Neue „Super-Überwachungsbehörde“ in China: Keine Dorflehrerin darf gegen Xi sein

In Zukunft können alle Staatsangestellten in Festland-China von der Kommunistischen Partei ausgespäht und inhaftiert werden. Damit beendet Präsident Xi selbst die formelle Trennung zwischen Staat und Partei bei der Strafverfolgung.

Das System der doppelten Strafverfolgung, eine interne für Parteikader und eine reguläre für Bürger, heißt auf Chinesisch „shuanggui“ ( 雙規), übersetzt doppelte Regulierung CC-BY-NC 2.0 Dan Foy

Das oberste Gesetzgebungsorgan Chinas, der Nationalen Volkskongresses, hat heute einer neuen Überwachungsbehörde der Kommunistischen Partei Chinas umfassende Befugnisse zur Kontrolle von Staatsangestellten erteilt. Die am Sonntag formell geschaffene Nationale Aufsichtskommission soll nicht wie bisher nur Parteikader, sondern alle Beamten überwachen, also auch Lehrerinnen und Professoren. Damit hebt China die bisher geltende formale Trennung zwischen Staat und Partei auf. Bei Korruptionsverdacht können Staatsbedienstete künftig bis zu sechs Monate ohne Anwalt festgehalten werden. Die investigativ arbeitende Aufsichtskommission arbeitet parallel zu regulären Strafverfolgungsbehörden und wird von keinem Gericht kontrolliert. Die renommierte South China Morning Post in Hongkong spricht von einer neuen „Super-Behörde“. Das Gesetz wurde mit 46 Gegenstimmen und Enthaltungen beschlossen.

Chinas Präsident Xi Jinping stattete sich selbst in den vergangenen Jahren mit einer wachsenden Machtfülle aus. Vor wenigen Tagen wurde ihm als erstem Präsidenten der Volksrepublik China eine dritte Amtszeit genehmigt. Die nun angekündigte Maßnahme stärkt die Rolle Xis als Staats- und Parteichef in China weiter. Das System staatlicher Überwachung in China durchzieht alle Lebensbereiche und wurde in den letzten Jahren immer weiter technisch aufgerüstet.

Ausbau der Macht der Partei

Trotz Einparteisystemen sind Partei und Staat in der Volksrepublik verwaltungstechnisch getrennt: Der Parteitag fand im Oktober statt, der staatliche Nationale Volkskongress endete heute. Mit der Zusammenlegung der ehemaligen Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei (CCDI) mit anderen staatlichen Aufsichtsbehörden verschwimmt nun die Linie zwischen Partei und Staat. Carl Minzner, ein Professor für chinesisches Recht und Politik an der US-Universität Fordham, sagte: „Das entfernt das Feigenblatt der Trennung zwischen Partei und Staat“

Unter der Super-Überwachungsbehörde wird die außergerichtliche Disziplinierung auf den gesamten Staatsapparat ausgeweitet. Am bisherigen zweigleisigen System –„shuanggui“–, nach dem Parteikader anderer Gerichtsbarkeit unterliegen als reguläre Bürger, gab es selbst von chinesischen Juristinnen und Juristen deutliche Kritik. Sie halten das Vorgehen der Zentralen Disziplinarkommission, Parteikader intern zu verfolgen, für verfassungswidrig. In fünf Jahren wurden medienwirksam 1,5 Millionen interne Verfahren gegen Parteikader eingeleitet, im gleichen Zeitraum sind 11 Personen in den inoffiziellen Gefängnissen gestorben.

Gegen Dissidenten im Staatsdienst

Mit der Ausweitung der Zuständigkeit der Aufsichtskommission auf Beamte auf allen Ebenen des Staates, ganz gleich ob Parteimitglied oder nicht, verdreifacht sich die Zahl der Überwachten. Die Parteibehörde inhaftiert Verdächtige ohne gerichtliche Anordnung, Anwaltsbeistand und oftmals ohne Benachrichtigung von Angehörigen. Ein Kapitel in der Verfassung wurde umgeschrieben, um die bisherige Praxis nachträglich zu legitimiert und zu institutionalisieren.

Der designierte Chef der Behörde, Yang Xiaodu, ist seit Oktober Mitglied im Politbüro der Partei. Seine Bestellung verwischt weiter die Trennung zwischen KP und Staat: Er ist nun Führungskader in beiden. Er gilt als Vertrauter Xi Jinpings, den er aus Shanghai kennt.

Ursprünglich hatte Präsident Xi Jinping angekündigt, das Parallelsystem von Parteigerichtsbarkeit und regulärer Strafverfolgung abzuschaffen. Stattdessen wurde nun das interne Disziplinierungsverfahren von Parteikadern auf alle Staatsangestellten ausgeweitet. Die neu geschaffene Super-Überwachungsbehörde wird alle Angestellten des Staates bis auf die unterste lokale Ebene kontrollieren: Auf Korruption und auf mögliche Dissidenten gegen Xi.

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10 Ergänzungen

    1. Danke Marc, da ist mir tatsächlich das falsche Schriftzeichen rein gerutscht. Ich hab die Bildunterschrift korrigiert. Die symbolische Darstellung als Parallelsystem funktioniert meiner Meinung dennoch.

  1. verschwimmt nun die Linie zwischen Partei und Staat

    Der Westen deutet China immer als ein Land, in dem es eine kommunistische Partei gibt. Die Kommunistische Partei Chinas sieht sich allerdings als eine Partei, die sich einen Staat hält. Die jüngsten Änderungen haben nur formalen Charakter und stellen die wahren Machtverhältnisse im Land transparenter nach außen dar, insofern ist das zu begrüßen. De facto geschieht in China seit Jahrzehnten alles gemäß Parteiwillen.

  2. Allgemein:
    Ich weis doch selbst welche Probleme es gibt und ich denke viele der Mitmenschen ebenso, aber jammert nicht immer das gleiche vor, sondern bietet und diskutiert mal Lösungsansatze, wie man die normeln Mitmenschen und (nix zu verbergen) dafür sensibilisieren kann.

    Ihr macht es doch selbst uninteressant, Überwachung ist ein problem aller egal welche Gesinnung jeder für sich hegt.

  3. M. E. besteht hier keinerlei Notwendigkeit von „Festland-China“ zu sprechen: „In Zukunft können alle Staatsangestellten in Festland-China von der Kommunistischen Partei ausgespäht und inhaftiert werden.“
    Es ist in diesem Kontext völlig eindeutig, dass es sich um China (die VR) handelt, insbesondere wenn im gleichen Satz von der Kommunistischen Partei die Rede ist. Die Republik China wiederum ist den meisten ohnehin nur als Taiwan bekannt und die Taiwaner selbst bezeichnen ihre Inselrepublik in den allermeisten Zusammenhängen ebenfalls mit Taiwan.
    Darüber hinaus hat die Bezeichnung „Festland-China“ eine politische Konnotation, denn sie stärkt das Narrativ der Kommunistischen Partei Chinas, dass Taiwan ein „abtrünniger Teil“ Chinas wäre, den es zu annektieren gälte.

  4. schade dass karl Marx nicht mehr lebt. Ich wäre echt an seiner Meinung darüber interessiert, was die chinesische …..Regierung so in seinem Namen so treibt….. .

    1. Naja, was ein Staat im Staat angeht, der nicht kontrollierbar ist und mit einer unglaublichen Machtfülle ausgestattet ist, können dir die US Amerikaner sicher viel erzählen.

      Aber auch unsere Geheimndienste scheinen sich in einer Welt ausserhalb der „normalen“ gesetzgebung zu befinden. Aber solange wir noch in der Lage sind, mit den Finger auf andere zeigen können, ist es bei uns nicht so schlimm. Haltet den Dieb!

      Ich frage mich, wie wir Korruption bekämpfen? Muss man dazu nicht die Politiker überwachen? Mein Gefühl ist, dass es gut wäre diese mehr zu überwachen

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.