#TTIP: USA wollen Mitspracherecht in der Gesetzgebung von EU, Staaten und Bundesländern bekommen.

Im Rahmen der TTIP-Verhandlungen wird gerade diskutiert, inwiefern die EU-Kommission den USA ein Mitspracherecht bei unserer Gesetzgebung von Landes- bis EU-Ebene geben will. In Brüssel gibts ja bei vielen (netzpolitischen) Vorhaben bereits den Running-Gag, dass die Kommission eine weitere Direktion namens US-Regierung hat, da diese ständig zu allem, was z.B. den Datenschutz betrifft, mitreden möchte. Und sich dann immer selbst einlädt. Das geht natürlich noch optimiert.

Der FAZ liegt jetzt ein zehnseitiges Verhandlungsangebot in der Beta-Fassung vor, was die EU-Kommission an die USA schicken möchte: Amerika soll bei unseren Gesetzen mitreden . Konkret geht es um diesen Vorschlag.

Im Mittelpunkt soll ein Frühwarnsystem für neue Gesetze und Standards stehen. Mindestens einmal im Jahr sollen beide Seiten eine Liste der geplanten Vorhaben veröffentlichen, heißt es in Artikel 5 des Papiers – und zwar auf zentraler und nichtzentraler Ebene, also auch auf Ebene der Bundesländer. Sie sollen dabei ebenso Zuschnitt und Ziele des Vorstoßes nennen wie einen Zeitplan und Angaben zu den Folgen wichtiger Vorhaben für den transatlantischen Handel und Investitionen. Jedem Betroffenen soll ausreichende Gelegenheit gegeben werden, um sich zu dem Vorschlag zu äußern.

Enie super Idee, das wird sicher die Gesetzgebung beschleunigen und zu mehr Demokratie führen…

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29 Ergänzungen

  1. Demokratie heisst für den Menschen „Wahlen“. Eigentlich aber bedeutet es die Herrschaft des (eigenen) „demos“ (~Staatsvolk), zu dem die Wahlen nur ein Mittel zum Zweck sind. Demokratie und Fremdherrschaft schliessen sich daher aus.

    In den EU Institutionen erhalten bereits heute real Akteure aus Drittstaaten zu viel Gewicht. Ferner gibt es den unsäglichen Kult des starken marktführenden Akteurs („Competitiveness“) und einen überbordenden „Stakeholder“-Ansatz. Eine Idee von einem europäischen Demos (Volk oder Völker Europas) existiert nur sehr schwach.

    Ich bin weit davon entfernt europakritisch zu sein, aber dass sich die EU Kommission einen außergemeinschaftlichen Zensor von Gesetzvorschlägen holt, das finde ich eine Schnapsidee.

    Lustiger wäre dagegen einen Koordination der USA mit dem EESC. Das sollte man unbedingt verfolgen!

  2. Und USA spielt sich in altbekannter Manier als Weltpolizei auf. Aber sich jetzt noch herauszunehmen (auf offiziellem Wege) in unserer Gesetzgebung von Landes- bis EU-Ebene reinzupfuschen? Was bitte soll das nützen?

    1. Die Basis des Freihandelsabkommen ist die gegenseitige Anerkennung von Standards. (Dadurch werden weder unsere, noch die der USA, welche teilweise sogar strenger sind, gesenkt oder untergraben.)
      Von diesem Prozess profitieren beide Staaten.
      Warum und auf welcher Basis sollte die USA oder die EU im jeweils anderen Staat Gesetze ändern wollen?

      1. Okay, wenn das keiner will, warum schreiben die das dann da rein?
        Ohren zuhalten und ganz laut Lalala sagen bringt nicht besonders viel, liebe Transatlantische Lobbyisten. Fangt lieber nochmal von vorne an, und zwar indem Ihr Leute aus den Parlamenten verhandeln lasst. Oder mit irgendeiner Form der Legitimation, nicht einfach _gar keiner_.

  3. interessant ist, dass in der eu genau das schon länger auf ähnliche weise stattfindet: viele eu-gesetze werden automatisch in den mitgliedstaaten nachvollzogen, darüber gibt es natürlich vereinbarungen usw. die schweiz befindet sich seit einigen jahren in einer ähnlichen situation wie der autor des posts – es laufen verhandlungen, dass die schweiz sich dem anschliesst, im austausch für das fallen von handelshemmnissen u.a. bisher hat es nicht geklappt, aber man sorgt sich, weil die direkte demokratie der schweiz genau das eigentlich ausschliesst.

  4. Artikel 2, Natovertrag: „Die Parteien … werden bestrebt sein, Gegensätze in ihrer internationalen Wirtschaftspolitik zu beseitigen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen oder allen Parteien zu fördern.“

    Nach der militärischen und geheimdienstlichen Unterwerfung im Rahmen der US/NATO Machtergreifung 2001 kommt jetzt halt noch die wirtschaftliche hinzu. War das nicht vorhersehbar nach der Finanzkrise? Erst fiel das WTC, dann Lehman…

    Die Amis brauchen halt gerade einen Absatzmarkt für ihren Rüstungsschrott, bei dem es keine Einrede wegen nationaler Interessen geben darf. Der militärisch industrielle Komplex will seinen Tribut, zahlt Obama nicht mehr für den Schrott, dann soll er halt neue Junkies beischaffen. Glaubt jemand an Zufälle in der Ukrainekrise?

    NATO Stratege 2009: „The Cold War at least had the advantage that we knew with some certainty who, what and where the enemy was. … in some parts of the world, possibly more serious civil disorder which we will be less able to counter effectively.“

    nato.int/docu/review/2009/financialcrisis/Defence-Budget-Financial-Crisis/EN/index.htm

    There is no business like civil war security showbusiness! :)

    „The key date in terms of the NATO framework is 4 October 2001, when the NATO Allies met in a session of the North Atlantic Council to consider a set of concrete proposals from the United States. In a press statement after the session, NATO Secretary-General Lord Robertson announced that the Allies had “agreed today – at the request of the United States – to take eight measures, individually and collectively, to expand the option s available in the campaign against terrorism.”

    The eight specific measures agreed to were as follows:
    • Enhance intelligence-sharing and co-operation, both bilaterally and in the appropriate NATO
    bodies, relating to the threats posed by terrorism and the actions to be taken against it
    • Assist states subject to increased terrorist threats as a result of their support for the campaign against terrorism
    • Provide increased security for US and other allied facilities on NATO territory
    • Backfill selected Allied assets in NATO’s area of responsibility that are redeployed in support of counterterrorism operations
    • Provide blanket overflight clearances for the United States’ and other Allies’ aircraft for military
    flights related to operations against terrorism …“

    assembly.coe.int/committeeDocs/2007/Emarty_20070608_noEmbargo.pdf

  5. Ja, aber wir dürfen auch bei US-Gesetzen mitreden. Ich bin mir nicht sicher ob dies die US-Bundenstaaten soo lustig finden.

  6. Das Verhandlungspapier räumt beiden Partnern die gleichen Rechte ein. Die USA soll bei europäischen Gesetzesvorhaben gehört werden und die EU bei amerikanischen.

    Warum schreit wirklich jede Überschrift zu diesem Thema einseitig, dass nur die USA etwas wolle oder bekommen soll?

    Ist eine tendenziöse bis faktenverdrehende Darstellung jetzt in Ordnung, nur weil es gegen das böse TTIP geht?

    PS: Wie die Leser dieses Blogs die Nachricht falsch verstehen, sieht man ja wunderbar an den Kommentaren…

  7. Dann ändert sich ja nichts grundlegendes in der hiesigen Gesetzgebung.
    Merkel bekommt die Order aus den U.S. of N.S.A. was dort genehm ist und setzt das dann handstreichmässig um.
    Business as usual and as practiced for decades.

  8. Weiter unten im Artikel wird angedeutet, wohin die Reise gehen soll:

    In diesem Punkt wollten die Amerikaner allerdings mehr, gibt man in der Kommission zu. Zwar verlangten sie kein Vetorecht. Unternehmen sollten aber mehr rechtlichen Spielraum bekommen, wenn sie ihre Bedenken nicht ausreichend berücksichtigt sähen.

    Mehr Spielraum, um zu klagen.

  9. Liebes Netzpolitik-Team,

    mittlerweile ist es für mich als Leser unmöglich bei Themen wie beispielsweise TTIP oder Drohnen eure Berichterstattung von den undifferenzierten, instant Hysterie-Artikel auf SpOn & Co zu trennen. Ihr schafft es den wichtigen Punkt der Gegenseitigkeit nicht aufzugreifen. Mit dieser Art von Kampagnenjournalismus verliert ihr für mich immer mehr an Glaubwürdigkeit.

    Die Folgen sind man ja deutlich an der KenFM-isierung der Nutzerkommentare. Wollt ihr zu einer Kopie der unsäglichen Nachdenkseiten werden?

      1. Ich hatte Netzpolitik zumindest immer als eine Plattform in Erinnerung deren Artikel mehr von Sachlichkeit als von Hysterie geprägt waren. Damit ihr mich nicht falsch versteht: Es ist vollkommen richtig TTIP sehr kritisch zu begleiten, aber das doch bitte mit Fakten.

        1. Mangels Transparenz können wir auch nur darüber berichten, wenn z.B. wie in diesem Fall anderen Medien ein nicht-öffentliches Papier vorliegt. Sind wir jetzt auf den Kampagnenjournalismus der FAZ reingefallen?

      2. Im Unterschied zur FAZ teilt ihr euren Lesern nicht mit, dass dies Recht auf Information für beide Seiten gilt. Ihr suggeriert so, dass allein die US-Seite dieses Mitspracherecht erhalten möchte.

        (Sorry, konnte auf den letzten Kommentar nicht direkt antworten)

        1. Wir schreiben aus unserer Perspektive. Wir sind nunmal Bürger in Deutschland und finden es etwas unsouverän, wenn andere Staaten in unserer Gesetzgebung mitreden wollen.

      3. Ich kann meinem Namensvetter weiter oben hier nur zustimmen. Ich sehe nicht wie Symmetrie eine Verbesserung bringt. Daraus Beruhigung zu ziehen ist ein gedanklicher Kurzschluss.

      4. Als Mitglied der EU ist es nun wirklich nichts neues, dass die Gesetzgebung Deutschlands von externen Akteuren beeinflusst wird. Gilt übrigens auch für mit der EU assoziierte Staaten.

        Ich persönlich halte es für die Bewertung von TTIP für wichtig, dass der Leser erfährt, dass diese Regelung auf Gegenseitigkeit beruht.

      5. Ich würde die Kritik auch nicht völlig von der Hand weisen, nur ändert das die Wahrnehmung des Problems aus meiner Sicht nicht besonders.

        Auf EU-Ebene haben wir immerhin auch eine Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung. Im Bezug auf mit der Union assoziierte Staaten läuft es meinem Eindruck nach eher umgekehrt. Aber selbst wenn, es ist schon ein Unterschied, ob sich andere Länder mit ihren Interessen einbringen oder ob alle regulatorischen oder sonstigen gesetzgeberischen Schritte grundsätzlich als potentielle Handelshemmnisse katalogisiert und angezeigt werden (ISDS-Klageoptionen-Datenbank?). Dabei ist eine Prüfung auf Kompatibilität mit beispielsweise internationalen Verträgen im Allgemeinen längst Teil der Gesetzgebung.

      6. „Auf EU-Ebene haben wir immerhin auch eine Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung.“

        Da muß mir etwas entgangen sein.

  10. Ich fände das ehrlich gesagt halb so wild, wenn die Gesetzgebung sonst transparenz wäre, die Bürger der betroffenen Staaten ebenfalls früh ein direktes Mitspracherecht kriegen würden und es keine privaten Schiedsgerichte geben würde.

  11. Ich sehe diesen Teil weniger kritisch.

    Wir müssen uns auch einfach mal fragen, ob wir generell hinter dem Gedanken des Freihandels stehen oder dieses Abkommen generell (aus emotionalen Gründen) ablehnen.
    Den gesamten Umsetzungsprozess sehe ich mit Blick auf zwei verhandelnde Demokratien auch sehr kritisch.

    Aber steht man generell hinter dem Freihandel (Der übrigens den kleinen Mittelständlern, besonders den so genannten „hidden champions“ weit mehr hilft, als den großen Konzernen!), muss man sich eben auch Gedanken um die Umsetzung machen.

    Und natürlich beinhaltet das, den Partner frühzeitig vor neuen Regulierungen und Gesetzen zu informieren. Das der Partner auf Basis der Verträge (!) da z.B. bei überhöhten Strafzollen mitreden darf ist natürlich.
    Der Freihandel bringt die kleinen Unternehmen bei euch um die Ecke weiter! Ich sage nicht, dass wir dabei unsere demokratischen Prinzipien aus dem Blick verlieren sollten, aber nicht alles ist den Aufschrei wert!

    1. Wenn etwas den Aufschrei wert ist, dann ist es TTIP : Die Kommission will immernoch eine „vorläufige Gültigkeit“ (vor der Ratifizierung) und schafft es nicht, ihre Verhandlungspapiere offenzulegen. Und nein, die paar Seiten, die da letztens verteilt wurden, reichen nicht.
      Unsere Vertreter verhandeln in unserem Namen. Weg mit Geheimhaltung, weg mit TTIP.
      Wer Freihandel will, kann danach gerne neu anfangen, und diesmal mit der Zivilgesellschaft, nicht ohne oder gegen sie.
      Lasst es doch einfach! Ist schneller und billger für alle.

    2. „Wir müssen uns auch einfach mal fragen, ob wir generell hinter dem Gedanken des Freihandels stehen oder dieses Abkommen generell (aus emotionalen Gründen) ablehnen.“

      Nein, nicht aus emotionalen Gründen, aus rationalen Erwägungen. Das dürften Sie wissen. Die Klammer hätten Sie sich mit ein wenig Mut auch sparen können. Die nächste Klammer ebenso:

      „(Der übrigens den kleinen Mittelständlern, besonders den so genannten „hidden champions“ weit mehr hilft, als den großen Konzernen!)“

      Diese Geschichte und das dazugehörige Buzzwording von wegen „hidden champions“ (bisher: Chlorhühnchen) sind längst durch, das glaubt niemand mehr, der sich die Mühe gemacht hat, sich mit diesem windigen undurchsichtigen Vertragswerk unter der Ägide der großen Konzerne auseinanderzusetzen. Sehen Sie, ganz so dumm sind die Menschen nun doch nicht. Sie beten hier nach, was uns die TTIP-Lobby seit Monaten vorbetet, wofür soll das gut sein?

  12. Noch ein Schmankerl zur TTIP Diskussion:

    Beim World Economic Forum (WEF) am 22. Januar (10:15-11:30h) in Davos sprach der Leiter des Diskussionsforums „Europe’s Twin Challenges: Growth and Stability“, Robin Niblett (GB), im Verlauf
    der Veranstaltung u.a. von „echten Vorbehalten“, die es speziell in Deutschland in der Diskussion
    um TTIP gäbe. Er bat damit Sigmar Gabriel, neben anderen Teilnehmer dieses Forumsbeitrages,
    um eine Stellungnahme.
    Dieser traf dann im Verlauf seiner Antwort u.a. die folgende Feststellung:

    „It’s a difficult debate in Germany […] maybe, … maybe, in Germany, sometimes it’s more difficult,
    because we are a country which is rich and hysteric. This combination is sometimes difficult.
    … uhm, uhm … please do not read it, … uhm, bring it to the newspapers. […] We are among us,
    and among friends, so … you can speak very open and frank. […]“

    „Es ist eine schwierige Debatte in Deutschland […] vielleicht, … vielleicht ist es in Deutschland
    manchmal deshalb schwerer, weil wir ein Land sind sind, das reich und hysterisch ist. Diese
    Kombination ist manchmal schwierig. …ähm, ähm … bitte lesen sie das nicht, … ähm, bringen
    sie das nicht in den Zeitungen. […] Wir sind unter uns, und unter Freunden {Anm.: ‚amongst‘
    korrigiert}, so … daß wir hier sehr offen und ehrlich reden können {Anm.: ‚frankly‘ korrigiert,
    dann frei übersetzt}.“

    Wie ernst demnach der Vizekanzler „unter Freunden“ die Kritik an TTIP nimmt und wie er dabei
    wirklich über sein Land denkt – das hätte keiner besser sagen können als er selbst.
    Danke für diese ehrlichen, nicht für die Öffentlichkeit gedachten Worte, Siggi!

    Nachzuhören/-sehen unter:
    http://www.weforum.org/sessions/summary/europe-s-twin-challenges-growth-and-stability
    Beginn der Fragestellung im Stream : 00:31:41 [hh:mm:ss]

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