Neues Interpol-Zentrum gegen weltweiten „Cybercrime“ verzögert sich, Konferenz mit Europol wird aber nicht abgeblasen [Update]

Erst im April fertig: Der "Interpol Global Complex for Innovation" in Singapur.
Erst im April fertig: Der „Interpol Global Complex for Innovation“ in Singapur.

cyberclDie beiden internationalen Polizeiorganisationen Interpol und Europol treffen sich nächste Woche zur zweiten „Cybercrime Conference“ in Singapur. Thema ist die Diskussion „gegenwärtiger und kommender Cyberbedrohungen“, auf der Tagesordnung steht zudem die gesamte Palette von „Cyberermittlungen“. Die beiden Organisationen wollen dadurch ihre Ermittlungen im Bereich der „Cyberkriminalität“ weiter verzahnen und neueste Techniken vorstellen. Die Veranstaltung richtet sich jedoch nicht nur an Polizeiangehörige, sondern auch an private Firmen und Forschungseinrichtungen.

Die Konferenz war letztes Jahr erstmalig am Sitz von Europol in Den Haag abgehalten worden. Europol hat dort vor zwei Jahren ein „European Cybercrime Centre“ (EC3) eröffnet. Vorsitzender des neuen IT-Ermittlungszentrums ist der Däne Troels Oerting, der Bereich „Cybercrime” wird bei Europol nach „Terrorismus“ und „Organisierte Kriminalität“ nun als weiteres, „drittes Standbein“ geführt. Das EC3 soll unter anderem IT-Systeme auf ihre Verwundbarkeit testen.

Schwerpunkt auf neue, digitale Ermittlungstechniken

Eigentlich sollte die zweite „Cybercrime Conference“ pünktlich zur Eröffnung des neuen „Global Complex for Innovation“ (IGCI) erfolgen, den Interpol derzeit in Singapur errichtet. Der Komplex soll ähnlich wie bei Europol neue, digitale Ermittlungstechniken entwickeln und bereitstellen. Wie beim EC3 gehören hierzu insbesondere alle Arten von „Cyberkriminalität“. Das IGCI sollte ursprünglich noch dieses Jahr in Betrieb genommen werden. Interpol hatte laut einem Pressebericht „langhaarige Geeks“ als AnalystInnen gesucht.

Eine Verzögerung des Rohbaus des IGCI-Komplexes war bereits letztes Jahr absehbar. Allerdings hatte Noboru Nakatani, der japanische Direktor des IGCI, dies erst im Sommer offiziell verkündet. Demnach werde das Zentrum zwar einen Tag vor der Konferenz „übergeben“. Die Zeremonie hat aber lediglich Symbolcharakter, die eigentliche Inbetriebnahme erfolgt dann im April 2015. Neben den Direktoren von Interpol und dessen „Cyberzentrum“ hält auch der Chef des Europol-EC3 eine Eröffnungsansprache.

BKA-Vize wird neuer Interpol-Chef

Bezüglich Interpol wird dies wohl eine der letzten Veranstaltungen des derzeit amtierenden Direktors sein. Im Sommer war der Vizepräsident des Bundeskriminalamts (BKA) Jürgen Stock als neuer Interpol-Chef gewählt worden. Für das „Cyberzentrum“ dürfte das eine gute Nachricht sein: Stock verfügt über beste Beziehungen zur Sicherheitsindustrie und hatte in der EU-Arbeitsgruppe ESRAB dafür gesorgt, dass die deutsche Sicherheitsindustrie und das BKA prominent an EU-Forschungsprogrammen beteiligt waren.

Ziel von ESRAB war die „Vorausschau zukünftiger europäischer Forschungsprojekte im Bereich Sicherheit“ und das Ausloten von „Synergiepotenzialen“ mit der militärischen Forschung. Vielfach geht es dabei um die effektivere Auswertung digitaler Information, darunter auch Verfahren zur Erstellung von Risikoanalysen und Prognosen. Die Polizei soll dabei traditionelle Ermittlungstechniken modernisieren und sich nicht mehr nur auf das „Reagieren“ verlassen. Den Trend zur vorverlagerten, digitalen Strafverfolgung beschreibt Interpol so:

The Global Complex will go beyond the traditional reactive law enforcement model. This new centre will provide proactive research into new areas and latest training techniques. The aim is to give police around the world both the tools and capabilities to confront the increasingly ingenious and sophisticated challenges posed by criminals.

Europol für Ausweitung von Onlinedurchsuchungen

Europol und Interpol geben sich große Mühe in der Einbindung von Firmen, die sich mit Computersicherheit beschäftigen. Europol kungelt dabei mit TrendMicro, die beiden Partner hatten letztes Jahr mit der Veröffentlichung einer merkwürdigen Serie von Videos auf sich aufmerksam gemacht. Interpol kooperiert hingegen mit Kaspersky Lab. Die Vorsitzenden der Konzerne werden bei der Eröffnung ebenfalls anwesend sein.

Auf der ersten „Cybercrime Conference“ im vergangenen Jahr hatte ein leitender Manager der niederländischen Firma Fox-IT die Strafverfolger laut einem Bericht von Detlef Borchers ermahnt, eine „aktivere Rolle“ im Kampf gegen Cybercrime einzunehmen. Die Rede war von „Online muscle power“, laut Fox-IT sollten die Strafverfolgungsbehörden auch „zurück hacken“ und sich dabei der Hilfe privater Firmen bedienen. Ähnlich hatten sich Fox-IT und der Chef des EC3 vergangenes Jahr auf der RSA-Konferenz geäußert. Oerting plädierte sogar dafür, staatliche Trojaner nicht nur bei Ermittlungen wegen „Terrorismus“ zu nutzen. Fox-IT war übrigens mit der Untersuchung des Hacker-Angriffs auf den belgischen Telekommunikationsdienstleister Belgacom befasst. Als Urheber dieser sogenannten „Operation Socialist“ galt der britische Geheimdienst GCHQ.

Die verspätete Eröffnung des „Cyberzentrums“ bei Interpol soll nun ebenfalls im Rahmen einer internationalen Veranstaltung erfolgen. Mitte April veranstaltet Interpol in Singapur die Verkaufsmesse „Interpol World“, die sich allen Arten grenzüberschreitender Kriminalität widmen soll. Auf einer riesigen Ausstellungsfläche können Firmen ihre Anwendungen präsentieren, während in den Konferenzräumen Reden zu drohenden Sicherheitsrisiken gehalten werden. Die Rangliste wird angeführt von „Cybersicherheit“, es folgen die Themen „Sichere Städte“, „Grenzmanagement“ und „Sicherheit von Versorgungsketten“.

Update: Heute hat das EC3 von Europol eine weitere Partnerschaft mit dem Europäischen Bankenverband (EBF) unterzeichnet. Die Rede ist von einer „Cyberisierung“ der Kriminalität, die den Bankensektor immer mehr betreffe. Dem soll nun mit mehr technischem Sachverstand begegnet und Straftaten verhindert werden. Europol kommt dabei die Rolle der Vernetzung anderer europäischer „Cybercrime“-Stellen zu. Das Abkommen erlaubt auch den Austausch von Informationen.

Eine Ergänzung

  1. gehts hier los mit dem Cyberspamming. Unwort des Jahrhunderts, hands down. Jetzt auch noch massenhaft neue Cyberbehörden mit Cyberbezirken und Cyberknechtschaften. Jawoll bald auf zur Cyberrevolution gegen den Cybermonarchismus.

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