Pakistan baut Überwachungskapazitäten aus, Nokia Siemens Networks und andere helfen fleißig dabei (Update: Stellungnahme)

Nur ein Auszug der Firmen, die Pakistan mit Überwachungstechnik beliefern – aus TIPPING THE SCALES: SECURITY AND SURVEILLANCE IN PAKISTAN

Privacy International hat Dokumente veröffentlicht, die zeigen, wie das Unternehmen Nokia Siemens Networks (NSN) den Verkauf von Überwachungszentren abstreitet, aber in Pakistan Überwachungsinfrastruktur aufgebaut hat – zusammen mit zwei alten Bekannten aus der Überwachungswelt, Trovicor und Utimaco.

Ziel der Zusammenarbeit, die zumindest bis 2011 belegt ist, war die Errichtung eines „Lawful Interception Management“-Systems der Firma Utimaco für den größten pakistanischen Mobilfunkanbieter Mobilink – wobei das Zutreffen des Adjektivs „lawful“ dahingestellt sei. Das System sollte unter anderem Überwachungsdaten an ein zentrales Überwachungszentrum in Islamabad weiterleiten.

Die Zusammenarbeit mit Trovicor, die mit der technischen Leitung des Projekts betraut war, ist kein Zufall. Trovicor ist de facto ein umbenannter früherer Teil von NSN, der bis 2009 Teil von NSN war, bis er an den Investor Perusa Partners Fund 1 LP verkauft und „Trovicor“ genannt wurde. Ganz scheint sich die Verbindung jedoch nicht gelöst zu haben, die Zusammenarbeit war eng. Vielmehr kann der Verkauf der Überwachungsabteilung als Image-Maßnahme betrachtet werden, nachdem NSN wegen Lieferungen an den Iran in die Kritik geraten war.

Dass man diese Vergangenheit gerne verdrängt, demonstrieren auch Antwortleitlinien für NSN-Mitarbeiter, die gebeten werden, zu verneinen, dass noch Überwachungstechnik vertrieben wird. Aus dem internen Dokument:

No we do not sell monitoring centres anywhere around the world. This is a business we exited
almost two years ago (March 2009).

[…]

It is best to avoid getting into a discussion of the Intelligence Solutions business

Formal stimmt das, real kann man von Heuchelei und Schönfärberei reden. Doch NSN, Utimaco und Trovicor sind nicht die einzigen, die Pakistan bei der Totalüberwachung seiner Bevölkerung zur Seite stehen. Dabei sind auch Alcatel, Atis, Ericsson, Huawei und SS8.

Seit einigen Jahren haben sich die Überwachungskapazitäten Pakistans massiv ausgeweitet. Vertrauliche Kommunikation wird zu unterbinden versucht, alle Provider müssen Überwachungsschnittstellen bereitstellen. Grundrechte werden ausgehöhlt, da sie für die Arbeit von Polizei und Militär nicht gelten. Wo richterliche Anordnungen obligatorisch sind, werden sie selbst für fadenscheinige Argumente vergeben.

Was uns das Dokument zeigt: Pakistan weitet seine Kapazitäten aus, europäische Unternehmen helfen fleißig dabei. Und das obwohl immer gern betont wird, man liefere keine Überwachungstechnik an Staaten mit fragwürdigem demokratischen Verständnis. Glauben kann man das schon lange nicht mehr.

Update: NSN meldete sich mit der Klarstellung, keine Monitoring Center zu vertreiben. Die Integration von Lawful Interception in Kommunikationsequipment sei indes in fast allen Staaten der Welt vorgeschrieben und könne nicht verweigert werden. Gut, das bestreiten wir nicht. Die moralische Verpflichtung, nicht an jeden Kunden zu verkaufen, vor allem nicht, wenn offensichtlich ist, dass die Daten für die Verfolgung von Menschen mit nicht-staatskonformer Meinung benutzt werden, sehen wir trotzdem. Geschäftsinteressen sollten eine gesellschaftliche Verantwortung nicht obsolet machen.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

16 Ergänzungen

  1. Nuja, Pakistan hat ja auch ein gewalltiges Terrorismus Problem. In Ländern wo fast täglich islamistischer Terror und Kämpfe statt finden wird man wohl kaum auf solche Überwachung verzichten können. In Deutschland sieht die Lage natürlich anderst aus.


  2. Seit einigen Jahren haben sich die Überwachungskapazitäten massiv ausgeweitet. Vertrauliche Kommunikation wird zu unterbinden versucht, alle Provider müssen Überwachungsschnittstellen bereitstellen. Grundrechte werden ausgehöhlt, da sie für die Arbeit von Polizei und Militär nicht gelten. Wo richterliche Anordnungen obligatorisch sind, werden sie selbst für fadenscheinige Argumente vergeben.

    Danke auch für die Beschreibung der Situation hierzulande…

  3. 1) lawful interception ist tatsächlich ein schwammiger Begriff, ich bin aber ziemlich sicher, das in sehr vielen Ländern im Gesetz steht: zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr dürfen Behörden von folgender Liste abhören.
    2) ich bin zeimlich sicher, das die Statements zum Thema NSN verkauft dies und das nicht, richtig sind und nicht nur Schönfärberei. Aber das Geschäft läuft doch andersrum: Nicht NSN verkauft was, sondern der (jeweilige) Netzbetreiber kauft und beauftragt NSN dann, das zu integrieren.
    3) NSN als Nokia Siemens Networks gibts schon eine Zeitlang nicht mehr, das hieß zwischendurch Nokia Solutions and Networks (nachdem Siemens ausgekauft wurde) und inzwischen Nokia.

    1. Ich stimme Philip Großteils zu.

      In der Vergangenheit war ich selbst als Trainer in dem Bereich tätig incl. Lawful Interception
      Der Begriff ist sehr schwammig und es handelt sich dabei nicht um eine Überwachungslösung sondern um einen beschränkten Zugriff auf die Registrierungsdaten von Telekommunikations Teilnehmern. Die Möglichkeiten die ein solches Feature bietet sind sehr unterschiedlich und in der Regel sehr viel geringer als man sich das nach Serien wie NCIS, CSI, … vorstellt. Eine Datenüberwachung ist damit zb. nicht möglich weil Datenverkehr nicht in den Registierungsdaten festgehalten werden.

      Jeder Equipment Hersteller hat die Möglichkeit eine solche Lösung in gewisser Weise zu implementieren. Ob dies geschieht hängt von den gesetzlichen Vorschriften ab. Der Zugang zu den Interfaces ist dann extrem beschränkt und meistens haben die Betreiber selbst kaum Zugriff auf die Interfaces. Der Betreiber kann das Interface aktivieren, die Verwendung obliegt fast ausschließlich den entsprechenden Behörden.

      Lawful Interception beschränkt sich darüber hinaus auf das Netz des jeweiligen Netzbetreibers.
      Den Herstellern zu unterstellen diese würden das unterstützen oder eventuell vorantreiben finde ich mutig da diese dazu Gesetzlich verpflichtet werden können bei der Implementierung ihrer Lösung ein solches Interface zur verfügung zu stellen. Nach dieser Lösung müssten Nokia, Ericsson, Huawei, … sich in der meisten Ländern weigern ihre Produkte zu verkaufen.

      Jeder Volvo hat heute ein „Automatic Road Assistance System“ und kann im Fall von Diebstahl geortet werden. Ein toller Service, dass dies per definition auch „Lawful Interception“ ist interessiert dabei irgendwie keinen. Insofern verstehe ich den Rummel um die Netzhersteller nicht.

      Auch das Statement das Nokia Siemens Networks nicht mehr existiert ist richtig. NSN Nokia Solutions and Networks ist eine Business Unit von Nokia.

      1. wie mir zugetragen wurde, wurde nicht an allen Stellen die Firma umbenannt – so dass einige Landesgesellschaften oder Teilfirmen noch gemischte Namen haben, aber der Nokia Geschäftbericht spricht nur noch von Nokia Networks (als business unit).

  4. Hallo, mal eine Frage zu der Überwachung in Deutschland.
    In Mannheim am Bahnhof sind nun binnen weniger Tage 60 neue Kameras installiert worden.
    Da die Bahn ja Volkseigentum ist, stelle ich mir die Frage ob man so etwas verhindern kann.
    Ich finde es sehr beklemmend jeden Tag dort beobachtet zu werden. Angeblich werden die Aufnahmen nach drei Tage gelöscht und erst bei einer Straftat gesichtet. Kann man glauben oder nicht. Ist ja alles zu meiner Sicherheit, nur habe ich dieses Sicherheitsbedürfnis nicht.
    Hat jemand in Deutschland schon erfolgreich gegen solche Installationen geklagt?

    1. die bahn ist kein volkseigentum. Die bahn ist ein privatwirtschafliches unternehmen an dem der bund die mehrheit der aktien besitzt. Rechtlich ein großer unterschied und es ist genauso wie wenn du gegen einen supermarkt wegen seinen kameras klagen würdest.

      1. Stimmt so nicht ganz. Wenn es darum geht sich die Taschen voll zu machen sind sie Privatwirtschaft. Wenn es darum geht Geld für Streckenausbau usw. zu erhalten sind sie staatlich. Wenn sie privatwirtschaftlich sind, dann müßten sie auch die Bundespolizei bezahlen, die auf den Bahnhöfen so schön immer die Ausländer kontrollieren. Wenn also der Bund die Mehrheit hat, so ist dies Volkseigentum und der Eigentümer bestimmt.

    2. Ich habe die Überwachung bei DB/S-Bahn/Verbund satt. Nachdem meine Bahn-Card abgelaufen ist fahre ich jetzt wieder mit dem Auto (mit ausgebautem Telefon-Chip).

    3. Die Kameras sind extra fuer dich Installiert worden incl Person die nur dich beobachtet.

      Manche leute hier haben vorstellungen die ernsthafte zweifel an deren geisteszustand aufkommen lassen.

      Mit dem schreibstil der hier auch leider von den Betreibern teilweise an den Tag gelegt wird kommt man sich vor wie bei der Springer Presse. Von nix ne richtige ahnung aber erstmal rummeckern und sich beschweren.

  5. Due to Terrorism and some involvement of political leader in Pakistan many companies was out from the region. But now most of the companies was watching what will happen to their business but since new government is formed, most of the company either Textile or Telecommunication such as Hawaii came back and started again their business.

    I believe that Pakistan is a raising Economy and technology future in few year. This is the time to invest in Pakistan in any sector to enhance their capacities, ability. Most important in Pakistan you will get all man power in any sector.
    We hope that in coming few months the economy will boom.

  6. Ich halte den Kommentar für das Rühren von sehr heisser Luft……

    in allen Ländern der Welt ist LI (Lawful Interception) per Gesetz erlaubt und gefordert – Mir ist keins bekannt, wo sich die Behörden diese Überwachungsmöglichkeit nehmen lassen. Ob man die /Gesetze/ oder die sie ausführende Exekutive jetzt gut oder schlecht findet, und sie deswegen an den Pranger stellen muss oder nicht, lasse ich mal dahingestellt. Auf jeden Fall sehe ich es als nicht legitim an, irgendeine Firma, die von der jeweiligen nationalen Gesetzgebung erlaubte und sogar geforderte Massnahmen verkauft und installiert, dafür zu verdammen.

    Macht’s der eine nicht, macht’s der andere. Wenn’s Nokia nicht macht, macht’s sicher Huawei (die haben vielleicht sogar die „bessere“ Software dafür…….)

    Geht lieber gegen die Gesetze und Gesetzgeber vor.

  7. Sehe ich auch so wie HansDampf. Nokia Siemens Networks hat das auch schon immer in Leipzig (Untere Eichstädtstraße 11)gemacht für den Geheimdienst(BND —> ja verraten :-)) weil hier ein wichtiges Kabel ankommt. Sogar ein extra Raum den man separat betreten kann gibt es schon immer dort. Die wurden verpflichtet -jetzt ist die Telekom dort und macht das gleiche :-)

    1. Absolut normal: TKG, BNDG, BVerfSchG, StGB

      Begreift endlich mal dass Internet kein rechtsfreier raum ist und hiesige behoereden definitiv besseres zu tun haben als sich die amazon bestellungen von euch ganzen lemmingen anzugucken.

      Die pflicht zur bereitstellung von Raeumlichkeiten, Technik usw beginnt sobald die Bundesnetzagentur die genehmigung zur erbringung von TK leistungen gegeben hat.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.