Chaos im Verkehrsministerium: Kritik des Bundesrechnungshofes perlt ab

Sieht die Kritik gelassen: Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) CC BY-NC-ND 2.0, via flickr/International Transport Forum

Ein vernichtender Bericht des Bundesrechnungshofes (BRH), der dem Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Misswirtschaft und Planlosigkeit beim Breitbandausbau attestiert, ist mit mehrmonatiger Verspätung nun endlich im Haushaltsausschuss des Bundestages angekommen.

Wie bereits im Oktober berichtet, kritisieren die Prüfer die schlechte Planung beim Aufbau der neu errichteten Abteilung „Digitale Gesellschaft“, die die Bereiche Breitbandförderung, die Netzallianz sowie „Strategische Aspekte der Digitalen Infrastruktur und Gesellschaft“ betreut.

So habe das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) „wesentliche Grundsätze eines geordneten Verwaltungshandelns nicht beachtet“ und eine „strukturierte Vorgehensweise“ vermissen lassen, heißt es in der zusammenfassenden Bewertung. Als Folge drohten unter anderem verschwendete Gelder und Verzögerungen bei der Vergabe von Fördermitteln.

Verkehrsministerium verzichtete auf Stellungnahme

Trotz der unmissverständlichen Kritik verzichtete das BMVI selbstbewusst auf eine Stellungnahme, sodass der Bericht unverändert an den Haushaltsausschuss übermittelt wurde – und dort auf weitere und abschließende Bearbeitung wartet. Bis zu einer finalen Fassung des Berichts könne es aber noch ein wenig dauern, erklärte uns ein BRH-Sprecher: Man könne sich an Fälle erinnern, die sich zwei Jahre lang hingezogen hätten.

Ob dem vorliegenden Bericht ein ähnliches Schicksal droht, bleibt freilich unklar. Wie schon im Herbst hielt das BMVI auf Anfrage die Anmerkungen des BRH für „nicht nachvollziehbar“. Man habe lediglich neue Zuständigkeiten erhalten, dafür neue Personalstellen bekommen und diese in der neuen Abteilung „Digitale Gesellschaft“ gebündelt. Bitte weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen.

Rückendeckung erhielt der Minister von seinem Parteikollegen Norbert Brackmann (CDU), dem zuständigen Berichterstatter im Haushaltsausschuss. Die neu geschaffenen Stellen im BMVI habe der Ausschuss genehmigt und den Bedarf das Finanzministerium geprüft. „Die Organisationshoheit wiederum liegt einzig und allein beim Verkehrsministerium selbst und entzieht sich der politischen Beschlussfassung“, teilte uns ein Sprecher des Abgeordneten mit.

„Keinerlei Erfahrungswerte“

Die mangelhaften Berechnungen zum Mittelbedarf seien darauf zurückzuführen, dass für den Breitbandausbau „keinerlei Erfahrungswerte“ bestünden und man deshalb, wie auch die Länder, auf „Schätzungen und Prognosen“ angewiesen sei. „Die Gelder sind eher zu knapp bemessen als zu großzügig“ – eine Bewertung, die wir teilen, die aber am Kern des Kritikpunktes vorbeigeht:

Dass es trotzdem Sinn ergibt, den Bedarf zu ermitteln, zeigt sich freilich, wenn man den Spieß umdreht: „Im Falle eines zu geringen Betrages könnte es sein, dass das selbstgesteckte Ziel der flächendeckenden Versorgung nicht erreicht wird,“ so der Bericht.

Zudem sei der BRH-Bericht schon Gegenstand von Beratungen im Herbst gewesen. Sowohl im Berichterstattergespräch als auch in den Beratungen im Haushaltsausschuss habe das BMVI alle Fragen „uneingeschränkt beantwortet, auch die der Opposition“, betonte der Sprecher. Auch bei der Haushaltsaufstellung für 2016 habe man die Kritikpunkte des BRH berücksichtigt, daraus jedoch keine Konsequenzen für den Haushalt 2016 gezogen.

Aus den Büros des Koalitionspartners SPD erhielten wir keine Antwort.

Der Obmann der Linksfraktion im Haushaltsausschuss, Roland Claus, konnte uns den nach wie vor nicht offiziell veröffentlichten Bericht bestätigen, sich aber momentan nicht weiter dazu äußern. Für Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen, ist das „Chaos im Verkehrsministerium unerträglich“ und verhindere einen schnellen Breitbandausbau. Konstantin von Notz, Sprecher für Netzpolitik, machte „netzpolitisches Chaos“ in der Bundesregierung aus und bezeichnete die BMVI-Abteilung „Digitale Gesellschaft“ als „ein mit äußerst heißer Nadel gestricktes Marketinginstrument“. Der Bericht lese sich „wie ein Handbuch des Scheiterns“, meinte die Sprecherin für digitale Infrastruktur, Tabea Rößner: „Es ist unfassbar, dass der Minister zwei Milliarden Euro ausgeben will, ohne sich vorher einen Überblick über die notwendigen Ausbaumaßnahmen verschafft zu haben“.

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9 Ergänzungen

  1. Als ehemaliges Mitglied in der Ev. Kirche erinnere ich mich an eine Stelle in der Bibel, da steht….
    > und fürchtet Euch nicht, denn siehet, ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende.

    Ein großer Teil unserer verantwortlichen Politik entspringt der „Generation Bildungsmisere“.
    mfg R.K.

    1. > fürchtet Euch nicht, denn siehet, ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende.

      Die Allmacht Gottes hat bekanntlich praktische Grenzen. Diesen Mangel beseitigen NSA und Verfassungsschutz.

  2. Das ganze Ministerium für „Verkehr“ ist seit Beginn an nur eine Müllablade: Ursprünglich wurde es erfunden, um in der Ministerriege einen Alibi-Ostdeutschen einzusetzen, der nicht viel Schaden für „Westdeutschland“ anrichten kann. (Was ist das eigentlich, Westdeutschland? Das existierte doch auch nur bis 1990. Seit dem kommt aus dem westdeutschen Teil nur noch Wetter. Also nach Ostdeutschland. Wegen des Golfstroms. Nicht etwa wegen der Kompetenz.)

    Inzwischen hat man die Datenautbahn auch irgendwie in diesem Ministerium verortet. Und nicht nur das: Jetzt ist man auf die Idee gekommen, dass es wohl besser gewesen wäre, neben dem Kabel für das Pannentelefon die ganzen Jahre auch noch eine Faser aus Glas zu verlegen. Die Telefone verschwinden, aber die Fader war noch nie da. Wie lustig. Ok. Nennen wir es nun also Infrastrukturministerium. Aber dazu würden auch Energiepolitik, Medienpolitik, Wohnungsbau, Industrieförderung gehören. Von deren Lobbyisten will sich aber natürlich der Wirtschaftsminister abschlecken lassen.

    Ein Ministerium, dass als 5. Wagenrad erfunden wurde und seit dem so behandelt wurde, muss irgendwie chaotische Mermale herausbilden. Man denke an das Haus, dass in Rom Verrückte macht. Man schlage es mit den eigenen Waffen: Passierschein A39!

    Beste Grüße!

    1. Sorry: Die Datenautobahn nicht mit Darth Vader verwechseln! Es muss heißen:

      >> Die Telefone verschwinden, aber die „Faser“ war noch nie da. Wie lustig. <<

  3. Vielleicht sollte sich dieser Herr besser um die Sicherheit des Schienenverkehrs kümmern als um fremdenfeindliche Vorhaben wie Ausländermaut oder die Terrorisierung der gesamten Bevölkerung per Vorratsdatenspeicherung.

  4. Hatte nicht „Mutti“ seinerzeit die Idee, Deutschland als den digitalen Standort Nr.1 auszubauen? Liebe Mutti, Du wirst jetzt bestimmt enttäuscht sein, wenn ich Dir sage, dass das mit diesem Personal niemals etwas werden wird. Dazu fehlt es dem lieben Alexander gehörig an Sachkenntnis. Ich vermute mal, in seinem Ressort wird nach dem Motto „was die rechte Hand nicht schafft, lässt die linke liegen“ gearbeitet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.