw. die Bundesregierung ran? Ich gehe ab und an zu geschlossenen Konsultations-Veranstaltungen, wo die Bundesregierung Verbandesvertreter zur Urheberrechtsdebatte einlädt. Da gibt es immer zahlreiche Lobbyvertreter der Rechteinhaber, nicht unbedingt der Künstler. Und so gut wie keine, die die Interessen der Internetnutzer vertreten.

Ja, viele Internetnutzer sind frustriert, wenn die Rechte der Allgemeinheit in der digitalen Urheberrechtsdebatte immer weiter einseitig abgebaut werden. Das ist aber auch kaum verwunderlich. Wenn gerade wieder Gesetze zu ungunsten der Allgemeinheit verschärft worden sind (2. Korb und Durchsetzungsgesetz) und die Spirale sofort weiter geht nach demselben Schema. Immer und immer wieder haben Viele sich bemüht, die Stimme der Nutzer hörbar zu machen. Während der letzten Jahre haben wir in der Urheberrechtsdebatte mit Privatkopie.net mehr als 56000 Unterschriften für mehr Verbraucherrechte gesammelt. Eine Reaktion der Politik gab es nicht. Bei 200 Unterschriften von Künstlern hingegen reagiert die Kanzlerin sofort.

Einen Dialog zur Urheberrechtsdebatte? Immer gerne.

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10 Ergänzungen

  1. Was gibt an dem Satz denn groß zu verstehen? Es gibt kaum Blogger, die kommerziell erfolgreiche Musik machen und sich zugleich aktiv für Filesharing neue Musikvertriebswege einsetzen. An einem der beiden Kriterien mangelt es halt immer. Wer sägt denn auch schon gerne an dem Ast, auf dem er sitzt ..

  2. Kurzes Gedankenexperiment zum Thema Geschäftsmodelle:

    Was passiert eigentlich wenn ich mir in Illustrator nächstes Jahr Republica Tickets bastel und die per Torrent verteile? Werden dann die Tickets fälschungssicherer gemacht oder darf jeder gratis rein und im Anschluss über das tote Geschäftsmodell lachen, wenn die Einnahmen nicht reichen? Alternativen?

  3. @supergrobi kannst es ja versuchen, wie sollte ich es verhindern? ich glaube aber nicht, dass davon viele gebrauch machen würden. ebenso kaufen viele noch digitale / physische tonträger von künstlern, die sie unterstützen würden.und die eintrittspreise für die re:publica sind konkurrenzlos günstig im vergleich zu allen anderen niternetkongressen in deutschland.

    das geschäftsmodell wird nicht tot sein, selbst wenn jeder mit einer gefälschten eintrittskarte reinkommt. denn ebenso wie bei künstlern ist das geschäftsmodell der re:publica auf einer mischkalkulation aufgebaut.

  4. Ein Dialog macht in meinen Augen nur dann sinn, wenn nicht beide Seiten stur auf ihrer so hoch geschätzten Meinung beharren und die Argumente der Gegenpartei simplifiziert darstellen um sie dann durch den Dreck zu schleifen.

    Vielleicht hilft hier sich am Beispiel GPL zu orientieren und alternative Geschäftsmodelle (Netlabels, CreativeCommons, etc.) einfach durchzuziehen und zu schauen, was die Zukunft damit anstellt.

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