Open Data und die digitale Verwaltung unter Rot-Rot-Grün
Derzeit sieht es danach aus, dass es zu einer rot-rot-grünen Koalition in Berlin kommt. In den Wahlprogrammen aller Parteien, die jetzt im Abgeordnetenhaus sitzen, fanden sich Passagen zu digitaler Verwaltung und auch zu Open Data. Die AfD verliert zu diesen Themen einige wenige Sätze.
Als sicher kann gelten, dass das eGovernment-Gesetz, das dieses Jahr im Land verabschiedet wurde, von der neuen Regierung umgesetzt wird. Dabei geht es im Wesentlichen um die Einführung der elektronischen Akte (bis Ende 2022), effiziente Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern sowie die Zentralisierung der IT in dem Dienstleistungszentrum ITDZ (bislang werden IT-Anschaffungen und -Verfahren in den rund siebzig Verwaltungseinheiten zum Teil unabhängig voneinander geregelt). Um diese Zentralisierung voranzutreiben, soll es wieder einen IT-Staatssekretär (CIO) geben. (Staatssekretäre sind die höchsten (politischen) Beamten, direkt unterhalb des Ministers/Senators angesiedelt.)
Dumb City
Diese Maßnahmen werden wohl kaum Jubel in der Stadt ausbrechen lassen. Es ist schlicht zu erwarten, dass Politik und Verwaltung – von Bürgern und Unternehmen durch Steuern finanziert – ihren Job richtig machen und die Infrastruktur für die Gesellschaft bestmöglich organisieren.
Jedenfalls will die SPD laut ihrem Wahlprogramm einen „Innovationsschub“ erreichen: „Zusammen mit Berliner Start-ups und der Wissenschaft soll eine zentrale Innovationseinheit in der Berliner Verwaltung Prozesse reformieren.“ Da dürfte sie sich mit den Grünen einig werden, die eine „Digitalwende Agentur“ einrichten wollen. Diese soll die „Digitalisierung unserer Landesunternehmen sowie der Öffentlichen Verwaltung unterstützen“. Dafür soll die Agentur Pilotprojekte, beispielsweise in Kooperation mit Hochschulen im Land, anschieben.
Eine Gefahr, die in diesem Zusammenhang droht, ist, dass viel Energie für die mit Buzzwörtern aufgepumpte „Smart City“ aufgewandt wird: Deren Konzept scheint mehr auf den rundum überwachten solventen Konsumenten als den mündigen Bürger ausgerichtet zu sein. Sinnvoller wäre es vielmehr, in der in digitaler Hinsicht „dumb city“ Berlin die Infrastruktur für „smart citizens“ aufzubauen: Gemeinsam mit ihnen sollten Dienste entwickelt werden, die sie wirklich benötigen. Doch im Weg steht hierbei eine Mentalität in der deutschen Verwaltung, die den Bürger wohl immer noch als Untertan begreift:
„Wie auch in den vergangenen Jahren verhärtet sich der Eindruck, dass der Bürger insgesamt, vor allem aber bei der Digitalisierung, für die Verwaltungen nicht im Vordergrund steht. Eine vermehrte Beteiligung und Einbindung von Bürgern, der Transparenzdruck gegenüber Bürgern, Medien und sozialen Netzen sowie die Umsetzung von Open-Data-Vorhaben werden nur von relativ wenigen Behörden als zentrale Herausforderungen wahrgenommen. Gleichzeitig zeigt sich eine hohe Skepsis gegenüber der stärkeren Einbindung von Bürgern beim Design von digitalen Verwaltungsleistungen.“
So steht es in einer Studie der Hertie School of Governance aus diesem Sommer u. a. zum „Stand der Digitalisierung und genereller Entwicklungen und Trends der Verwaltungsmodernisierung“. Auf einen Fragenkatalog hatten immerhin 250 „Behördenleiter und Entscheidungsträger“ von 1.200 kontaktierten Behörden der Bundes-, Länder- und Gemeindeebene reagiert.
Also dürfte eine große Herausforderung für die neue Koalition sein, einen Kulturwandel innerhalb der Verwaltung zu befördern. Helfen kann dabei, dass viele tausend Stellen in den kommenden Jahren neu besetzt werden müssen (die Babyboomer-Generation kommt ins Pensionsalter). Erleichterungen, wie sie die SPD für Quereinsteiger in die Verwaltung anstrebt, sind da nur ein Schritt. („Wir werden alle Laufbahnen des öffentlichen Dienstes künftig für jede Bewerberin bzw. jedem Bewerber öffnen, der über einen staatlich anerkannten Abschluss verfügt.“)
Will man dem durchaus vorhandenen Pool an digital Arbeitenden in Berlin ein interessantes Arbeitsumfeld bieten, steht und fällt der Erfolg dabei nicht nur mit der Höhe des Gehalts: Stark hierarchische und autoritäre Verhältnisse dürften abschreckend wirken. Es gibt sicher genug Personen im vielbesungenen kreativen Milieu und der Techie-Szene Berlins, die statt in prekären Jobs oder für rein kommerziell orientierte Firmen lieber für die Gesellschaft arbeiten würden. Ob es gelingt, sie konstruktiv einzubinden – ohne sie abzuwürgen –, wird eng mit der Glaubwürdigkeit und Kompetenz der dafür zuständigen Personen zusammenhängen.
Open nicht als Selbstzweck
Nach knapp acht Jahren Open-Data-Bewegung ist es an der Zeit für eine Bestandsaufnahme. Die Idee und das Ideal Open Data bleibt richtig, doch zeigt sich, dass es allein quantitativ verstanden wenig bringt: Viel Open Data ist weder gleich mehr Demokratie noch mehr Wertschöpfung. Ohne ein Ökosystem, in dem Open Data nicht nur technisch, sondern auch finanziell gefördert und nicht zuletzt politisch eingebettet ist, funktioniert es als Potemkinsches Dorf, als herausgeputzte Kulisse einer Scheindemokratie.
Insofern sollte der pauschale Ruf nach einem „alles veröffentlichen“ (was keine personenbezogenen Daten enthält) überdacht werden. Die Linkspartei schreibt ihn ihrem Wahlprogramm von einem Fokus auf Daten, „die von großem Nutzen für die hier lebenden Menschen sind oder von gemeinnützigen Initiativen oder lokalen Unternehmen nutzbar gemacht werden können“. Selbstredend spricht nichts gegen ein Transparenzgesetz, das den Zugang zu Informationen der Verwaltung deutlich vereinfacht. Doch der Großteil der Daten, die sich durch eine pauschale Veröffentlichungspflicht in Datenkatalogen finden würde, dürfte wenig von Nutzen sein.
Priorität sollten tatsächlich Datensätze erhalten, die im Alltag der Bevölkerung relevant sind (was Priorität hat, sollte aber nicht allein Politik und Verwaltung festlegen). Das würde auch helfen, die exklusiven Konzepte von Open Data und Open Government mehr Menschen jenseits einer digital-technischen Szene zugänglich zu machen. Beispielsweise könnten „Echtzeit“-Daten aus der Verkehrsmeldezentrale der Stadt über eine Schnittstelle zugänglich gemacht werden (derzeit sitzen auf diese Daten ein Konsortium von Siemens & DaimlerChrysler). Auch gehören die Ratsinformationssysteme für die Bezirks- und Landespolitik geöffnet und mit moderner Funktionalität ausgestattet. Projekte wie Politik bei uns und Kleine Anfragen weisen den Weg. Und was spricht dagegen, selber Daten über das Leben sowie die Situation in der Stadt zu erheben und offen zur Verfügung zu stellen? Siehe das Beispiel Chicago: Dort wird nun ein offenes Sensorennetzwerk etabliert.
Mehr als Selbstverständliches
Der eigentliche Auftrag an eine rot-rot-grüne Landesregierung ist aber, über das im Jahr 2016 Selbstverständliche hinauszudenken: Was kann offenes Regierungshandeln, Open Government in Zukunft bedeuten? Ist es sinnvoll, sich noch einmal mit dem Gedanken von einer „Regierung als Plattform“ zu befassen? Wie lässt sich möglicherweise selber gute Open-Source-Software entwickeln? Sollte eine Stadt wie Berlin nicht selbst eine Schar von Entwicklern dafür beschäftigen? Wie könnten neue Modelle der Kollaboration zwischen Initiativen, NGOs, Presse, Firmen, Politik und Verwaltung gestaltet werden? Wie könnten Schnittstellen und Plattformen aussehen, die zeitgemäß und zukunftsfähig Informations- und Beteiligungsformen zusammenbringen? Das Portal mein.berlin.de kann davon nur der Anfang sein.
Wie bereitet man eine Stadt auf einen sich abzeichnenden Wandel im Individualverkehr durch (teil-)autonome Fahrzeuge vor? Sinnvolle digitale Konzepte für die Organisation der Mobilität sind vonnöten und müssen nicht der Privatwirtschaft überlassen werden. Überhaupt sollte das Thema Automatisierung auch hinsichtlich einer Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung gedacht werden. Denn egal, ob man es Machine Learning, Künstliche Intelligenz oder schlicht Software nennt: Die Digitalisierung von Arbeitsprozessen wird voranschreiten. Wie schnell das geht, wird sich zeigen. Warum sollte Politik hier nicht mal vorne mit dabei sein als hinterherzuhecheln?
Der Verwaltung ist das Fussvolk abhanden gekommen – und jetzt sollen es die Kreativen richten? Vielleicht doch besser wieder einen Henker einstellen?
Sehr guter Artikel! Einzig störend: Die vielen Rechtschreibfehler..
Ich weiß nicht, wo Du da welche gefunden hast. :}
Ja, was ist bloß mit den Korrekturabteilung bei netzpolitik.org los.
Meinten Sie, „der“ Korrekturabteilung?
Ha, genau, das. Danke fürs korrigieren. Wusste nicht, dass so eine Abteilung gibt. Kann ich nächstes Mal vor Veröffentlichung um eine Revision bitten?
Hmm, der Text ist immer noch nicht frei von Rechtschreibfehlern.
Möglicherweise ist nur eine „Korrekturabteilung“ doch zu wenig.
Aber die Texte der Qualitätspresse sind auch nicht fehlerfreier. Dort arbeitet jedenfalls das billige Personal, und es muss fast immer auch noch schnell schnell gehen.
Und ja, es macht mehr Spaß, den Fehler nicht genau zu bezeichnen, denn Übung macht den Meister! Nein, nicht diesen :}, aber den anderen.
Na komm, Klugscheißerin, nenn doch einen, nur einen.
Hmmm, welche Rechtschreibreform wird den Präferiert?
Im übrigen … bei N-tv lässt das Korrekturlesen auch sehr zu wünschen übrig … und das ist ein Nachrichtensender!
Netzpolitik ist eher ein Journalistisch/Redaktionell geführter Blog …
Da sind Fehler nicht auszuschließen … gut das hier nicht in bayrischer Mundart geschrieben wird!