SPD-Netzpolitik: Enthaltung bei VDS, Zustimmung zur Online-Durchsuchung?

Liebe SPD (& FDP),

könntet ihr der vernetzten Gemeinde evtl. kurz erklären, was ich gerade bei Anne Roth gefunden habe?

Der Unterausschuss Neue Medien des Bundestages behandelte heute den Antrag der Grünen, die Vorratsdatenspeicherung auch nicht über den Umweg EU zuzulassen. Das Ergebnis, getwittert vom Mitarbeiter des grünen MdB Konstantin von Notz:

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Ok, erste dachte ich, so ein Unterausschuss dürfe sowas vielleicht ja gar nicht. Da gibt es ja schließlich eine EU-Richtlinie. Andererseits, der Antrag, wo ihr euch  enthalten habt, lautet:

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag nimmt unter Hinweis auf Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) wie folgt Stellung:
1. Die Bundesregierung möge auf der europäischen Ebene Vorhaben, die Vorratsdatenspeicherungen vorsehen, energisch und unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010 (1 BvR 586/08) entgegentreten.
2. Die Bundesregierung möge auf europäischer Ebene auf eine vollständige Aufhebung der Richtlinie 2006/24/EG (betreffend Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsbereich) hinwirken.

Und das, liebe SPD, war für euch nicht zustimmungsfähig? Ernsthaft? Ok, vielleicht ist das alles nur ein wirklich großes Missverständnis. Verstehen würde ich es trotzdem gerne. Mag es mir jemand erläutern?

Bei der Gelegenheit dann vielleicht auch gleich, warum ihr folgenden Antrag der Linken abgelehnt habt:

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Aufhebung der Befugnisse des Bundeskriminalamtes zum verdeckten Eingriff in informationstechnische Systeme (§ 20k des Bundeskriminalamtgesetzes) und zur Verwendung und Übermittlung solcher Daten (§ 20v BKAG) vorzulegen.

Und jetzt bitte nicht wieder „weil das Linke sind“ oder so ein Kinderkram. Danke.

46 Ergänzungen

  1. hä? die spd ist doch schuld an der vorratsdatenspeicherung und war nie dagegen. wie kommst du darauf, dass sie das plötzlich sein könnte?

    die eigentliche frage ist eher: WTF geht mit der FDP?

  2. @Sebastian:

    Die FDP stimmt also dagegen, weil sie dafür ist?
    Unter welcher Nummer im liberalen Ausredenkatalog findet sich denn diese spitzfindige Variante? Clever clever, das zu kririsieren dürfte schwer fallen…

  3. Und jetzt bitte nicht wieder “weil das Linke sind” oder so ein Kinderkram.

    Mal abgesehen von den vielen Überzeugungstätern in der SPD (beim Thema Internet/Sicherheit wäre da u.a. der Wiefelspütz oder der Mensch der die Neuen Medien in der SPD nach dem Tauss übernommen hat, Name ist mir gerade entfallen) ist genau das das Problem: die SPD hat sich in eine Position manövrieren lassen, wo sie nichts zustimmen können, was entweder von den Linken vorgeschlagen oder unterstützt wird. Die haben nämlich Angst, dass dann die Union wieder die „arbeiten mit Parteien, die nicht auf dem Boden des GG stehen“-Karte ziehen (unter Verweis auf die Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz in manchen CDU-regierten Ländern). Volker Pispers sagt das viel besser. :)

    Grüße,
    Drizzt

  4. Der Weg von „dafür“ zu „dagegen“ führt bei Parteien, die sich nicht nur einer Nische verpflichtet fühlen, sondern der Gesamtgesellschaft ggf. über „enthalten“.

    Einen Antrag gegen etwas ist ja im Vergleich zu einer guten Lösung relativ einfach. Die Enthaltung werte ich als ein brauchbares Zwischenergebnis zu einer neuen Einsicht(-sfähigkeit) innerhalb der SPD.

  5. @Sebastian Blumenthal

    Sie versuchen die Entscheidung der FDP in ihrem Post zu relativieren. Entweder ist das Votum der FDP eine machtpolitische Entscheidung bzw. das übliche Parlament verhohnepiepelnde Geplänkel gegen die Opposition, oder ihre Partei entfernt sich wieder einmal von Wahlversprechen.
    Beides ist in meinen Augen unannehmbar.

    angewiedert mit piratigen Grüßen P)

  6. Na ja, die Regierungspartei FDP kann sich ja wenigstens noch auf die Koalitionsvereinbarung berufen (keine gespaltene Abstimmungen in Ausschüssen). Aber die Oppositionspartei SPD ist nur noch megapeinlich. Aber kein Wunder: Wer sitzt für die im Unterausschuss? Richtig: Neben dem armen netzpolitischen Newcomer Klingbeil sind es Dörmann und Zypries. Noch Fragen?

    1. @Jörg Tauss: Hätten sich dann CDU und FDP nicht beide enthalten müssen? So hat es doch zumindest beim Bundesrat Tradition.

  7. @hellertaler
    Praxistest nach 12 Monaten FDP Beteiligung an der Bundesregierung im Bereich Innen/ Netzpolitik:

    1. Werden die 2009 von SPD/CDU/CSU bei teilweise Enthaltung der Grünen beschlossenen Netzsperren in Deutschland angewendet – Ja oder Nein?

    2. Gibt es in Deutschland nach dem Urteil von Karlsruhe eine erneut aufgelegte Vorratsdatenspeicherung – Ja oder Nein?

    3. Hat es weitere sogenannte „Anti-Terror“ Gesetze gegeben (die von rot-grün bis 2002 unter Schily und Fischer/Trittin reihenweise beschlossen wurden) und kürzlich vom BMI gefordert wurden – Ja oder Nein?

  8. SPD, ist das nicht diese ehemals bedeutende Partei, die aus Populismusgründen im Wahlkampf dem Kinderschänder-Schutzgesetz der CDU (aka Internetsperren) zugestimmt hat?

    Grundgesetz brechen statt Kinder schützen…

  9. @Sebastian Blumenthal:

    E-Perso: http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2010-06/personalausweis-widerstand

    Swift: http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/justizministerin-hat-kritik-eingestellt/

    Bei Elena 2009 gabs auch eine Enthaltung, aber das war ja noch Opposition.

    Das neue Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ist wohl auch eher weniger Datenschutz für die Beschäftigten und eher mehr „Datennutz“ für die Arbeitgeber-Klientel:
    http://www.internet-law.de/2010/06/deutliche-kritik-am-geplanten-arbeitnehmerdatenschutzrecht.html

    Aber wer die FDP und ihre Argumentation auch nicht versteht:
    http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/justizministerin-hat-kritik-eingestellt/

    Zum Glück gibts keine Steuer pro Prozent an Wählerstimmen. Obwohl, das dürfte ja aktuell für die FDP nicht allzu teuer werden… ;-)

  10. @Sebastian Blumenthal

    sorry, ihre Gegenfragen gehen am Thema vorbei. Ich beantworte sie aber gerne P)

    1. – Netzsperren sind im nur ausgesetzt.
    2. – Ihr Koalitionspartner gibt sich alle Mühe VDS in irgend einer Form durchzusetzen.
    3. – Ui, habe heute gerade mitbekommen das die Bundeswehr im inneren eingesetzt werden könnte ( Castor… )

    Bitte beantworten sie mir nur eine Frage!
    Was gibt es an diesem Antrag http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/011/1701168.pdf abzulehnen?

    Danke

  11. Es sind mit allen Kräften und Einsatz persönlicher finanzieller Aufwendungen beim Bundesverfassungsgericht Grundsatzurteile erwirkt worden.

    Und dabei bleibt es auch.

    Im Übrigen sollte sich 2013 das Problem gelöst haben, wenn das deutsche Volk sein Hirn anstrengt, was es zunehmend macht.

    Ein Volk wird fühlbar klug.
    Sehr wohltuend.

  12. Lieber Olaf,
    was überrascht Dich jetzt genau? DIe Sozialdemokraten haben der Richtlinie über die VDS zuerst im EU-Parlament zugestimmt und danach auch der deutschen Regelung im Bundestag.

    Wenn es um die Einschränkung der Bürgerrechte geht, liegt die SPD allenfalls hauchdünn hinter der Union.

  13. @hellertaler

    Du stellst fragen, deren unverfängliche Beantwortung den „Wesen“ (das soll möglichst neutral klingen) aus der FDP echt schwer fallen könnte :D

    Wie böse.

    Noch eine Ergänzung
    „1. – Netzsperren sind im nur [in einer verfassungswidrigen Art und Weise] ausgesetzt.“
    Wie weit sind wir denn schon gekommen, dass die Exekutive andere Teile der Exekutive anweist ein Gesetz nicht zu befolgen?
    Kann man sich auch gut mit Grundrechten vorstellen. Die Verteidigt in dem Verein nur eine. Der Rest hat allem Anschein nach eher wirtschaftliche „Sorgen“. FDP hatte ja mal was mit Freiheitsrechten und deren Schutz am Hut, aber ich glaube das war vor meiner Zeit – wahrgenommen habe ich das jedenfalls noch nicht.
    Die FDP hat – dabei hinkt sie überhaupt nicht hinter der SPD hinterher – ein unglaubliches Maß an (Un)Glaubwürdigkeit erreicht.

    Zu „Ja oder Nein?“: Diskussionskultur vom feinsten.
    Das sind Leute die aus Hinterhof-Debattierclubs ganz schnell (und sehr zu Recht) wieder raus fliegen. Damit wäre dann Pispers wieder bestätigt hinsichtlich der Sache mit den fehlenden Spielkameraden :D

    anyway gn8

  14. Ich habe in meiner Zeit in Hochschulgremien gelernt, dass Enthaltung faktisch „nein“ heißt, diejenigen sich nur nicht trauen, dies offen zu sagen.
    Die Leute könnten ja böse auf sie sein…

    (Deswegen ist die Kunst der richtigen Formulierung eines Antrags so wichtig ;) )

  15. Enthalter möchten sich raushalten, meinen nicht etwa nein, sondern sind einfach feige Säcke.

    Sie enthalten sich nur deshalb, um internen Stress innerhalb der Gruppe/Partei zu vermeiden.

    Sie sind weder wählbar, noch kann man diesen Leuten ein Lob aussprechen. Sie sind eben NICHTS, wie sie es durch Enthaltung auch nochmal betonen.

    Wenn solche Leute mal an die Regierung kommen, dann wird daraus auch nur ein Satz mit X, nämlich nix.

  16. Dieser Grünen Antrag ist ein taktisches Spielchen – aber ein sehr Gutes, denn es macht die Verlogenheit aller Beteiligten sehr deutlich.

    Herr FDPler: Total wurscht ob der Antrag hinfällig ist oder nicht – er steht doch für ein klares Bekenntnis das man doch ohne Weiteres so zustimmen kann, oder? Ach der Koalitionsvertrag? Oder doch Urheberrechte? Hmm.

    Euch wähle ich (mal wieder) nicht. Ist mir alles zu wischiwaschi. Klare Steuerpolitik? Klarer Datenschutz? Hoffentlich reißt ihr die Hürde diesmal…und ich hoffe dass die Piraten die vielen verwirrten Geisterwähler einfangen, die sich von Euch haben blenden lassen! Ein falsches Kreuz kann ja mal passieren…

  17. @Nomis:

    Dieser Grünen Antrag ist ein taktisches Spielchen

    Ja, das kann man unterstellen. Ist ja nahe liegend und vermutlich auch nicht falsch. Genau daher würde interessiert mich ja, wie es zur Entscheidung kam.

  18. „Der Antrag, wo ihr euch enthalten habt“?

    Kommt da jemand aus dem badischen oder fränkischen Raum? ;)

    @topic: Manche politischen Entscheidungen sind wirklich unverständlich. Nichts dazugelernt im letzten Jahr.

  19. Die Vorratsdatenspeicherung ist ein heikles Thema von zunehmender Bedeutung. Dass jemals eine Regierung darauf gänzlich verzichten wird, kann ich mir nicht vorstellen.

    Allerdings wird der Wind für die etablierten Volksparteien in der Frage Datenschutz generell rauer, denn es haben sich ja bereits neue politische Strömungen wie die Piratenpartei gebildet.

    Was meint ihr – könnten Datenschutz-Parteien künftig mehr Zulauf bekommen oder bleibt das ein Randthema? Siehe dazu auch: http://www.minatymedia.de/2010/10/15/die-junge-piratenpartei-bleibt-auf-kurs-in-richtung-datenschutz-und-traeumt-von-freiem-wissen/

  20. @Christian:
    Solange sich die etablierten so dämlich beim Thema Datenschutz anstellen (inklusive FDP) ist ein Potential da, das aber wohl erstmal nur für unter 5% reicht. Je nach politischer Lage/Klima kann das Thema sehr wichtig werden – dann werden sich aber auch andere Parteien besser positionieren um die Sahne abzuschöpfen.

    Daher muss die Piratenpartei ihre Urheberrechtsideen weiter entwickeln. Die sind nicht nur für die Internetfrage wichtig, sondern auch außerhalb des Netzes. In den Patenten und Urheberrechten sitzt ein riesiger potentieller Hebel das momentan zementierte unfaire System aufzubrechen. Es sind sehr interessante Ansätze dabei, die ein prägnantes Alleinstellungsmerkmal der Partei wären.

    Aber natürlich muss man auf Dauer einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und nicht nur einzelne Gebiete abdecken. Man wird nicht umhin kommen sich zur Verkehrs- Finanz- und Umwelt- und Wirtschaftspolitik zu äußern und Konzepte zu entwickeln. Aber in allen Bereichen könnte der Schlüssel eine aktive Bürgerbeteiligung im regionalen Bereich darstellen – die man prima über das Netz erreichen könnte (s. direkte Demokratie).
    Das der parteiinterne Diskurs immer schön transparent und ehrlich bleibt damit das auch alle Interessierten verfolgen können halte ich dabei für am wichtigsten.

  21. Von grüner Seite aus war das alles andere als ein taktisches Spielchen. Der Antrag ist direkt nach dem Bundesverfassungsgerichts-Urteil entstanden und dann immer wieder mit Regierungsmehrheit von der Tagesordnung geflogen. Aus diesem Grund gab es erst jetzt eine Sondersitzung, die nur auf massiven Druck hin (Votenanforderung aus anderem Ausschuss) zustande kam.

    Mit der VDS taktisch umzugehen, ist eher Sache der FDP.

  22. Dieses plumpe FDP-Bashing ist langsam echt peinlich. Offensichtlich geht es hier einigen Kommentatoren mehr um parteipolitisches Geplänkel („Piraten sind die einzig wahren“) als um den Einsatz für die Bürgerrechte.

    Es ist ausschließlich der FDP zu verdanken, dass diese unsäglichen Netzsperren nicht zur Anwendung kommen. Es waren FDP-Politiker, darunter die amtierende Justizministerin, welche neben vielen anderen die VDS in Karlsruhe zu Fall gebracht haben.
    Es ist die FDP, die die Wiedereinführung der VDS gerade verhindert. Es ist die FDP und die Bundesjustizministerin, die genau das tut, was der oben genannte Antrag fordert – Sie setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass die VDS-Richtlinie abgeändert/abgeschafft wird.
    Der Antrag fordert letztlich nichts weiter als das, was längst praktiziert wird. Wie sinnvoll es ist Dinge zu fordern, die längst Tatsache sind muss jeder für sich selbst entscheiden. Allerdings kann man von der FDP nicht erwarten, dass sie einem solchen Schaufensterantrag zustimmt, der überhaupt nichts bringt, ausser die Antragssteller in einem schönen Licht erscheinen zu lassen. Das ist wahrlich nicht Aufgabe der FDP. Und gerade die Grünen sollten in Sachen Bürgerrechten etwas bescheidener Auftreten…. Haben Sie doch in der Schily-Ära so ziemlich alles durchgewunken, was dieser Hardliner haben wollte.

  23. Und es geht weiter: FDP stimmt für Zentrale Schülerdatenbank
    http://www.abgeordnetenwatch.de/einfuehrung_einer_zentralen_schueler_datenbank-510-279.html

    Das hat nix mit Bashing zu tun, das sind Realitäten. Irgendwie habe ich den Eindruck, die FDP ist immer nur dann gegen eine Einschränkung von Bürgerrechten, wenn dies nicht den Interessen ihrer Wirtschaftsklientel zuwiderläuft oder wenn eine europäische Regelung abzusehen ist, auf die man sich bei Misslingen des Widerstandes als Entschuldigung zurückziehen kann.

  24. Es gibt nicht „die“ SPD. Es gibt Menschen in der SPD, die sind gegen Vorratsdatenspeicherung. Es gibt Menschen in der SPD, die sind dafür. Da wird intensiv diskutiert. Das vorläufige Ergebnis ist eine Enthaltung.

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