Datenspeicher-SpürhundeDer unwiderstehliche Geruch von Festplatten

Bei Hausdurchsuchungen kommen immer öfter auch „Datenspeicher-Spürhunde“ zum Einsatz. Sie können Smartphones, Festplatten und sogar SIM-Karten riechen. Bei deren Ausbildung will sich die Polizei allerdings nicht in die Karten schauen lassen.

Hund riecht an einem Loch in der Wand.
Auf das Kommando „Spür!“ fängt der Hund an zu suchen. Hier ein Spürhund im Trainingsraum. – Alle Rechte vorbehalten LKA Sachsen

Von Polizeihunden, die nach Rauschgift oder Sprengstoff suchen, haben alle schon gehört. Auch von Hunden, die nach Banknoten schnüffeln, auf der Suche nach Steuerflüchtlingen. Am Ende der letzten Dekade kam dann eine neue Ausbildung dazu: Hunde, die Datenträger erschnüffeln – und das Land Sachsen war Vorreiter. Im Fall des massenhaften Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz in Lüdge kam Deutschlands bis dahin einziger „Datenspeicher-Spürhund“ zum Einsatz. In der Folge bildete die Polizei von Nordrhein-Westfalen ebenfalls solche Hunde aus und präsentierte „Odin“, „Jupp“ und „Ali Baba“ auch in sozialen Medien.

Auf der Transparenz-Plattform FragdenStaat gibt es gleich mehrere Anfragen zu Datenspeicher-Spürhunden. Dort hätte man also mehr dazu erfahren können, wie die Polizei Hunde trainiert, damit diese CDs, Festplatten, Speicherkarten, USB-Sticks, Smartphones und SIM-Karten finden. Denn ganz offenbar haben Speichermedien einen ganz eigenen Geruch, den Hunde erkennen, wenn sie auf diesen konditioniert werden. Allerdings hat die NRW-Polizei die Ausbildung der Hunde als „Verschlusssache“ eingestuft und großflächig geschwärzt, und so muss man sich stattdessen auf Medien wie zooroyal und deren Berichterstattung über die „Fellnasen“ verlassen.

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In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung heißt es, dass die Suche nach Datenträgern viel schwieriger sei als nach Drogen, die einfach stärker riechen würden als die handelsübliche Festplatte. Auch die Polizei Sachsen-Anhalt schreibt in einer Präsentation, dass die Datenträger kaum Geruchsmoleküle freisetzten.

Der sächsische Diensthundeführer sagte der Zeitung damals, dass der Hund die Chemikalien rieche, die zur Herstellung der Speichermedien verwendet werden. Er habe sogar den Eindruck, dass sein Hund Lithium-Ionen-Akkus schneller fände als Handys mit Chrom-Nickel-Batterien und gehe davon aus, dass „Artus“ Lithium riechen könne.

Weil die gesuchten Datenträger so wenig Geruch verströmen, verlange die „Spürarbeit“ eine „hohe, ausdauernde und körperlich anstrengende Leistung“ des Diensthundes, heißt es in den Unterlagen aus Sachsen-Anhalt. Deswegen setze diese Ausbildung „ein fokussiertes, sachliches Spürverhalten des DH [Diensthundes] voraus.“

Belohnung: Beißwurst

Die Polizei NRW selbst verrät auf ihrer Webseite, wie die Suche vor sich geht: „Hört Hank [Hund] das Kommando »Spür!«, beginnt er zu suchen. Bleibt er bewegungslos stehen, weiß Peter Baumeister [Hundeführer]: Er hat etwas gefunden. Als Belohnung bekommt Hank dann sein Lieblingsspielzeug: eine Beißwurst.“

Demnach dauert die Zusatz-Ausbildung eines Spürhundes zum Datenspeicher-Spürhund 20 Tage, welche der Hund zusammen mit seinem Bezugsmenschen absolviert. Nach der Ausbildung darf sich der Mensch dann „Datenspeicherspürhundführer“ nennen. Ein Wort, wie es deutscher kaum klingen könnte.

Auszug aus einer Präsentation.
Auszug aus einer Präsentation der Polizei Sachsen-Anhalt. - Polizei Sachsen-Anhalt

Zwischen 1.000 und 1.500 Euro kostet ein angehender Datenträger-Spürhund, wie Kaufverträge aus Sachsen-Anhalt verraten. Dort schaffte man sich 2021 zwei Hunde an, die in die Ausbildung sollten. Diese dauert in Sachsen-Anhalt wesentlich länger, laut Unterlagen 60 Arbeitstage, aufgeteilt in zwei Blöcke. Nur für schon auf andere Gerüche ausgebildete Hunde ist eine deutlich kürzere Ausbildungszeit vorgesehen. Am Ende sollen die Hunde nach Datenträgern „in Kraftfahrzeugen, an Kraftfahrzeugen, in Räumlichkeiten, im Gelände, in abgelegter Kleidung, in Gepäckstücken sowie an Objekten“ spüren können.

Wer nun die Durchsuchung mit Datenträgerspurhunden mit überlieferten Tricks wie der Anwesenheit anderer Tiere hintertreiben will, wird vermutlich kaum Chancen haben. Die Unterlagen der Polizei Sachsen-Anhalt sind eindeutig: Voraussetzung für einen Einsatz der Spürhunde ist die „Reduzierung ablenkender Einflüsse wie Kleintiere, Hunde, Katzen etc.“, zudem werden standardmäßig zwei Datenträgerspürhunde eingesetzt.

Immer häufiger eingesetzt

Bei der Polizei NRW hat man die seit 2019 angeschafften Datenspeicher-Spürhunde alleine im Jahr 2020 mehrere hundert Mal eingesetzt. Aber auch in anderen Bundesländern kommen sie mittlerweile zum Einsatz: So setzte die Polizei in Freiburg einen solchen Hund bei den Durchsuchungen im Zusammenhang mit linksunten.indymedia.org ein. Bis in die Literatur hat es der Datenspeicher-Spürhund schon geschafft: In der Drei-Fragezeichen-Folge „Das Tuch der Toten“ wird ein solcher Hund bei den Ermittlungen eingesetzt.

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11 Ergänzungen

  1. Wenn man doch nur so viel Aufwand in die Prävention von Missbrauch stecken würde statt in die Jagd nach Bildern, wo der Schaden schon entstanden ist. Was für eine Welt

    1. Die Jagd nach den Bildern ist die Jagd nach Tätern und damit Verhinderung weiterer Taten.
      Was für Maßnahmen schlagen Sie denn zur Prävention vor?

      1. Bis vor ein paar Jahren gab es an der Berliner Charité noch eine Anlaufstelle für Päderasten, wo man auch mit medikamentöser Begleitung einen psychotherapeutischen Ansatz verfolgt hat, der letztlich primär auf die Unterdrückung entsprechender Gelüste abgezielt hat.
        Irgendeinem Zahlendompteur im Leitungspersonal der Klinik oder dem Gesundheitswesen generell sind die Ausgaben für dieses bis dato in Deutschland einzigartige Projekt dann aber ein Dorn im Auge gewesen, und so ist die fragliche Klientel nun wieder völlig unerkannt und ohne Möglichkeit einer Einwirkung von außen unterwegs… – was soll schon schief gehen?
        Stand jetzt, ist mir nicht bekannt, ob es Ähnliches mittlerweile auch andernorts gibt.

  2. Alte Festplatten, Speicherkarten, USB-Sticks lassen sich leicht und billig beschaffen. Darauf könnte man einen haufen Bullshit – vielleicht noch verschlüsselt – speichern und dann damit man sein Domizil präparieren.
    Und dann Sport frei für den Datenspürhund und seine erwachsenen Kollegen.

  3. Eine bestimmte Sorte von Parfüms legt den Geruchssinn für längere Zeit lahm. Das wirkt bei Mensch und Tier. Ist das nicht bekannt?

      1. Dann sollen die es auch so schreiben. Ich denke, dass kann man von eine Behörde erwarten.
        In der Uni zählt es auch nicht, wenn ich schreibe Löffel und dem Prof anschließend sage, dass Gabel gemeint war.

  4. Der Glaube an übernatürliche Fähigkeiten von Hunden ist Polizeireligion, sobald sie in Dienst gestellt sind.

    https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/mantrailing-hunde-studie-doktor-verklagt-uni-leipzig-100.html

    Es wurden schon Mantrailerhunde im Polizeiauto über Autobahnen gefahren, um die Spur von Mördern aufzunehmen. Dem Vernehmen nach war diese Aktion nicht von Erfolg gekrönt, so der ehem. Bundesrichter Fischer in einem SWR-Podcast.

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