NachrufZum Tode von Wolf-Dieter Narr

Am Wochenende ist der Professor, Aktivist und Menschenrechtler Wolf-Dieter Narr gestorben. Narr spielte eine wichtige Rolle für die Verteidigung von Grund- und Freiheitsrechten in der Bundesrepublik und war Mitgestalter in zahlreichen Protesten und sozialen Bewegungen.

Wolf-Dieter Narr (Archivbild) – Alle Rechte vorbehalten CILIP

Nach langer schwerer Krankheit ist am 12. Oktober Wolf-Dieter Narr im Alter von 82 Jahren gestorben. Narr war einer der großen kritischen Intellektuellen Nachkriegsdeutschlands, ein Aktivist und Professor, der sich mit ganzem Herzen dem Thema Menschenrechte aus emanzipativer Perspektive widmete.

Sein politisches Interesse wurde geweckt durch die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, auch in der eigenen Familie, wie er in einem Interview von 2012 (Teil 1, 2, 3) beschreibt. Von 1971 bis 2002 war Narr Professor für empirische Theorie der Politik am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin. Dabei mischte Narr als undogmatischer Linker in vielen sozialen Bewegungen und bei außerparlamentarischen Protesten mit. Er belebte den zivilen Ungehorsam in der Friedensbewegung. Generationen von Studierenden verbinden seinen Namen und sein Wirken mit ihrem Politik-Studium in Berlin und haben von ihm gelernt, die Bundesrepublik immer wieder kritisch zu hinterfragen.

Narr war 1978 beteiligt bei der Gründung des Institutes für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit, dessen Zeitschrift „Bürgerrechte & Polizei“ (CILIP) regelmäßig Berichte, Analysen und Nachrichten zu den Themen Polizei und Geheimdienste, der Politik „Innerer Sicherheit“ sowie Bürger:innenrechten liefert. Auch Autor:innen von netzpolitik.org schreiben ab und zu für die Zeitschrift.

Narr hat 1980 das Komitee für Grundrechte und Demokratie mitgegründet, eine der wichtigen Grundrechtsorganisationen seiner Zeit und bis heute. Narr war einer der Väter der unabhängigen Demonstrationsbeobachtung, die bis heute bei großen Protesten wie jenen gegen den G8-Gipfel versucht, eine Beobachtung des Geschehens aus Grundrechtsperspektive zu leisten. Abseits der Polizeimeldungen und medialen Schilderungen haben die Beobachter:innen die Einhaltung der Menschenrechte und vor allem des Versammlungsrechtes im Blick. Das Grundrechtekomitee, dessen Sprecher Wolf-Dieter Narr lange Jahre war, kämpfte gegen die Volkszählung 1987,  die Überwachung von Geflüchteten und die Demontage des Grundrechtes auf Asyl.

Einer wie Narr wird fehlen. Gerade in solchen Zeiten.

Die Webseite wolfdieternarr.de bietet ihm ein wissenschaftliches Andenken und mit der Bibliografie Anknüpfungspunkte zu seinem Denken.

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Eine Ergänzung

  1. Mein Beileid der Familie !
    Man hat ja schon eine Weile nichts mehr von Ihm gehört.
    Dann war das wohl mit einer der Gründe.
    Mit dem Thema “ Volkszählung und Zensus “ wird sich leider viel zu wenig
    auseinandergesetzt.

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