Überbordender Hass in den sozialen Netzwerken, Überwachung und politische Repressionen auf der ganzen Welt haben uns auch diese Woche beschäftigt. Außerdem haben wir einen Blick auf die Entwicklung der deutschen Corona-Tracing-App geworfen.
Seit ein paar Wochen ist die Corona-Warn-App jetzt da. Eine wirklich ausreichende Datenschutzfolgeabschätzung gibt es aber immer noch nicht, kritisieren Autor:innen des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung in einem Gastbeitrag. Denn sie finden: Quellenoffenheit reicht nicht aus und fordern, dass neben den Apps auch auch Server und Infrastrukturen betrachtet werden müssen.
Facebook und der Hass
Immer mehr Unternehmen haben in den vergangenen Wochen Facebook boykottiert. Wer mit Hass Profit mache, den wolle man nicht unterstützen, argumentieren sie und weigern sich, weiterhin Werbung auf Facebook zu schalten. Das tut weh in der Kasse der Plattform – und wieder einmal verspricht Facebook, mehr gegen Hass auf der eigenen Plattform zu unternehmen. Mit dem erfolgreichen Druck aus der Werbewirtschaft zeigt sich einmal mehr, wie bisher die Politik versagt hat, kommentierte Markus Beckedahl.
Unterdessen werden immer mehr Plattformen aktiv: Twitch warf Donald Trump von der Plattform, Reddit hat seine Fans gesperrt. Wir haben uns angeschaut, welche Unternehmen stärker gegen Hass in sozialen Netzwerken vorgehen.
Überwachung und politische Repressionen
Das neue nationale Sicherheitsgesetz in Hongkong zeigt die ersten Auswirkungen. Durch die politischen Repressionen treten Aktivist:innen zurück, Organisationen und Accounts in sozialen Medien lösen sich auf. Wir haben aufgeschrieben, wie das Gesetzespaket die demokratischen Hoffnungen der Stadt endgültig zerstören könnte.
Auch Indien hat Apps blockiert, darunter TikTok oder WeChat. Gemein haben sie, dass sie alle aus China kommen. Das Verbot folgt auf die jüngste Gewalteskalation an der indisch-chinesischen Grenze. Warum viele einen politischen Hintergrund vermuten, haben wir zusammengetragen.
Kritisch um die Internetfreiheit steht es auch in Brasilien. Dort will die Regierung mit einem neuen Gesetz angeblich gegen Falschnachrichten vorgehen, tatsächlich führt das aber zu mehr Überwachung. Denn zukünftig müssen sich alle Nutzer:innen von sozialen Netzwerken und Messengern mit dem Ausweis registrieren. Außerdem wird die Gruppengröße in Messengern beschränkt und häufig weitergeleitete Nachrichten sollen gespeichert werden. Obwohl sich Digital- und Menschenrechtsorganisationen gegen das Gesetz gewehrt hatten, wurde es jetzt beschlossen.
Recht ist Recht ist Recht
Wie schwierig es sein kann, geltendes Recht gegen die großen Konzerne durchzusetzen, zeigt der Fall von Max Schrems. Vor sechs Jahren hat der Datenschutzaktivist Facebook verklagt, weil seiner Meinung nach unter anderem die Datenschutzbestimmungen ungültig sind und Daten unrechtmäßig gesammelt und weitergegeben werden. Jetzt hat das Wiener Landgericht für Zivilrechtssachen endlich ein Urteil gesprochen: 500 Euro soll Schrems von Facebook bekommen, weil es angeforderte Daten nicht herausgegeben hat. Die anderen Vorwürfe wischte die Richterin vom Tisch. Das findet er grotesk und will in Berufung gehen.
Auskunftsgesetze sind oft zu schwerfällig, wenn Informationen schnell benötigt werden. Wenn Hintergründe von Gesetzesentwürfen offengelegt werden, dann ist das vor allem Gerichtsentscheidungen zu verdanken. Das zeigt sich einmal mehr beim Streit um das milliardenschwere Kohlegesetz: Transparenz nutzt nichts, wenn es zu spät für sie ist. Wir haben über den Eilantrag zum Kohlegesetz vor dem Oberverwaltungsgericht geschrieben.
Menschenrechte schützen
Nicht nur in Berlin, auch in Bremen arbeitet die rot-rot-grüne Landesregierung an einem neuen Polizeigesetz. Darin sollen rassistische Polizeikontrollen explizit verboten und die Rechte von Betroffenen gestärkt werden. Jetzt beschweren sich Oppositionsparteien und Gewerkschaft der Polizei und nennen den Entwurf ein „Anti-Polizeigesetz“.
Sehr schlecht bestellt um die Menschenrechte ist es im Golf von Tunis. Dort soll eine neue Anlage zur Kontrolle tunesischer Küsten die sogenannte irreguläre Migration über das Mittelmeer verhindern. Beteiligt ist auch das Bundesinnenministerium. Ein ähnliches Projekt in Libyen ist inzwischen beendet. Menschenrechtsorganisationen sehen darin eine völkerrechtswidrige Beihilfe zu sogenannten „Pull backs“.
Kreativer und kritischer Umgang mit Technik
Wenn von Medienkompetenz die Rede ist, sind Forderungen nach Tablet-Klassen und pädagogischen Spielen nicht weit. Was aber Medienkompetenz mit Freier Software zu tun hat, darüber haben wir mit Daniel Schlep gesprochen. Er selbst ist Medienkünstler und zeigt Schüler:innen, wie sie mit Freier Software selbst kreativ werden können. Er findet: Statt Technik sollten wir endlich das Wissen dahinter fördern.
Wo es Kritiker:innen gibt, da wird auch sorgfältiger gearbeitet. Im Interview hat uns der Technikphilosoph Christian Vater erklärt, warum es auch mit Vereinen mit dem Chaos Computer Club zu tun hat, wenn Menschen einen aufgeklärten Umgang mit Technologie haben. Außerdem hat er er klärt, warum ein kritischer Blick auf Technik nicht das Gleiche ist wie Angst.
Geschwätzige Smartphones und Fitnesstracker
Die Video-App TikTok steht immer wieder zwischen Kritik und Hype. Diese Woche kam raus, dass die TikTok-App aggressiv ausliest, was Menschen auf dem iPhone in die Zwischenablage kopiert haben – beispielsweise Passwörter.
Wo wir gerade beim Thema iPhones sind: Im Europäischen Parlament wird in Corona-Zeiten abgestimmt mit iVote. Das ist kein Witz! Während der Pandemie stimmen EU-Abgeordnete in manchen Ausschüssen mit einer App ab, die nur auf Apple-Geräten funktioniert. Das geht so nicht, sagen Linke und Piraten und warnen, dass die App abhängig mache von dem US-Konzern. Wir haben die Hintergründe recherchiert – und unseren Beitrag auch auf Englisch übersetzt.
Klar ist, dass Smartphones eine Menge Daten aufzeichnen. Das tun aber auch Fitnesstracker. Einer der bekanntesten ist Fitbit und den möchte Google jetzt kaufen. Die NGO Privacy International möchte das verhindern; wir haben die Gründe dafür aufgeschrieben.
Zum Abschluss haben wir noch einen Termin-Tipp für kommende Woche: Am Dienstag geht es beim 95. Netzpolitischen Abend der Digitalen Gesellschaft neben besseren Polizeigesetzen um Filter, die das Urheberrecht in der EU schützen sollen und um Filter, die diskriminieren. Die Veranstaltung wird natürlich gestreamt.
Damit wünschen wir euch ein schönes Wochenende!
Die unbequeme Wahrheit zum Thema Datenschutzfolgeabschätzung ist, dass wir seit geraumer Zeit die Infrastruktur für die Erfassung zutiefst persönlicher Verhaltensdaten auf globaler Ebene haben.
Quelle: https://www.fuw.ch/article/debatte-ueber-verhaltensdaten-ist-ueberfaellig/