Ich gestehe, ich habe einen Facebook-Account. Und um es noch peinlicher zu machen: Dieser Facebook-Account ist mit meiner Handynummer verknüpft. Ich wollte Facebook nie meine Nummer geben. Ich nutze es auch schon ewig nicht mehr. Aber eines Tages wollte ich doch mal wieder rein, um eine Person zu kontaktieren, zu der ich keinen anderen Kontakt hatte.
Facebook stellte mich vor die Wahl: Personalausweiskopie oder Handynummer. Es gab keine andere Möglichkeit, um Zugang zu erhalten. Dann eben die Handynummer, dachte ich. Das hat sich gerächt.
2021 sind Daten von rund 530 Millionen Facebook-Mitgliedern außerhalb Facebooks aufgetaucht. Sie wurden wohl durch eine Sicherheitslücke gestohlen, die bis Sommer 2019 offen stand. Damals waren Daten wie Name, Handynummer, E-Mail-Adresse, Wohnort, Beziehungsstatus, Geschlecht und Geburtsdatum ungeschützt abrufbar. Von mir findet man beispielsweise Name, Geschlecht und Handynummer im Netz.
Ominöse Jobangebote und eine Vielzahl von Hallos
Jetzt bekomme ich regelmäßig ominöse Jobangebote auf mein Telefon oder Anfragen von Menschen, die mich angeblich als Guide buchen wollen für ihre Deutschlandtour oder auch einfach nur „Hallo“ schreiben. Viele dieser Anfragen kommen von Accounts, deren Profilfotos junge Frauen zeigen.
Die Unterhaltungen lassen sich mit einem Tippen löschen und die Accounts blockieren und melden. Schwieriger wird es, wenn die Menschen, die versuchen, mich zu scammen, mich anrufen. Denn dann muss ich rangehen oder zurückrufen. Es könnte ja eine Quelle sein, die eine neue Geschichte für mich hat.
Ich arbeite seit bald 30 Jahren mit dieser Telefonnummer. Ich kann sie nicht einfach wechseln, weil ich nicht von allen Menschen, die mich möglicherweise als Journalisten kontaktieren wollen, einen Kontakt habe. Also hebe ich gelegentlich auch für Scammer ab.
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So schließt man sich der Sammelklage an
Ich finde, Mark Zuckerbergs Konzern Meta, dem Facebook ja gehört, schuldet mir dafür eine Entschädigung. Deshalb habe ich geklagt. Es gibt mehrere Kanzleien, die Menschen vertreten, deren Datenschutzrechte durch den Facebook-Leak verletzt wurden, WBS.LEGAL zum Beispiel. Ich habe Dr. Stoll & Sauer gewählt, die Kanzlei klagt auch für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gegen Meta.
Dieser Musterfeststellungsklage haben sich bereits etwa 11.000 Menschen angeschlossen. Die Teilnahme kostet nichts und gibt die Hoffnung, ebenfalls Geld von Meta zu erhalten. Ob du berechtigt bist, teilzunehmen, zeigt der „Klage-Check“ des vzbv. Ob deine Telefonnummer dank Facebook im Internet kursiert, erfährst du im „Datenleak-Check“ von Dr. Stoll & Sauer.
Die mündliche Verhandlung ist am 10. Oktober. Bis drei Wochen danach kann mensch sich der Sammelklage noch anschließen. Sechs Millionen Menschen aus Deutschland steht womöglich ein Schmerzensgeld zu, denn so viele deutsche Telefonnummern finden sich in dem Leak. Betroffen sind potenziell alle, die 2019 und früher ein Facebook-Konto hatten.
Anspruch auf mindestens 100 Euro
Laut Bundesgerichtshof rechtfertigt allein der Kontrollverlust über die persönlichen Daten einen Schadensersatz von 100 Euro, unabhängig von tatsächlichen Schäden. Henning Fischer, der die Sammelklage für den vzbv betreut, hofft, „dass derartige Verfahren Meta motivieren, den Datenschutz ernster zu nehmen“.
Ich habe als Einzelperson gegen Facebook geklagt. Obwohl die Fälle seit Anfang 2025 eigentlich als verjährt gelten, gebe es weiterhin rechtliche Möglichkeiten, auch als Einzelne*r den Kampf aufzunehmen, sagt Christian Grotz, Geschäftsführer von Dr. Stoll & Sauer. Das lohne sich, wenn man besondere Nachteile durch das Datenleck gehabt habe und bereit sei, persönlich vor Gericht aufzutreten.
„Es wurde insbesondere ihr persönliches Erscheinen angeordnet“, steht im Schreiben des Landgericht Berlin II. Sollte ich nicht auftauchen, könne gegen mich ein Ordnungsgeld von 1.000 Euro festgesetzt werden. Eine Stunde bevor es losgehen soll, ruft mich mein Anwalt an. Er sagt, es reiche völlig, wenn ich mich per Videotelefonat einwähle. Vermutlich käme ich sowieso nicht zu Wort.
Wie Meta versucht, sich herauszuwinden
Also wähle ich mich ein. Der zuständige Richter sitzt in einem schmalen schlauchförmigen Raum, der extrem hallt. Die beiden zugeschalteten Anwälte sind ebenfalls kaum zu verstehen. Was ich mitbekomme: Der Meta-Vertreter versucht, den Fall für verjährt zu erklären. Die Klage sei im März 2025 zugestellt worden, ich hätte aber seit 2021 Kenntnis von dem Datenleck gehabt. Außerdem könne meine Nummer gleichzeitig auch anderswo frei im Netz erhältlich gewesen sein.
Der Meta-Vertreter bestreitet zudem die zeitliche Anwendbarkeit der Datenschutzgrundverordnung. Es sei möglich, dass der Datenverlust vor deren Inkrafttreten im Jahr 2018 stattgefunden habe. Und es sei nicht ersichtlich, ob die Screenshots, die ich von Spamanrufen in meiner Anrufliste machte, überhaupt Spamanrufe zeigten, und ob diese wirklich bei meiner Nummer eingegangen seien. All das sieht der Richter nicht ein. Wohl aber, dass der Datenverlust aufgrund meines Berufs besonders schwer wiegt. 250 Euro muss Meta mir zahlen, beschließt er, ohne mich anzuhören.
Gekostet hat meine anwaltliche Vertretung bislang 517,65 Euro brutto, so Grotz. Finanziell gelohnt hat sich der Kampf nicht. Aber mir geht es auch mehr darum, Meta mit dem Geschäftsgebaren nicht ungeschoren davonkommen zu lassen. Außerdem zahlt meine Rechtsschutzversicherung die Kosten. Und gerade prüft sie, ob sie bereit ist, mich auch in einer Berufung zu unterstützen. Grotz meint, ich könne noch mehr Geld von Meta erstreiten. Es ist aber auch möglich, dass Meta selbst in Berufung geht, weil der Konzern weiterhin gar nichts zahlen will.
vzbv will 600 Euro pro Person erklagen
Dr. Stoll & Sauer vertritt Fälle wie meinen mit Hilfe von Legal Tech: Eingabemasken, Textbaukästen, standardisierte Akten, KI-Texterkennung, automatisierte Fallbearbeitung. Gegen Facebook klagte Dr. Stoll & Sauer im Namen von 500 Menschen, es fielen 326 Urteile in erster Instanz und 33 in zweiter. Ergebnis: Zwischen null und 3.000 Euro für die Betroffenen.
In der parallelen Sammelklage, an der Verbraucher*innen sich kostenlos beteiligen können, hält der vzbv eine Entschädigung von mindestens 600 Euro für angemessen, wenn beispielsweise neben Facebook-ID, Name und Telefonnummer auch Wohnort, E-Mail-Adresse, Geburtsdatum sowie Beziehungsstatus öffentlich geworden sind. „Mit der Musterfeststellungsklage kann man seinen eigenen Anspruch sichern und sich zurücklehnen“, sagt Grotz. Er findet: „Man muss einen Großkonzern nicht mit so was durchkommen lassen. Wenn die Verbraucher*innen in ausreichend großer Masse aufstehen, ändert sich da was.“

Wenn der scam überhand annimmt, könnten Sie sich natürlich auch parallel eine neue Nummer zulegen, bei der alten dann eine personalisierte sofort rangehende Anrufbeantworteransage einrichten, dass Leute hinterlassen sollen, was sie wollen und eine Rückrufnummer hinterlassen sollen und dass der Anrufbeantworter nur wöchentlich geprüft wird oder so.
Es gab auch eine (noch nicht rechtskräftige) Verurteilung Facebook’s wegen deren massiver Datensammlung:
https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/1088732%EF%BF%BC
Gibt es dazu Infos?
Ich würde empfehlen, den Kontakt mit dieser Person abzubrechen, bevor der Autor sich noch mehr ärgert in Zukunft.
XMPP/Jabber oder man hört sich nie wieder.
Meta wird trotzdem die Daten weiter nutzen: Von denjenigen, die geklagt haben, gibt es wieder Namen, Anschriften und Telefonnummern.
Nachdem Facebook insgesamt über eine Milliarde Euro gezahlt haben wird, werden sie einen Teufel tun, und noch einmal mit deutschen Daten spielen.
Defätismus-Cringe-Bois sind traurige Loser.
> Nachdem Facebook insgesamt über eine Milliarde Euro gezahlt haben wird
Würde ich mir auch gerne wünschen, aber FB wurde mehrfach zu satten Millionen-Strafen verurteilt, wobei letztinstanzlich die Strafe immer erheblich reduziert wurde.
Am Ende blieben „Peanuts“ übrig, die aus der Portokasse gezahlt wurde. An der Historie von Verfahren gegen den Meta Konzern kann man leicht erkennen, dass das Unternehmen sich aufgrund von Urteilen nicht etwa bessert, sondern immer rabiater wird.
OT:
Warum zeigt der Link https://netzpolitik.org/14-tage/ seit neuestem ins Leere?
Der einzige Ersatz, den ich gefunden habe, ist ein Link auf „Aktuelle Artikel“ aber der zeigt auf https://netzpolitik.org/2025/ , was als permanentes Lesezeichen nicht taugt.
Oder gibts einen anderen Einstiegpunkt auf eine schlagzeilenartige Artikelliste, den ich nicht sehe?
Wie wäre es mit netzpolitik.org/feed?
> https://netzpolitik.org/2025/ , was als permanentes Lesezeichen nicht taugt.
Für mich taugt der Link super gut, weil ich nicht zu bequem bin, diesen zum Jahreswechsel zu ändern.
Wäre diese URL wohlmöglich eine Abhilfe:
https://netzpolitik.org/aktuell/