Liveblog: Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes

Der Bundestag debattiert heute über eine mögliche Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes. Über den Hintergrund haben wir gestern bereits berichtet. Sobald die Debatte beginnt, werden wir hier live berichten. 45 Minuten Debatte sind laut Tagesordnung eingeplant. Bisher ist das Bundestags-Plenum mehr als 60 Minuten verspätet.

Wenn wir was verpassen: Ergänzt uns in den Kommentaren.

17:06 Uhr geht es los. Livestream gibt es auf bundestag.de.

Burkhard Lischka (SPD) startet die Debatte und wiederholt alle unsere Argumente aus der Debatte. (Liebe SPD: Im vergangenen Jahr wäre das so schön gewesen mit dieser Argumentation). Er wendet sich insbesondere gegen die Aussetzung des Gesetzes durch das Ministerium. Aufheben könne ein Gesetz nur das Parlament, insofern handele es sich um einen Verfassungsbruch. Besondere Kritik an der Janusköpfigkeit des Vorgehens: Entscheiden, Aussetzen, und dann von europäischer Ebene erneut aufrollen. Auch an Phishing-Seiten, die problemlos und schnell aus dem Netz verschwinden, erinnert er.

Ansgar Heveling (CDU/CSU) zitiert erstmal aus der EMMA (Wahrscheinlich der einzige Artikel, den er je in dem Magazin gelesen hat), wo ein Staatsanwalt mal geschrieben habe: „Bis vor 5 Jahren habe ich gedacht, wir bekommen das Internet in den Griff […] Den Kampf haben wir schon verloren“. „Gleichgültig, welche Strategie wir verfolgen, machen wir uns bewusst: machen andere mit ihrem ekelhaften und schändlichen Verhalten weiter“. Na, wenn das nicht mal ein Grund ist, einfach grundrechtsfreundliche Lösungen zu finden, liebe CDU/CSU! Er bemängelt, dass es keine grundsätzlichen neuen Erkenntnisse gebe, und sich an den Argumenten seit 2009 nichts geändert habe (Warum auch?). Bisher das einziges Argument von Heveling für Sperren ist, dass die SPD 2009 dafür war. „Wir können uns die Diskussion um die Wirksamkeit jetzt gegenseitig um die Ohren hauen“. Sperren solle sich als ultima ratio als Option vorbehalten werden, bis sich wirklich wirksame Alternativen ergeben – das sei bisher nicht der Fall. Zitiert Welfling aus der Zeit, der gegen die „Ideologen der Freiheit“ schrieb. Für die CDU/CSU sind Netzsperren eine Brückentechnologie. Sie lehnen den Antrag zur Aufhebung ab. Insofern: Keine neue Erkenntnis.

Halina Wawzyniak (Linke) zitiert die Erkenntnisse von eco, die am Dienstag veröffentlich wurden: „dafür braucht man keine Netzsperren. Was man nicht braucht, braucht man auch nicht. Deshalb: Lassen sie es sein“. „Schon das Betreiben von Sperrlisten ist kontraproduktiv. Stoppschilder werden Hinweisschilder“. Erinnert an die Stimmen, die Netzsperren auf Urheberrecht ausweiten wollen. Sie zieht die Parallele zur Netzneutralitäts-Debatte: „Die Netzbetreiber möchten gern selbst entscheiden welche Inhalte zu welchem Preis zu welcher Geschwindigkeit befördert werden – die Regierung geht mit der Lobby Hand in Hand“. „Wir sollten das Internet nicht nur als Wirtschaftsraum, sondern als globalen Kulturraum begreifen“. Verweist auf netzpolitik.org und die EDRi-Kampagne gegen die Censilia-Pläne. „Auf netzpolitik.org wurde am Dienstag auf diese Kampagne hingewiesen und ich empfehle den Kollegen die Lektüre“. (Machen wir auch)

Jimmy Schulz (FDP) spricht sich für „Löschen statt Sperren“ aus, verweist ebenfalls auf die aktuellen eco-Zahlen und zitiert Zahlen. Verweist auf die laufende Evaluierung, die erstmal abgewartet und ausgewertet werden müsste, bevor man das Gesetz aufheben sollte. Er kann den Antrag „aus guten Grund“ nicht Ernst nehmen. Verweist auf SPD-Kollegen, der zwei Tage nach Verabschiedung mit Netzsperren gegen „digitale Falschparker“ vorgehen wollte. (War das Wiefelspütz?). Jimmy Schulz hat auch schonmal bessere Reden zum Thema gehalten. Das war eher schwach gerade. Was ist eigentlich aus dem von der FDP angekündigten Löschgesetz geworden?

Konstantin von Notz (Grüne): Verfassungsrechtliche Bedenklichkeit war seiner Meinung von vornherein klar. „Sie wollen ihren Koalitionspartner, die FDP vor’s Brett schnallen, das ist die traurige Wahrheit ihrer im Gewand der Rechtsstaatlichkeit daherkommenden Argumentation“. Er fordert, dass Einsichten aus den Fachanhörungen und Onlinepetition auch bei der Union ankommen müssen, da die überwiegende Anzahl der Fachleuten dem Bundestag von Sperren abrate. Was ein „Armutszeugnis für die Bundesregierung“ sei: Eine mehrdimensionale Strategie zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch fehle. Er fordert insbesondere mehr Engagement auf EU-Ebene, wo bislang quasi gar nichts geschehen sei. Konservative stünden in Brüssel wie auch im deutschen Parlament mit ihrer Position alleine da. Alle anderen Fraktionen hätten sich gegen verpflichtende Sperren ausgesprochen. Die deutschen Konservativen seien als einzige uneinsichtig gegenüber allen Erkenntnissen und Argumenten der Fachleute: „Sperren sind nicht der falsche Weg, sie sind gar kein Weg zu Bekämpfung von MIssbrauchsdarstellungen im Internet“

Stephan Meyer (CDU/CSU) kritisiert, dass Antrag der SPD Bände spreche für den Zustand der SPD. Noch vor 1,5 Jahren habe die SPD dem Gesetz zugestimmt. Jetzt würde sie lautstark dessen Aufhebung fordern. Ein Jahr „Löschen statt Sperren“ solle doch nun erstmal abgewartet und evaluiert werden. Ergebnisse würden bisher zeigen, dass Löschen im Inland funktioniere. Im Ausland sei das anders. Unabhängig davon, ob in der „westlichen Welt“ oder in den USA oder in Russland. „Leider Gottes“ seien noch über 40% der Webseiten nach einer Woche aufrufbar. Mayer beruft sich auf BKA-Präsident und Sperrbefürworter Jörg Ziercke und verweist darauf, dass dieser weder FDP noch CDU/CSU-Mitglied sei (er ist SPD-Mitglied). (Der war auch Chef-Lobbyist bei der Einführung und sicher unabhängig…) Allein mit Löschen werde man wohl nicht zum Ziel kommen, deswegen sollte man beide Optionen haben und „redundant“ auch auf das Mittel des Sperren zurückgreifen können. Auch Mayer fordert die Intensivierung der Kooperation mit ausländischen Sicherheitsbehörden und eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Behörden. Beim BKA seien 10 Mitarbeit mit dem Thema betraut. Sucht einen „ganzheitlichen Ansatz“. Er scheint von der CSU zu sein und (CDU) hat auf jeden Fall Schenkelklopfer-Potential.

Lars Klingbeil (SPD): „Politik müsse auch den Mut haben, Fehler ohne Wenn und Aber einzugestehen“. Auch CDU/CSU hätte diesen Fehler eingestehen sollen. Die „mittlerweile gereiften“ Erkenntnisse würden keinen anderen Schluss zulassen, als dass Netzsperren keine wirksame Maßnahme seien. Verweist ebenfalls auf eco-Zahlen. „Löschen statt Sperren“ wäre erfolgreich. Zitiert ausführlich Zahlen. Faktenlage sei eindeutig: Netzsperren seien nicht geeignet für den Kampf gegen Kinderpornographie. Löschen sei das richtige Mittel. Heutige Diskussion sei genau richtig. Klingbeil attackiert FDP, die in der Opposition dagegen gewesen sei, jetzt in der Koalition aber nur abwarte. Hofft, dass die FDP nicht zum „netzpolitischen Geisterfahrer“ an dieser Stelle wird.

Christian Ahrendt (FDP) kritisiert den Zick-Zack-Kurs der SPD, was das geradefahren etwas schwer mache. Bezeichnet sie als Wendehälse. Bringt Zahlen der Abfragen bei der Telekom, um Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen. 2,6 Millionen IP-Adressen und nur 1400 Seiten mit kinderpornographischen Inahlten seiem vom Netz genommen. Möglichkeit 1: Das Problem sei nicht so groß wie vermutet, bzw. würde ganz woanders stattfinden. Oder Variante 2: Man würde die Fallzahlen überhaupt nicht aufklären und dann bräuchte man Lösungen beim Vollzugsproblem und dafür bräuchte man keine Sperren. In dem Punkt Vollzugsproblem müsse Opposition auch mal Vorschläge machen.

17:56 wird Aussprache beendet. Überweisung an den Rechtsausschuss und weitere Ausschüsse.

Da war nichts Neues dabei. Vielleicht könnten uns die Abgeordnetenbüros beim nächsten Liveblog einfach vorher die Transcripte zuschicken, wenn eh fast alles abgelesen wird? Danke im Vorraus.

30 Ergänzungen

  1. @Emma genau mein Gedanke.
    Hat auch nichtmal ne Minute gedauert da ist Kipo gefallen. Das SPD bashing war ja auch abzusehen. Bin mal gespannt wie die sich da raus schwindeln.
    Aber ich finde die Position das sie den Kampf verloren haben, sollte er sich zu eigen machen. Das verschont uns vielleicht in Zukunft vor solchen Gesetzen…

  2. Hast du die Linke bestochen ?
    Das war ja mal die größte Schleichwerbung die es gibt.
    Hoffentlich bricht der Server nicht unter der CDU/CSU-Last zusammen :)

  3. An den Aussagen von CxU sieht man wieder mal schön, wie absolut lernbereit und weltoffen die sind.

    Weiter so!

    Euch wähl ich sofort wieder!

  4. Grats at Nennung. ;)
    Aber die FDP wieder, bringt in ausfueherler Zahl wie erfolgreich es mit dem Loeschen laeuft um dann zu schließen das wir ja jetzt die Kommunikation zwischen BKA und zivilen Meldestellen verbessert haben und daher erst mal gewartet werden muss ob das funktioniert. Huh, what?

  5. Hui, Halina Wawzyniak (Linke) wirbt für np.org

    Weia, dieser Unionspleppo Heveling – nicht ein sachliches Argument.

    Jimmy Schulz habe ich bereits vergessen – hat geredet, aber irgendwie nichts gesagt.

    Notzi kommt jetzt …

  6. Wären die „Liberalen Demokraten“ im Bundestag, würden die für uns auch Werbung machen ;-)

    Im Ernst, die Rede des CDU Abgeordneten war durchaus selbstkritisch.

    Aber davon mal abgesehen, das Erfolgsmodell „Löschen“ und die genannten Zahlen sind natürlich auch ein Trugschluß. Denn alle Inhalte können ja schnell kopiert werden.

    Lösche ich Seite A, ist das Material meist längst auf anderen Seiten kopiert worden.

    Davon abgesehen sehe ich keine Notwendigkeit porn. Bilder mit Jugendlichen zu löschen oder zu sperren – oder überhaupt zu verbieten.

    Ich sehe den Kampf gegen KP nicht als verloren an, sondern er muß sich wieder auf das grundsätzliche Problem konzentrieren, den tatsächlichen Missbrauch von real existierenden Kindern.

  7. @CxU: bla bla bla bla bla – dass euch nicht langweilig wird sich immer wieder die selbe nachweislich falsche Soße anzuhören

  8. Ich kann die „ultima ratio“-Leier nicht mehr hören. Damit wird am Ende jedes demokratiefeindliche Tool am Leben gehalten.

    „Wenn der Gefangene auch unter erschwerten Haftbedingungen nichts sahen will, dann brauchen wir die Folter als ultima ratio.“

    compris?

  9. Das war jetzt aber nicht wirklich überraschend, dass eine Bundestagsdebatte mit vorformulierten Reden geführt wird, oder? Zu vorgerückter Stunde werden die auch gern einfach direkt zu Protokoll gegeben…

    1. @Michael Below: Nö, war nicht überraschend, aber wenn die so schnell vorlesen, ist ein mitbloggen schwierig und deshalb würden wir uns über die Transcripte freuen, die uns dann die Arbeit erleichtern.

  10. Christian Ahrendt (FDP) […]
    Bezeichnet sie als Wendehälse. Bringt Zahlen der Abfragen bei der Telekom, um Urheberrechtsverletzungen zu verfolgen.

    Wo ist da der Zusammenhang mit dem Zensursula-Gesetz oder ist das eine indirekte Ankündigung die Sperren auch für Raubmordkopiererterroristen einsetzen zu wollen?

    @Caroline Kaiser
    Das sehe ich ähnlich. Kinder/Menschen werden nicht im Internet mißhandelt, sondern in der echten Welt. Die Strafverfolgung versteift sich leider viel zu sehr auf die Konsumenten statt den Produzenten hinterher zu spüren :(

  11. Der Begriff „Digitale Falschparker“ ist wohl eine Erfindung von Jimmy Schulz selbst. Google liefert genau zwei treffer. Die stammen aber aus dem November und beziehen sich auf das Verdi-Urheberrechtspapier. Vermutlich wusste er da selbst nicht mehr genau, woher der Begriff stammt. Kommt bei FDPlern öfter mal vor.

  12. Es ists ehr aufschlussreich (bei Bundestube schön zu sehen), wie viele Abgeordnete das interessiert aka anwesend sind… ;)

  13. Die eigentlich interessanten Sachen laufen derzeit eh in Brüssel. Am Dienstag um 18:00 war Deadline für die Änderungsanträge zur Censilia-Richtlinie, und es gab ziemlich viele. Konstantin von Notz hat den derzeitigen Stand ab Minute 4:17 in aller Knappheit recht treffend zusammengefasst. Und da sieht es relativ okay aus bisher. Der Battle mit dem Ministerrat, also den Regierungen der Mitgliedsstaaten, dürfte in den nächsten Monaten sauspannend werden. Telekom-Paket 2.0, my ass.

  14. @ Markus: „Beim BKA seien 10 Mitarbeiter mit dem Thema betraut.“

    Selbst diese Zahl ändert sich nahezu täglich. In den Artikeln der letzten Monate habe ich jetzt alle möglichen Zahlen gelesen. Von nur 8 Mitarbeitern für den GESAMTEN Komplex KP, von 52 Mitarbeitern insgesamt für IT Straftaten, von 6 1/2 Mitarbeitern nur fürs Löschen, usw.

    Entweder wird fast täglich beim BKA umstrukturiert, oder es handelt sich hier um eine Art Staatsgeheimnis, oder selbst den Leitern der entsprechenden Abt. ist nicht bekannt, wieviele Mitarbeiter derzeit bei ihnen arbeiten.

    Prinzipiell spielt die Musik in der EU. Die EU wird dies mit Sicherheit durchboxen, genau wie bei der Erstauflage dieser Richtlinie, dann hat D dies in nationales Recht umzusetzen.

  15. Die FDP kommt nun wirklich nicht gut weg. VOR der Bundestagswahl ist Herr Stadler richtig gut aufgetreten, seitdem ist kaum noch „Kampfeslust“ oder „Widerstand“ zu spueren.

    Liebe FDP, bitte erinnern dass Euch viele (gesamt immerhin 14,6%) u.a. auch deshalb gewaehlt haben da ihr versprochen habt fuer Buergerrechte, d.h. gegen VDS und Zensursula, anzutreten. Das ist fast Eure letzte Bastion, die Euch vor dem Orkus der Bedeutungslosigkeit rettet – ausser Euch sind 3% nach Wahlumfragen immer noch zuviel ;-)

    Mit Verweisen nur auf Leutheusser-Schnarrenberger, ihr aber nie den Ruecken staerken, bzw. sie immer allein im Regen stehen zu lassen (so sieht es zumindest nach aussen aus!), ist das SICHER NICHT GETAN ;-) Seid ihr eine eigene, individuelle Fraktion, oder nur der Rockzipfel der Union?

    @markus / netzpolitik: im Artikel oben kommt ein bisschen falsch rueber was mit den 2,6 Mio gemeint war. Woertlich wurde geschildert dass es in 9 Monaten 2,6 Mio IP-Abfragen allein bei der Telekom gab wegen UrhG (wahrsch. Filesharing, aber das waere nur geraten).

    Rechnet man aufs Jahr hoch, sind das 3,5 Mio IP-Abfragen, und das ALLEIN bei der Telekom, und wahrsch. fast ausschliesslich fuer die AbmahnINDUSTRIE (da es nur die Verfolgung um Urheberrechte geht). Hier scheint aber keiner im Bundestag Handlungsbedarf zu sehen, ausser es der AbmahnINDUSTRIE immer nur noch leichter zu machen – daraus liesse sich bereits wieder ein eigener Artikel schreiben ;-)

    VideoMitschnitte evtl. bald auf Bundestube? Das mit den 2,6 Mio. kam ganz am Ende.

  16. Was ist denn jetzt schlussendlich die Konsequenz aus dem Ganzen? Hhaben die endlich kapiert, das ihre lustigen Stoppschilder gekonnt ignoriert werden (siehe Straßenverkehrsordnung) und ergo nichts bringen?

  17. @pierre: ich befürchte das die konsequenz ist, dass der antrag der spd im aussschuss versenkt wird… die debatte geht weiter…

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.