BKA und Europol perfektionieren „Internetbeobachtung“ und Profiling von Reisenden

Behörden der Bundesregierung waren bereits 2013 damit befasst, verbesserte Verfahren zum Aufspüren von Reisebewegungen zu entwickeln und einzuführen. Dies geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage hervor. Demnach waren deutsche Behörden am Projekt „Quick Scan lnsight into Terrorist Travel“ beteiligt, über das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch zuerst berichtet hatte.

Das unter Federführung der Niederlande beendete Projekt mündete demnach in einen Bericht, an dem auch Deutschland mitgewirkt hat. Außer den Niederlanden und Deutschland waren Belgien, Dänemark, Frankreich, Spanien, Schweden sowie Großbritannien beteiligt.

Bericht war Grundlage von Gesetzesinitiativen

In dem nicht veröffentlichten Papier werden Empfehlungen aufgeführt, „um vermehrt festgestellte Ausreisen von Islamisten in das Jihadgebiet zu verhindern“. Hierzu gehören die verbesserte Kooperation mit „Transitstaaten terroristischer Reisebewegungen“, womit im konkreten Fall die Türkei gemeint ist.

Der Bericht war später Grundlage mehrerer Gesetzesinitiativen, darunter auch die Änderung des Personalausweisgesetzes und des Passgesetzes. Personalausweise können nun entzogen werden. Das Gesetz erlaubt auch die einfachere Weitergabe der dort gespeicherten Daten. Nun soll eine Kategorie zur Ausschreibung im Schengener Informationssystem folgen. Betroffenen Personen kann auf diese Weise eine Ausreiseuntersagung erteilt werden. Allerdings ist unklar, welche Gesetze hierfür geändert werden müssen.

Auch die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung zu Flugreisenden (PNR) war eine Forderung des Projekts „Quick Scan lnsight into Terrorist Travel“. Außerdem sollte bei der Polizeiagentur Europol eine neue Analyseeinheit („Auswerteschwerpunkt“) eingerichtet werden. Unter dem Namen „Travellers“ ist auch dies mittlerweile umgesetzt. Bis zum 31. Januar 2015 waren dort bereits Informationen zu 2835 Personen gespeichert. Außer den EU-Mitgliedstaaten nehmen Australien, Norwegen und die Schweiz an der Europol-Datensammlung teil. US-Grenzbehörden, die Polizeiorganisation Interpol, Serbien und Mazedonien wollen ebenfalls als „assoziierter Drittstaat“ beteiligt werden.

„Future-forecasting and scenario techniques“ bei Europol

Mittlerweile wurde auch das 2007 vom Bundeskriminalamt (BKA) initiierte Europol-Projekt „Check the Web“ zu einem eigenen Auswerteschwerpunkt umgewandelt. „Check the Web“ ist eine Datenbank mit grafischem Frontend, an das alle beteiligten Behörden angeschlossen sind. Als „assoziierte Drittstaaten“ dürfen derzeit auch die Schweiz und Australien zugreifen. Gesammelt werden Informationen von „Webseiten und Verlautbarungen von Organisationen/Personen aus dem Phänomenbereich des Islamistischen Terrorismus“.

Inwiefern für diese „Internetbeobachtung“ automatisierte Verfahren genutzt werden ist unklar, Europol bewirbt aber online und in seinen Hochglanzbroschüren gern seine Fähigkeiten zum Data Mining und Verarbeiten von Massendaten. Im neuen Arbeitsprogramm werden die Anwendungen als „future-forecasting and scenario techniques“ beschrieben.

Außer dem „Auswerteschwerpunkt“ hat Europol eine Arbeitsgruppe namens „Dumas“ eingerichtet, die ebenfalls gegen „ausländische Kämpfer“ vorgehen soll. Ihre „Gesamtleitung“ liegt bei Italien, die AG ist in fünf Untergruppen eingeteilt. Österreich führt die AG „Alert List“ an, die den Informationsaustausch über das SIS II und Europol erleichtern soll.

Dem BKA obliegt die Leitung der AG „Indicators“, die „Indikatoren zur Erkennung von Syrienreisenden“ finden will. Diese „Indikatoren“ würden auch benötigt, wenn Kontrollen von Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten wie geplant an den Außengrenzen intensiviert werden. Laut dem Schengener Grenzkodex ist dies aber rechtlich nicht gestattet, Kontrollen dürfen keinem Muster folgen.

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6 Ergänzungen

  1. Na da werden die Fälscher von Reisedokumenten wieder Hochkonjunktur haben. Nicht alle Ausweisdokumente sind so sicher wie unsere.

  2. @Rumpelstilz Wer wird denn gleich so kriminelle Gedanken haben? Wenn das Bundes-Stasi-Ministerium glaubt, dass man mit „Quick Scan lnsight into Terrorist Travel“ viel mehr als Datenmüll produziert, sind die Mitarbeiter noch viel dümmer als ich befürchtet habe, oder gibt es zwischenzeitlich den Eintrag „Terrorist“ als Berufsbezeichnung im Pass? Wer über ausreichend „Brain“ und „Geld“ verfügt wird von denen bei aller Überwachung überhaupt nicht bemerkt solange er kein Target ist. Je mehr sie sich auf Technik verlassen, um so einfacher kann man sie „genau damit“ an der Nase herum führen. Als Denkanstoß https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Kunst_des_Krieges_%28Sunzi%29 Noch heute ist es Lektüre für ostasiatische Manager und Militärstrategen auf der ganzen Welt. Das Buch beschreibt die Notwendigkeit des Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel und Flexibilität zur Erreichung des Zieles und wie dies zu erreichen ist.

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