Doxing-Adventskalender: Das BKA hat nur einen Teil der Betroffenen informiert

Der wohl bekannteste Doxing-Fall waren die Adventskalenderveröffentlichungen: Daten von beinahe 1.000 Politikern und Prominenten landeten im Internet. Während das BKA Bundestagsabgeordnete darüber informierte, gab es für die meisten anderen kein einheitliches Verfahren. Das ist auch bei rechten Feindeslisten ein Problem.

Adventskalendersäckchen
Wer von den Adventskalender-Veröffentlichungen betroffen war, erfuhr das nicht immer vom BKA. – Vereinfachte Pixabay Lizenz congerdesign

Vor allem Prominente, Youtuber und Politiker waren betroffen, als im Dezember 2018 in einem „Adventskalender“ persönliche Daten im Internet auftauchten. Telefonnummern, Adressen, bei manchen auch Ausweis-Kopien und private Fotos veröffentlichte 0rbit – so das selbstgewählte Pseudonym. Die Ermittlungen wegen des sogenannten Doxings dauern an, die Hauptvorwürfe lauten: Verdacht des Ausspähen von Daten und Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz.

Dass Medien wochenlang über den Doxing-Fall berichteten, dass manche Politiker sogar einen „Angriff auf die Demokratie“ heraufbeschwörten, dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine breite Aufklärungskampagne startete, das alles liegt wohl an der Prominenz der Betroffenen.

Doch dass gegen den Willen von Opfern persönliche Daten ins Netz gestellt werden, ist kein Einzelphänomen, es betraf schon vorher Aktivistinnen, Journalisten, Pornodarstellerinnen. Sie bekommen weniger Aufmerksamkeit und sie bekommen von den Behörden eine andere Behandlung. Das zeigen auch die Antworten des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage von Anke Domscheit-Berg, der netzpolitischen Sprecherin der Linken im Bundestag.

Betroffene werden nicht einheitlich informiert

Dort heißt es, das Bundeskriminalamt habe alle „§-6-BKAG-Personen“ informiert, die von der Adventskalenderveröffentlichung betroffen waren. Paragraf 6 des BKA-Gesetzes regelt den Schutz von Mitgliedern der Bundesverfassungsorgane, dazu gehören etwa Bundestagsabgeordnete und Regierungsmitglieder. Es sei eine „inividuelle Gefährdungsanalyse“ erfolgt und den entsprechenden Personen ein Sicherheitsgespräch angeboten worden. Alle anderen? Wurden offenbar nicht informiert, zumindest nicht vom BKA. Grundsätzlich, so das Innenministerium, seien für Gefahrenabwehr und den Schutz von Personen die Bundesländer zuständig.

Domscheit-Berg findet es „erschreckend, dass das BKA nicht alle Personen informiert hat, die von den Doxing-Fällen betroffen waren.“ Sie könne sich, so Domscheit-Berg weiter, „überhaupt keinen Grund vorstellen, warum das nicht gemacht wurde“.

Auch bei anderen Datensammlungen und -veröffentlichungen ist die unterschiedliche Behandlung Betroffener ein Problem. Auf Feindeslisten rechtsextremer Gruppen finden sich die Namen Tausender politischer Gegnerinnen und Gegner. Manche dieser Adresssammlungen wie die Liste mit dem sprechenden Namen „Wir kriegen euch alle“ kursierten nicht nur intern, sondern landeten schließlich auch im Internet. Ob die Menschen auf dieser Listen informiert wurden, hing von der zuständigen Behörde ab.

„Die Bundesregierung tut so, als ginge sie das alles nichts an“

Ermittler in Hessen beispielsweise trafen sich mit Betroffenen, in Nordrhein-Westfalen überließ man die Einschätzung örtlichen Polizeidienststellen. Und das BKA? Fühlt sich zum einen nicht zuständig, zum anderen bezeichnete es die zahlreichen kursierenden Listen lapidar als „Informationssammlungen“. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass gelistete Menschen konkret gefährdet sind, heißt es auf der Website der Polizeibehörde.

Bei der „Wir kriegen euch alle“-Liste ermittelt das BKA nicht, schreibt das Innenministerium. Ob die Länderpolizeien aktiv geworden sind, wisse man nicht. Domscheit-Berg kritisiert das: „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung nichts dazu sagen will, wie mit den rechten Feindeslisten umgegangen wird.“ Es gebe bundesweit ein Problem mit solchen Listen, „wir haben einen zunehmenden Rechtsterrorismus, rechte Netzwerke bei Polizei und Bundeswehr und die Bundesregierung tut so, als ginge sie das alles nichts an“.

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2 Ergänzungen

  1. Das ist allerdings ein Problem und ich fühle mich auch nicht mehr sicher in diesem Land.

    Für mein Engagement gegen Nazis in der Öffentlichkeit darf ich nun befürchten, auf so einer Liste zu stehen und kann darauf warten, dass ein Tötungskommando wie der NSU vorbei kommt, um mich am helllichten Tag auf offener Straße zu exekutieren.

    Das Verfahren und das Handeln der beteiligten Staatsorgane machen für mich den Eindruck, dass die Nazis dabei sogar noch mit Steuergeldern und Information aus erster Hand unterstützt werden, nicht gerade das was man in einem Rechtsstaat von Polizei und Co. erwartet.

    Vielleicht verlasse ich Deutschland einfach – lieber unter schlechteren Bedingungen leben, aber ohne diese Angst. Wenn es genug machen, dann haben sie ja was sie wollen, „Deutschland den Deutschen“ – ich bin sehr gespannt wer dann hier Straßen reinigt und in den Fabriken arbeitet wenn es nur noch Deutsche gibt. Ihren Döner müssen sie wohl dann auch eintauschen gegen Bratwürste – wohl bekommt’s.

  2. „(…) Während das BKA Bundestagsabgeordnete darüber informierte, gab es für die meisten anderen kein einheitliches Verfahren. Das ist auch bei rechten Feindeslisten ein Problem. (…) Sie bekommen weniger Aufmerksamkeit und sie bekommen von den Behörden eine andere Behandlung. (…)“

    Meines Erachtens ein Beleg dafür, dass herrschende und/oder privilegierte Personen unserer Gesellschaft mehr Schutz durch die Polizeibehörden genießen als die normalen Bürgerinnen und Bürger. Heißt es nicht im Artikel 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: “Alle Menschen sind gleich“; Muss man die deutschen Sicherheitsbehörden – und die Bundesregierung – an diesen elementaren Artikel erinnern?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.