Die Unionsfraktion im Bundestag betrachtet illegale Streaming-Plattformen als organisierte Kriminalität und will neue Schwerpunktstaatsanwaltschaften dagegen gründen. Das geht aus ihrem Positionspapier zum Urheberrecht hervor, das gestern beschlossen wurde. Im Gegensatz zur früheren Version ist man in einigen Punkten zurückgerudert.
Vor zwei Wochen hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein erstes Diskussionspapier zum Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft präsentiert. Markus Fazit war:
Das Papier ist insgesamt ein Fortschritt in der Positionierung der CDU/CSU auf dem Weg zu einer eigenen Netzpolitik.
Gestern wurde die endgültige Fassung beschlossen. Manche Punkte haben sich nochmal verschlimmbessert.
Gleich im ersten der 15 „Leitlinien“ hat man eine Rolle rückwärts gemacht. Sollten ursprünglich die Vor- und Nachteile von europäischem Schrankenmodell und amerikanischen „fair use“ auf EU-Ebene diskutiert werden, hält man jetzt am deutschen Modell fest und will es jetzt in Europa exportieren.
Mashups und Remixes erkennt man als kreative Leistungen an und will Rechtssicherheit schaffen. Trotzdem sieht man hier die gesamte Internetwirtschaft in der Pflicht „eine wirkungsvollere Aufklärung der Nutzer zu betreiben“.
Über die digitale Privatkopie denkt man auch immer noch nur nach. Wie man die Möglichkeit von Sicherungskopien mit der Legitimität eines Kopierschutzes vereinen will, wird nicht gesagt.
Die Kulturflatrate lehnt man weiterhin ab, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage wird immer noch gefordert.
Open Access findet die Union gut. Konkrete Maßnahmen stehen jedoch immer noch nicht drin. Stattdessen erwartet die Union „von Wissenschaft und Verlagen, dass sie Vereinbarungen zu Open Access treffen“. Gleichzeitig will man die „wissenschaftlichen Anschaffungsetats von Schulen, Universitäten und Bibliotheken“ erhöhen.
Der Absatz „Rechtsdurchsetzung im Internet“ wurde zu „Schutz der Kreativen im Internet“ umbenannt. Man ist weiterhin gegen Internet-Sperren, aber nur gegen Nutzer. Gleichzeitig will man einen „zivilrechtlichen Auskunftsanspruch eine einheitliche Speicherfrist von IP-Verkehrsdaten durch Service Provider“, also eine Art Vorratsdatenspeicherung gegen Urheberrechtsdelikte.
Der Absatz zu illegalen Streaming-Plattformen wurde drastisch ausgebaut, diese sind jetzt organisierte Kriminalität. Der Satz „Weltweit muss die Zusammenarbeit der Behörden intensiviert werden.“ wurde durch einen neuen Absatz ersetzt, den ich in Gänze zitieren möchte:
Die Strafverfolgungsbehörden benötigen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität eine angemessene technische und personelle Ausstattung. Der Fall Kino.to hat gezeigt, dass für eine effektive Ermittlung Ressourcen und Kompetenzen gebündelt werden müssen. Deswegen sollten Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung illegaler Streaming-Plattformen gebildet werden.
Derzeit besteht zum Schutz des geistigen Eigentums noch nicht in allen Staaten der Europäischen Union ein einheitlicher Rechtsrahmen, der eine Verfolgung von Betreibern von illegalen Streaming-Plattformen effektiv zulässt. Daher muss sowohl die Vereinheitlichung des gemeinsamen Rechtsrahmens als auch die Zusammenarbeit der Behörden europa- und weltweit intensiviert werden.
Warnhinweise und das damit verbundene Three-Strikes Modell will man weiterhin. Die „Überwachung des Datenverkehrs“ lehnt man nicht mehr generell ab, sondern nur die „Überwachung des Datenverkehrs einzelner Nutzer“.
Auch der endgültige Beschluss will der Abmahnindustrie „einen Riegel vorschieben.“ Irgendwie will man Abmahnungen deckeln, eine „pauschale Streitwertbegrenzung“ wird jedoch noch immer abgelehnt.
Insgesamt gebe ich Markus Recht, dass das Papier schonmal ein Fortschritt für die Union ist. Den großen Wurf oder einen maßeblichen Einfluss des cnetz sehe ich jedoch nicht, da sind noch einige Baustellen übrig.
Aus alter und neuer Version habe ich mal einen Diff gemacht.
Fortschritt der Union oder Rolle Rückwärts?
Was denn nun? Verschlimmbessert oder nicht?
„Schutz der kreativen“ – bitte hört auf. Bitte. Das tut so weh.
„Anschaffungsetat erhöhen“ – sind jetzt alle merkbefreit? Wohin gehen denn die erhöhten Etats? Reibt sich da Frau Mohn (Bertelsmann) schon die Hände?
Mit unlustigen Grüßen,
yt
Übersetzt: DPI einzelner Nutzer ist böse, DPI aller Nutzer ist gut?
Den Fortschritt kann ich nach Überarbeitung des Papiers leider auch nicht mehr entdecken, eher sogar einen Schritt zurück hinter die bisherige Position (one step forward, two steps back).
Ich finde es echt total übertrieben, dass es nun als organisierte Kriminalität beschrieben wird. Oft kann man sicher davon ausgehen, aber nicht bei jedem. Hoffe auf Einzellfallentscheidungen.