BKA testet die europaweite Vernetzung von Polizeiakten

Seit Jahren wird über die Einführung eines europäischen Polizeiregisterinformationssystems diskutiert. Darüber könnten Behörden polizeiliche Ermittlungsakten in anderen Ländern abfragen. Unter Beteiligung des BKA werden Tests durchgeführt, die den Bedingungen eines „potenziellen Echtbetriebes“ entsprechen sollen.

Nach dem G20-Gipfel forderten deutsche PolitikerInnen eine europäische Datenbank zu „brutalen Krawalltouristen“. Über das EPRIS könnte sie Wirklichkeit werden. CC-BY 2.0 Thorsten Schröder

Die Europäische Union prüft weiterhin eine Vernetzung von Kriminalakten in den Mitgliedstaaten. Das antwortet das Bundesministerium des Innern in der Antwort auf eine Kleine Anfrage. Damit könnten Ermittlungsbehörden abfragen, ob bei einer ausländischen Polizeidienststelle Informationen über Verdächtige oder Beschuldigte vorhanden sind. Bislang ist nur ein Austausch über rechtskräftige Verurteilungen möglich.

Die Einführung eines europäischen Polizeiregisterinformationssystems (European Police Records Information System, EPRIS) wird von einigen Regierungen seit vielen Jahren gefordert. Dabei würden die ErmittlerInnen nach dem „Treffer/Kein-Treffer-Verfahren“ vorgehen: Abfragende Behörden können nicht direkt auf Daten in einem anderen Land zugreifen, jedoch nachfragen, ob Erkenntnisse zu bestimmten Personen vorhanden sind. Um die Daten zu bekommen, müssen sie ihre Anfrage begründen.

„Polizeifachlicher Bedarf“

In einer Machbarkeitsstudie wurde bereits der „grundsätzliche polizeifachliche Bedarf“ einer solchen Vernetzung festgestellt. Die von der Kommission beauftragte Studie wurde von belgischen Behörden zwar bereits 2015 fertiggestellt, sie werde jedoch immer noch ausgewertet, so das Innenministerium.

EPRIS ist Teil der „Strategie für das Informationsmanagement“ und soll einen „zielgerichteten Informationsaustausch“ befördern. Am Ende sollen zahlreiche polizeiliche und ausländerrechtliche Datenbanken unter dem Stichwort „Interoperabilität“ miteinander verschmelzen.

Zur möglichen Umsetzung von EPRIS hat die Europäische Kommission im April 2018 das Projekt „Automation of Data Exchange Processes“ (ADEP) gestartet. ADEP wird von Frankreich geleitet, neben Behörden aus Finnland, Irland und Spanien sind das Bundeskriminalamt (BKA) und Europol daran beteiligt.

Tests mit Fraunhofer-Software

In einem auf unbestimmte Zeit verlängerten Pilotprojekt testet das BKA im Rahmen von ADEP „die Vernetzung dezentraler Datenbestände“. Der Abgleich erfolgt mithilfe einer Software, die in der zuständigen Ratsarbeitsgruppe DAPIX als „German Universal Software“ (GUS) bezeichnet wird. Sie wurde vom Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme (Fraunhofer FOKUS) entwickelt. Welche Datenfelder dafür verwendet werden, ist laut dem Ministerium noch nicht entschieden.

Für den Austausch nutzt das BKA das Dateiformat UMF3+ und die sogenannte Ma3tch-Technologie, deren Verbesserung die Wiesbadener Behörde in einem anderen EU-Projekt vorantreibt. Abfragen und Antworten werden verschlüsselt übertragen, dabei verwenden die Beteiligten das verschlüsselte SIENA-System von Europol.

Europaweite „Störerdatei“?

Tests zwischen mindestens drei Mitgliedstaaten und Europol sollten im vergangenen Jahr beginnen. Dabei wird auch das Europol Information System (EIS) abgefragt. Vorerst werden keine echten Polizeiakten getauscht, sondern pseudonymisierte Testdaten. Gegen Ende der Pilotphase sollen aber Tests durchgeführt werden, „die so weit wie möglich den Bedingungen eines potenziellen Echtbetriebes entsprechen“.

Über EPRIS könnte auch der seit langem umstrittene Austausch von Daten zu „reisenden Gewalttätern“ eingeführt werden. Eine solche europaweite „Störerdatei“ fordern die verantwortlichen Innenministerien regelmäßig nach größeren Gipfelprotesten. Zuletzt hatten deutsche PolitikerInnen nach dem G20-Gipfel eine europäische Datenbank zu „brutalen Krawalltouristen“ ins Spiel gebracht. Frühere Anläufe scheiterten jedoch, weil es an einer europaweit gemeinsamen Definition für „Störer“ fehlt.

Eine Ergänzung

  1. Die „europaweit gemeinsame Definition“ kommt doch hoffentlich aus der Legislative und nicht aus der Exekutive ?
    Wie definieren denn die EU-Parlamente die Klassifikationen („Störer“, „Gefährder“, …), die dann auf Treffen wie G20 von den Polizeien angewendet werden?
    Bekommen wir unsere rechtsstaatliche Unschuldsvermutung (!) wieder zurück ?
    Ich erinnere mich vor allem an Journalisten, denen zu Unrecht eine Akkreditiv-Erlaubnis verweigert wurde beim G20 in Hamburg: klare gemeinsame Definitionen, gegen deren Grundrechts-einschränkende Wirkung, – falls man von Polizeien darin eingeordnet wird – , man sich dann persönlich wehren kann, einklagbar vor dem EUGH, wären ja auch eine Chance für Schutz.

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