Lebenszeichen aus dem Verkehrsministerium: Scheuer stellt neue Breitbandförderung vor

Lange blieb es still um das Förderprogramm des Bundes, das für zeitgemäße Internetanschlüsse in ganz Deutschland sorgen soll. Die heute vorgestellte Überarbeitung war notwendig geworden, weil Alexander Dobrindt seinem Amtsnachfolger Andreas Scheuer einen Scherbenhaufen hinterlassen hat.

Nach der desaströsen Amtszeit von Alexander Dobrindt (CSU) als Infrastrukturminister gibt es einiges zu kitten. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com chuttersnap

Nach monatelanger Funkstille hat heute Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ein überarbeitetes Bundesförderprogramm vorgelegt. Damit soll endlich Bewegung kommen in den stockenden Breitbandausbau, auf den rund ein Viertel der deutschen Haushalte immer noch warten. Insgesamt stellt der Bund künftig mehr Geld für den Ausbau bereit, verschlankt an einigen Stellen das komplizierte Verfahren und bietet Ausbauprojekten, die noch keine Verträge unterzeichnet haben, eine Upgrade-Perspektive in Richtung Glasfaser.

Die Kommunen könnten bis zu sechs Monate Zeit sparen, stellt Scheuer in einer Pressemitteilung in Aussicht. „Und Kommunen, die bislang auf Kupferkabel gesetzt haben, können ihre Projekte noch bis Jahresende auf Glasfaser umstellen.“ Anträge lassen sich ab dem ersten August stellen. Freilich gilt dies nur für Nachzügler, die noch mitten im Antragsverfahren stecken. Vorzeigeprojekte, die früh losgelegt und bereits mit dem Ausbau begonnen haben, gehen leer aus. Sie dürften in den meisten Fällen auf ihren mit Vectoring aufgemöbelten Kupferleitungen sitzen bleiben.

Gleichzeitig verdoppelt der Bund seinen Förderhöchstbetrag auf 30 Millionen Euro. Zu einer rasanten Zunahme von Glasfaserprojekten dürfte das jedoch nicht automatisch führen. Denn ein Upgrade eines Kupferprojekts erfordert wesentlich mehr Eigenmittel, sagt Holger Haupt vom Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt. Und da der Bund auch beim neu aufgelegten Förderprogramm nicht über seine eigenen Fördersätze hinausgeht, die zwischen 50 Prozent und – unter bestimmten Voraussetzungen – 70 Prozent liegen, müssen die Länder einspringen.

Nicht alle Länder haben Geld in der Kasse

Tatsächlich können Länder den Eigenmittelbeitrag finanzschwacher Kommunen übernehmen. Künftig soll dies noch einfacher werden, sagt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Denn mit der Novelle werde die „Definition der ‚Finanzschwäche‘ den realen Gegebenheiten vor Ort angepasst“ und somit den Forderungen der Länder entsprochen. „Ferner ist vorgesehen, dass bei einem Technik-Upgrade der erforderliche höhere kommunale Eigenbeitrag durch die Länder übernommen werden kann“, sagt das BMVI. Aber das kann nur dann klappen, wenn die Länder mitspielen.

Im Falle von Sachsen-Anhalt sieht es dabei nicht sonderlich rosig aus. Dort sind es „im wesentlichen EU-Mittel, die im Rahmen der Breitbandförderung durch das Land ausgereicht werden“, sagt Matthias Stoffregen aus dem Landeswirtschaftsministerium. Damit seien bislang Projekte unterstützt worden, etwa der Zweckverband Breitband Altmark, und selbstverständlich könnten die EU-Fördertöpfe auch für Upgrades angezapft werden. Viel ist davon aber augenscheinlich nicht mehr übrig: „Immerhin ist ein einstelliger Millionenbetrag derzeit noch nicht gebunden“, sagt Stoffregen.

Ambitionierte Projekte müssen sich also doppelt überlegen, ob sie den Upgrade-Schritt finanziell stemmen können. Und haben sie sich für ein sogenanntes Wirtschaftlichkeitslückenmodell entschieden, das den Ausbau für Netzbetreiber rentabel macht, fällt die Kalkulation noch knapper aus: „Beim Wirtschaftlichkeitslückenmodell entstehen keine Einnahmen durch Verpachtung, die Eigenmittel sind aus dem Haushalt zu nehmen“, gibt Haupt aus Börde zu Bedenken. „Gibt es kein Geld im Haushalt, gibt es auch kein mehr an Eigenmitteln.“ Dies treffe nicht nur für die Gemeinden zu, sagt Haupt.

Schutz gegen Überbau

Immerhin müssen Kommunen nicht mehr fürchten, dass sie Zeit und Geld in Projekte stecken, um dann mitanzusehen, wie ein bislang uninteressierter Betreiber plötzlich doch im gleichen Gebiet ausbaut. Besonders die Telekom Deutschland hat diesen sogenannten „Überbau“ bestehender oder geplanter Infrastruktur ausgereizt und damit die Mischkalkulation regionaler Ausbauprojekte hintertrieben. Künftig trägt das BMVI diesem Rosinenpicken Rechnung, indem es gegebenenfalls nachträglich die Fördersumme anheben wird. Das soll die größere Wirtschaftlichkeitslücke oder entgangene Pachteinnahmen ausgleichen.

Für Landkreise, die noch ganz am Anfang stehen, entfallen eine ganze Reihe an bisher notwendigen Schritten. So schafft das BMVI das Scoring ab. Dieses war einerseits zeitaufwändig, weil vor Antragstellung ein umfassender Kriterienkatalog abgearbeitet werden musste. Andererseits haben dessen Rahmenbedingungen verhältnismäßig schnell und billig realisierbare Ansätze bevorzugt, was in der Praxis zu vielen kupferbasierten Vectoring-Projekten der Telekom Deutschland geführt hat.

Für diese Ausrichtung hat sich die letzte Bundesregierung entschieden, um das 2013 leichtfertig ausgegebene Bandbreitenziel von „50 MBit/s für alle bis Ende 2018“ zu erreichen. Die Vorgabe war ohnehin nur schwer zu erreichen, wurde aber durch die Inkompetenz von Scheuers Amtsvorgänger, Alexander Dobrindt (CSU), endgültig gegen die Wand gefahren. So steht Deutschland, eines der reichsten Länder der Welt und der Wirtschaftsmotor Europas, vor der paradoxen Situation, auf der einen Seite erhebliche Ressourcen in den kupferbasierten Zwischenschritt Vectoring gesteckt, ohne sich auf der anderen Seite eine flächendeckende Versorgung gesichert zu haben. Und es in Zeiten von Hochkonjunktur und Budgetüberschüssen nicht schafft, das vorhandene Geld auch tatsächlich auszugeben.

Wie mager die bisherige Ausbeute des milliardenschweren Förderprogramms geblieben ist, machte zuletzt eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Margit Stumpp deutlich: Gerade mal zwei vollständig umgesetzte Ausbauvorhaben und im bundesweiten Schnitt weniger als ein Prozent ausgeschütteter Fördermittel für bewilligte Projekte lautet die Bilanz des Dobrindt-Programms.

Aufgreifschwellen bleiben unverändert

Künftig nicht mehr notwendig ist ein Wirtschaftlichkeitsvergleich zur Begründung des gewählten Fördermodells. Viele Kommunen haben sich in den letzten zwei Jahren gegen das alternative Betreibermodell entschieden. Dabei verbleibt die neu gebaute passive Infrastruktur – in aller Regel echte Glasfaserleitungen bis ins Haus – in der Hand der Gemeinde, die sie dann an Netzanbieter verpachten kann. Das ist zwar deutlich zukunftsfester und nachhaltiger als ein schnell quersubventioniertes Vectoring-Projekt eines privaten Betreibers, braucht aber bessere Planung und längere Amortisierungszeiträume.

Auffällig abwesend in der neuen Förderrichtlinie sind die nicht angehobenen Aufgreifschwellen. Nach EU-Beihilferecht dürfen Regionen, die bereits mit mindestens 30 MBit/s im Download versorgt sind, nicht mit öffentlichem Geld beim Ausbau unterstützt werden. Das soll dafür sorgen, das private Anbieter nicht vom Markt verdrängt werden. Im Koalitionsvertrag ist freilich von einer Anpassung dieser Schwellen die Rede. Unter der Hand ist aus EU-Kommissionskreisen zu vernehmen, dass sich Brüssel nicht querstellen wird, wenn Deutschland einen entsprechenden Vorschlag zur Notifizierung vorlegt. Aber der ist bislang noch nicht eingelangt.

Laut Jens Zimmermann, dem digitalpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, arbeite die Regierung an einer Lösung, um auch die grauen Flecken schnell zu schließen. Dabei geht es um Regionen, die eine Versorgung zwischen 30 und 50 MBit/s im Download haben und Gefahr laufen, mittelfristig auf dem Abstellgleis zu landen. Für die Aufgreifschwellen gelte der Koalitionsvertrag, sagt Zimmermann. „Sie müssen auf europäischer Ebene geändert werden.“ In der Tat will das BMVI in einem nächsten Schritt ein weiteres Förderprogramm erarbeiten und mit der Kommission abstimmen, „das den Ausbau von Gigabitnetzen in den übrigen nicht gigabitfähigen Gebieten unterstützt“, sagte uns die BMVI-Pressestelle.

Die unveränderten Aufgreifschwellen sieht auch Anke Domscheit-Berg, netzpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, als Problem. Zwar sei es zu begrüßen, sollte die „Antragstellung für die Kommunen tatsächlich einfacher“ werden. Das sei bisher ein „Riesenproblem“ gewesen. Aber die künstliche Grenze von 30 MBit/s für staatliche Zuschüsse „bedeutet, dass Ausbau nur da gefördert wird, wo es weniger als 30 MBit/s Internet gibt – und alle anderen eben nicht.“

Die Tücken angebotsorientierter Modelle

Ungeachtet dessen bleibt aber immer noch die Tatsache, dass in Deutschland von den wenigen Glasfaseranschlüssen, die es gibt, immer noch viele nicht genutzt werden. Besondern deutlich tritt das zutage, wenn ein in der Regel auf Vectoring setzender Wettbewerber ein wenige Euro billigeres Produkt anbietet. Dem will die Branche mit nachfrageorientierter Förderung begegnen und schlägt schon seit Jahren eine Gutscheinlösung vor. Die Prämie soll dem Vorschlag des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (Breko) zufolge bis zu 1.500 Euro betragen, der Haushalten einen neu verlegten Glasfaseranschluss schmackhaft machen soll.

„Auf diese Weise schließen wir Bürger und Unternehmen nicht nur an die beste digitale Infrastruktur an und machen sie so fit für die digitale Zukunft, sondern erhöhen auch den Wert der Immobilien“, sagt Breko-Geschäftsführer Stephan Albers. Wenig überraschend stößt dieser Vorschlag besonders bei Eigenheimbesitzern auf offene Ohren. Wie jüngst eine repräsentativen Umfrage des Branchenverbands Bitkom ergab, ist zwar eine Mehrheit von Immobilienbesitzern der Meinung, dass sich damit deren Wert steigern ließe. Selbst dazu beitragen wollen sie aber nichts. So stellt das BMVI eine Nachfragestimulation in Aussicht, etwa in Form eines Gutscheinsystems, über die zu diskutieren sein werde. Dieses sollte über die bestehende Regelung zur Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen im Zuge des Netzausbaus hinausreichen.

Umverteilung von unten nach oben verhindern

Solche Maßnahmen helfen durchaus, wenn angebotsorientierte Modelle an ihre Grenzen stoßen. Allerdings können sie sich als zweiseitiges Schwert entpuppen und im schlimmsten Fall zu einer Umverteilung von unten nach oben führen, sollten sie nicht genügend austariert sein. Schließlich zählen Eigenheimbesitzer ohnehin zu den reicheren in unserer Gesellschaft, die zudem von vielen Annehmlichkeiten profitieren wie gegebenenfalls vom frisch beschlossenen, großzügig gehaltenen Baukindergeld.

Vermutlich wäre ein nachfrageorientierter Ansatz mit hohen Mitnahmeeffekten verbunden, schätzt der Telekommunikationsexperte Andreas Neumann vom Institut für das Recht der Netzwirtschaften, Informations- und Kommunikationstechnologie (Irnik). Aber gut durchdacht könnte am Ende ein seriöses Modell hinauskommen: „Wenn das Ziel der Gigabit-Gesellschaft wirklich so wichtig ist, wäre das daher eventuell durchaus ein ‚Preis‘, den man zahlen könnte“, sagt Neumann.

„Die Vereinfachungen des Verfahrens sind jedenfalls ein großer Schritt in die richtige Richtung“, sagt Neumann zum überarbeiteten Förderprogramm. Eine andere Frage sei aber, ob der staatlich geförderte Ausbau generell die Speerspitze des Breitbandausbaus sein kann – schon alleine deshalb, weil sowohl die EU als auch Deutschland weiterhin einen marktgetriebenen Ansatz gesetzlich verankert haben.

Wenn man die Misere in der fehlenden Versorgung solcher weißen Flecken sehe, sagt Neumann, dann sei genau das Grund für die Notwendigkeit staatlicher Förderung. „Man sollte aber eben auch im Hinterkopf behalten, dass selbst die Regionen, in denen sich ein eigenwirtschaftlicher Ausbau rechnet, schlichtweg nicht innerhalb von zwei, drei Jahren bundesweit erschlossen werden können, wenn man nicht alle ökonomische Logik hintanstellt, um politisch definierte Schaufensterziele zu erreichen.“

Update, 5. Juli 2018: Antworten des BMVI eingepflegt und den Abschnitt zur Gutscheinlösung ausgebaut.

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