Neue Risiken für Spitzel – Keine Zukunft bei digitaler Vergangenheit?

Das BKA unterstützt Forschungen zum Durchsuchen seiner Datenbanken nach Gesichtern. Jetzt geht die Technik nach hinten los.

Die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage zur Gefährdung verdeckter ErmittlerInnen durch Gesichtserkennungssoftware geantwortet. Dabei ging es um das Phänomen, dass Angehörige von Geheimdiensten oder Polizeien zwar mit falschen Identitäten ausgestattet sind, die manipulierten Ausweisdokumente aber tatsächlich existierende biometrische Daten enthalten müssen. Diese könnten bei geheimdienstlichen, polizeilichen oder grenzpolizeilichen Maßnahmen anderer Länder Rückschlüsse auf Klarnamen zulassen. Auch könnten Familien und FreundInnen von verdeckten ErmittlerInnen ausgeforscht werden, wenn deren aktuelle Bilder mit früheren Postings bei Facebook oder Google+ verglichen würden.

Das Bundesinnenministerium bestätigt, das Phänomen sei bekannt und würde beim verdeckten Einsatz von Angehörigen des Bundeskriminalamtes (BKA) „in adäquatem Maße berücksichtigt“. Jedem Spitzel würde vermittelt, dass die Veröffentlichung „persönlicher Lichtbilder“ im Internet zur Enttarnung führen kann. Dies sei aber unabhängig vom Einsatz einer Gesichtserkennungssoftware. Biometrische Erkennungsverfahren hätten in den letzten Jahren „einen enormen Aufschwung erlebt“. Der „technische Fortschritt“ erlaube in zunehmendem Maße die rasche Messung und Auswertung „biologischer Charakteristiken“.

Auch BKA durchsucht seine Fotobestände

Allerdings ist das BKA selbst mit entsprechenden Forschungen befasst. Die Behörde beteiligt sich am Projekt „Multi-Biometrische Gesichtserkennung“, das Verfahren zum Durchsuchen von polizeilichen Lichtbilddatenbanken ermöglicht. Hierzu genügt ein ausreichend aufgelöstes Standbild aus der Videoüberwachung. Das BKA wendet das Verfahren bereits in steigendem Maße an. Ein ähnliches Ziel verfolgt das Projekt „Multi-Biometriebasierte Forensische Personensuche in Lichtbild- und Videomessdaten“, das im kommenden April endet. Möglicherweise könnten auch die neuen Anlagen zur Videoüberwachung an Bahnhöfen mit derartigen Systemen ausgestattet werden.

Auch auf EU-Ebene wird die Gefährdung von Staatsbediensteten durch Gesichtserkennungssoftware thematisiert, das BKA nahm daran teil. Der Austausch von Spitzeln wird darüberhinaus in den eigens dafür gegründeten Polizeinetzwerken „International Working Group on Police Undercover Activities und „European Cooperation Group on Undercover Activities“ (ECG) ausgewertet. Dort werden neue Möglichkeiten und Gefahren vorgestellt. Auch biometrische Verfahren wurden bereits behandelt.

Für das Ausstellen falscher Papiere existieren bei Polizeien und Geheimdiensten jeweils eigene Strukturen. Das BKA hat den derzeitigen Vorsitz einer Arbeitsgruppe von „mit Legendierungsaufgaben befassten Experten des Bundes und der Länder“, die der Innenministerkonferenz angegliedert ist. Auch das Zollkriminalamt ist dort vertreten.

Welches Staatswohl eigentlich?

Ein beträchtlicher Teil der Antwort wird gar nicht oder nur unter Geheimhaltung beantwortet. Zur Begründung heißt es, „verdeckt eingesetzte Personen“ würden sich in „verbrecherischen und terroristischen Umfeldern“ bewegen, deren Angehörige sich durch einen „hohen Grad an Staatsferne, Kriminalisierung sowie Aggressions- und Gewaltpotential auszeichnen“. Jeder Rückschluss auf tatsächliche Einsätze bzw. die wahre Identität der Spitzel müsse deshalb vermieden werden. Ausnahmsweise würden deshalb „Gesichtspunkte des Staatswohls und des Schutzes der Grundrechte Dritter“ gegenüber dem parlamentarischen Kontrollrecht überwiegen.

Das mit der „Staatsferne“ kann man aber auch den Polizeispitzeln vorwerfen. So hatte die kürzlich aufgeflogene Hamburger LKA-Beamtin Iris Plate bei ihrem sechsjährigen Einsatz gleich mehrere Rechtsbrüche vorgenommen. Hierzu gehört unter anderem, Liebesbeziehungen mit Ziel- oder Kontaktpersonen einzugehen. Die Bundesregierung hatte vergangene Woche bestätigt, dass dies auch zur „Legendenbildung“ nicht gestattet ist.

In Großbritannien klagen mehrere Frauen gegen Polizeispitzel die Sexualität zur Erlangung von Informationen einsetzen. Eine der Klägerinnen wird ihren Fall beim 31C3 vorstellen. Dabei geht es auch um den Fall eines Spitzels, der ein Kind zeugte und verschwand. Im Gerichtsverfahren wurde der Betroffenen nun eine hohe sechsstellige Summe als Schadensersatz zugesprochen.

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9 Ergänzungen

  1. Jeder, der beim Verfassungsschutz oder beim BND anfängt, muss als eine der ersten Handlungen im Dienst seine privaten Profile bei Facebook und Co. löschen. Darüber hinaus ist es im Bewerbungs- und Auswahlprozess vorteilhaft, keine langjährigen umfassenden öffentlichen Datenspuren (insbesondere Klarnamen und Lichtbilder) im Internet hinterlassen zu haben.

    Wer sich datensparsam verhält, hat es leichter, bei den Nachrichtendiensten eingestellt zu werden. Die richtige ideologische Haltung und Richtung ist sicherlich ebenfalls wichtig.

    @ Matthias Monroy
    „So hatte die kürzlich aufgeflogene Hamburger LKA-Beamtin Iris Plate bei ihrem sechsjährigen Einsatz gleich mehrere Rechtsbrüche vorgenommen. Hierzu gehört unter anderem, Liebesbeziehungen mit Ziel- oder Kontaktpersonen einzugehen. Die Bundesregierung hatte vergangene Woche bestätigt, dass dies auch zur “Legendenbildung” nicht gestattet ist. “

    Kann es man es einer verdeckten Ermittlerin vorwerfen, dass sie sich im operativen Einsatz in eine Ziel- oder Kontaktperson verliebt? So etwas ist kein Teil irgendeines Operationsplans, sondern kann im menschlichen Miteinander immer vorkommen. Die Liebe lässt sich nicht planen, auch nicht für verdeckte Ermittlerinnen und Ermittler.

    1. Das sich Menschen verlieben kann ihnen nicht vorgeworfen werden. Dass sie die Beziehung eingehen hingegen schon!

    2. Ich sehe das anders. Zunächst ist es romantisierend und stilisiert Spitzel als Opfer, wenn du meinst er/ sie sei plötzlich von Gefühlen überwältigt und verliebe sich in Ziel- oder Kontaktpersonen des Einsatzes. Das widerspricht auch jeder Professionalität und der Tatsache, dass zu jedem Spitzel immer ein Polizeiführer gehört, der täglich im Kontakt ist und stets weiß wo die Spitzel jeweils übernachten. Aber darum geht es mir eigentlich nicht.

      Andersherum ist es vielmehr ein Schock für die Betroffenen wenn die erfahren, dass sie jahrelang emotional betrogen wurden. Es ist m.E. auch nicht möglich zu differenzieren, ob diese Beziehungen nicht doch der Informationsbeschaffung dienen. Zumindest als „Beifang“, wenn die „PartnerInnen“ in gutem Glauben Details über Bekannte preisgeben.

      Nach Ende der Einsätze tauchen die Spitzel ab, während die Betroffenen mitunter davon ausgingen dass es sich um eine Beziehung handelte die auf Dauer angelegt ist. Die rund ein Dutzend Klägerinnen und ein Kläger in Großbritannien nennen das emotionale Ausbeutung. Sie berufen sich auf die Menschenrechtskonvention, die den Schutz der Privatsphäre betont. Das gilt insbesondere für Staatsbedienstete, die nicht einfach im Gefühls- und Sexualleben ihrer Schutzbefohlenen herumfuhrwerken dürfen.

      Wir reden hier übrigens von linken Bewegungen, die in ihrer Breite (also nicht nur in bestimmten Ermittlungsverfahren) ausgeforscht werden. Vor dem G8-Gipfel waren ohne konkreten Anlass in Berlin (mindestens) zwei Spitzel in linken Zusammenhängen unterwegs (allerdings ist unklar in wessen Auftrag). Auch Iris Plate war in Hamburg auf die allgemeine Informationsbeschaffung angesetzt. 2010 flog ein britischer Cop auf, der in ganz Europa linke Bewegungen infiltrierte und insbesondere auf Proteste gegen G8-und NATO-Gipfel angesetzt war. Sieben deutsche Cops waren 2005 beim G8 in UK, noch mehr britische kamen dann nach Heiligendamm. Die führen sich dann auf wie 007.

      Es ist ja auch die Frage wie man konsensuelle Sexualität definiert. Bekanntlich ist das Rechtsverständnis hierzu in Ländern Europas unterschiedlich, siehe das Verfahren gegen Assange in Schweden. Sorry, aber wer geht denn freiwillig mit nem Cop ins Bett? Natürlich kommst du dir hinterher, wenn die auffliegen, belogen vor.

      Ich kann nur empfehlen zu dem oben verlinkten Vortrag beim 31C3 zu gehen. Dort wird z.B. über eine Frau berichtet, die von einem Spitzel ein Kind bekam. Der verschwand urplötzlich und zahlte auch keinen Unterhalt. Die Betroffene litt darunter. Sie erfuhr die Wahrheit erst nach gut 20 Jahren, als der Spitzel nach Recherchen der Tageszeitung Guardian aufflog und sie sein Bild in der Zeitung sah. Sowas kommt mir dann in den Sinn, wenn das BMI einen „hohen Grad an Staatsferne“ behauptet und damit nicht die Spitzel, sondern die Ausgeforschten meint.

      1. @Matthias Monroy

        Wie erkennt man einen Spitzel? Wenn man nicht hinterher davon erfährt, dürften Spitzel im Einsatz doch normalerweise so gut getarnt und legendiert sein, dass eine Erkennung durch Laien nicht möglich sein dürfte, oder?

        Oder hast Du Tipps, wie man als Aktiver solche Undercover-Beamte aufdecken kann? Gibt es typische Verhaltensauffälligkeiten bei Spitzeln?

  2. da jeder glauben und blödsinn mit offenen grenzen erlaubt ist, einfach ne burka überziehen, liebe spitzel …und zu den grünen… dumm, dümmer, deutschland … ach ja, nicht durch die pornoscanner am flughafen, sondern über die landesgrenze wie die hassprediger….*freundlich den dämlichen bullen chef wink* nicht wundern wo die herkommen … ;)

  3. Lieber Markus Beckedahl, hier wird wieder mal Politik in ihrer unschönen Form deutlich – durch die Namensnennung der LKA-Beamtin. Soll Netzpolitik.org nun vollends ein Hort linksradikaler Spinnereien werden oder bleibt es interessanter und verlässlicher Partner einer vernunftgesteuerten Netzpolitik?

    1. Wieso ist es denn „linksradikale Spinnerei“, wenn man eine das geltende Recht brechende Beamtin namentlich nennt (zumal sie auch in anderen, aus meiner Sicht weit prominenteren, Medien namentlich genannt wird)?

    2. Bin in Hamburg und habe gehört, das Banner von netzpolitik.org soll durch eine Antifa-Fahne ersetzt werden. Morgen um 17 Uhr Demo deswegen. Bitte weitersagen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.