Erstmalige MusterzulassungIsraelische Drohne darf zukünftig Einsätze im Innern fliegen

Rüstungskonzerne wollen ihre Langstreckendrohnen auch für Innenministerien oder die Landwirtschaft vermarkten, dafür müssen sie jedoch bewohntes Gebiet überfliegen. Die Marktführer arbeiten fieberhaft an den erforderlichen Genehmigungen.

Das Bild zeigt eine Drohne vor blauem Himmel.
Im Innern kann die Drohne nach Herstellerangaben von Behörden und Privaten bei Großveranstaltungen, für „Umweltinspektionen“ oder Rettungseinsätze auf See eingesetzt werden. Elbit

Die israelische Zivilluftfahrtbehörde hat erstmals eine dauerhafte Erlaubnis zum Flug einer Drohne im zivilen Luftraum erteilt. Die Musterzulassung erhielt der Rüstungskonzern Elbit für seine „Hermes Starliner“, wie das Unternehmen gestern in einer Pressemitteilung mitteilte. Nach Angaben eines Sprechers hat Elbit sechs Jahre an der Zertifizierung gearbeitet, in diesem Prozess seien „Tausende von Arbeitsstunden, Dutzende von Audits, Labortests, Bodentests, intensive Flugtests und Tausende von Dokumenten“ erstellt worden.

Bislang waren zivile und militärische Flüge derart großer Drohnen in Israel auf reservierte Lufträume beschränkt. Die nun erfolgte Zertifizierung erfüllt laut der Luftfahrtbehörde die geltenden NATO-Standards für die Integration von schwergewichtigen Drohnen. Die beim Militär eingesetzten Drohnen können demnach – etwa für Trainings – den zivilen Luftraum nutzen und über bewohnten Gebieten aufsteigen.

„Grenzsicherungs- und Anti-Terror-Operationen“

Die „Starliner“ verfügt über eine Spannweite von 17 Metern und einem Gewicht von 1,6 Tonnen und kann nach Angaben des Herstellers bis zu 36 Stunden in der Luft bleiben. Sie ist eine Weiterentwicklung der „Hermes 900“, die seit fast 20 Jahren bei der israelischen Luftwaffe im Einsatz ist. Sie kann mit Raketen bewaffnet werden und gilt nach Einsätzen in Gaza als „kampferprobt“. Sie kann rund 450 Kilogramm Waffen oder Überwachungssensorik mitführen.

Für Flüge in zivilen Lufträumen müssen große Drohnen über ein Enteisungssystem, ein System zum automatisches Starten und Landen bei schlechter Sicht sowie ein System zur Erkennung und zum Ausweichen von Kollisionen verfügen. Die Elbit-Drohnen nutzen dafür unter anderem ein Radar. Laut Schweizer Medienberichten war dessen Entwicklung für die langjährige Verzögerung bei der nun erfolgten Zertifizierung verantwortlich.

Laut Elbit befolgt die „Starliner“ auch die Anforderungen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) für den Flug in zivilen Lufträumen. Als Einsatzmöglichkeiten nennt die Firma „Grenzsicherungs- und Anti-Terror-Operationen“, die Sicherung von Großveranstaltungen, „Umweltinspektionsaufgaben“ und „Präzisionsarbeiten in der Landwirtschaft“. Zudem könnte die „Starliner“ Such- und Rettungseinsätze auf See durchführen. Vor einem Jahr hatte Elbit hierzu eine Konfiguration zum Abwurf von Rettungsinseln vorgestellt.

Schwerwiegende Abstürze

Auch andere Länder könnten nun Einsätze der Drohnen im Innern erlauben. Während die „Hermes 900“ nach Herstellerangaben in verschiedenen Ausführungen von einem Dutzend weiterer Länder bestellt wurde, fliegt die „Starliner“ für das kanadische Verkehrsministerium und die Schweizer Armee.

Jedoch verschweigt die Pressemitteilung, dass sich die Beschaffung durch das Verteidigungsministerium in der Schweiz unter anderem wegen eines Absturzes seit drei Jahren verzögert. Am 5. August 2020 war eine „Hermes 900“ auf einem Testflug in Israel während eines geplanten Hochgeschwindigkeitsmanövers in der Luft zerbrochen und anschließend am Boden zerschellt.

Auch die Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs verzeichnete bereits einen Totalschaden einer „Hermes 900“ beim Start von einem Flugplatz auf Kreta. Die Drohne geriet in Schwierigkeiten und absolvierte eine Notlandung.

Konkurrenz hinkt hinterher

Auch der Elbit-Konkurrent Israel Aerospace Industries (IAI) arbeitet an der Integration seiner Drohnen in zivile Lufträume. Vor über einem Jahr landete dazu eine „Heron 1“ auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Anschließend kehrte die Drohne auf den militärischen Stützpunkt Ein Shemer im Norden des Landes zurück. Dort ist auch die Bundeswehr zum Training an ihren israelischen Drohnen stationiert.

In Europa hat bisher keine Regierung eine vergleichbare Genehmigung für große Drohnen erteilt, allerdings finden in verschiedenen Ländern entsprechende Anstrengungen zur Forschung und Entwicklung statt. Im Auftrag der britischen Küstenwache absolvierte eine „Hermes 900“ mehrere Testflüge im nicht gesperrten Luftraum, allerdings vor der Westküste von Wales und nicht über bewohntem Gebiet. Die Drohne war dabei mit Aufklärungstechnik zur Seenotrettung ausgestattet.

Französische und spanische Behörden hatten im Dezember einen vierstündigen Testflug mit einer US-amerikanischen „Reaper“ in ihrem zivilen Luftraum durchgeführt. Die Drohne des französischen Militärs wurde von zivilen Fluglotsen in Bordeaux „in Empfang genommen“ und an der spanischen Grenze an die dortige Flugsicherung übergeben. Nach dem Überflug der Pyrenäen kehrte die „Reaper“ in Saragossa wieder und flog anschließend über den Golf von Lyon nach Frankreich zurück.

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Eine Ergänzung

  1. Angesichts der andauernden Knappheit elektronischer Bauteile, dank fragiler Lieferketten, wäre ein disassemblierter Reaper auf dem lokalen Acker doch ein gefundenes Fressen. Alles in Mil-Spec. WOW!

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