Geheimdienste: Farce um angeblich geheime Verwaltungsvorschriften

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Alles „geheim“ – auch das, was schon öffentlich ist.
CC BY-NC-ND 2.0 via flickr/Chris Beckett

Über eine politische Posse um Geheimdienste und Geheimhaltung schreibt Kai Biermann bei „Zeit online“. Die Bundesregierung verweigerte Auskünfte unter Verweis auf angeblich geheime Richtlinien für die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten: Die aber waren gar nicht geheim, sondern bereits öffentlich.

Die Befugnisse der Geheimdienste sind nicht nur in Gesetzen wie dem BND- oder dem G10-Gesetz geregelt, sondern auch in weiteren Bestimmungen und Vorschriften. Für die interessieren sich schon mal aufmerksame Abgeordnete und Datenschützer. Biermann berichtet von einer Frage der Linken-Parlamentarierin Martina Renner nach gesetzlichen Grundlagen und Bestimmungen für „V-Leute“ der Geheimdienste. Auch Maja Smoltczyk, die neue Datenschutzbeauftragte von Berlin, musste monatelang darum betteln, endlich einen Blick in Richtlinien werfen zu dürfen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen.

Man brachte das beliebte, aber etwas abgenutzte Argumentationsmuster: Die „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ sei gefährdet, wenn diese Vorschriften offengelegt würden. Biermann aber kauft der Bundesregierung das ganze Affentheater um die angeblichen Verschlusssachen nicht ab, kramt kurzerhand die Richtlinien aus einem Buch in der Bibliothek hervor und beweist damit, dass sie längst offengelegt sind.

Wenn diese Richtlinien aber gar nicht geheim sind, stellt sich die Frage:

Warum aber redet die Bundesregierung dann von einer Gefährdung für die Sicherheit? Vielleicht, weil diese Richtlinie seit vielen Jahren für peinliche Pannen und lästige Fragen sorgt?

Kai Biermann kommentiert die „Schweigeklauseln“ und wirft in diesem Zusammenhang einen Blick auf vergangene und aktuelle politische Skandale. Er schreibt zu den Motiven, dass sich der Eindruck aufdrängen würde, dass…

…die Geheimdienste die Richtlinie nur hervorkramen, wenn sie eine Begründung brauchen, warum sie gerade lieber den Mund halten, als bei der Jagd nach Terroristen zu helfen.

Die Standardausreden für Geheimhaltung werden eben selten hinterfragt. Die politische Öffentlichkeit hat sich daran gewöhnt, dass die unantastbaren Geheimdienste die Aufklärung blockieren statt daran mitzuwirken und dass sie das eigene Versagen zu kaschieren suchen.

Befreite Geheimdienst-Vorschriften

Die Verwaltungsvorschriften, die einst die Innenministerkonferenz beschlossen hatte, haben den Titel: „Richtlinien für die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes, der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden in Staatsschutzangelegenheiten“. Den Wortlaut dieser Bestimmungen aus dem Jahr 1973 befreit „Zeit online“ aus dem Schattendasein der Bibliothek und stellt den Auszug aus dem vergriffenen „Handbuch des Verfassungsschutzrechtes“ dankenswerterweise online.

Nun wird man neue politische Ausreden suchen müssen. Vielleicht wäre es langsam an der Zeit, die polnische Lösung für die verantwortlichen Politiker einzuführen.

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4 Ergänzungen

  1. § 11
    (1) Für die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft und der Polizei mit den in §§ 1-3 genannten Behörden gilt § 4 Satz 1 unter Berücksichtigung der Belange des Ermittlungsverfahrens entsprechend. Im Übrigen wird auf Nr. 220 RiStV und Nrn. 2 und 3 MiStra hingewiesen.

    Wofür stehen die Abkürzungen RiStV und MiStra? Wo findet man diese?

  2. So etwas wie „Einstufungsmissbrauch“ scheint es nicht zu geben. Und ich bin kein bisschen überrascht. Aber selbst wenn es so etwas geben sollte, dann bliebe es sicherlich unsanktioniert. Wie ja im Grunde alles, was der Sicherheitsapparat verbicht.

    Statt zu Klagen könnte man sich eine Zehnerkarte basteln und mit ner alten Schaffnerzange jedesmal ein Loch reinknipsen, wenn mal wieder irgendeine Illegalität festgestellt und nicht sanktioniert wurde.
    Wer ne Karte voll hat, kriegt ne Currywurst.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.