Europaparlament: Breite Front gegen Safe Harbour, aber die EU-Kommission hat Zeit

Im Plenum des Europäischen Parlaments stand heute die Safe-Harbour-Vereinbarung auf dem Programm. Das umstrittene Rechtskonstrukt mit mangelhafter Legitimation ist die Grundlage für den Austausch personenbezogener Daten mit den Vereinigten Staaten und erleichtert damit der NSA den Zugriff auf ebendiese, obwohl es sie eigentlich schützen soll. Die Nutzlosigkeit der Vereinbarung ist unabhängig davon schon seit langem bekannt.

Der Vertreter des Rats der Europäischen Union Dimitrios Kourkoulas machte klar, dass der Spielball im Feld der Europäischen Kommission liegt. Man ermutige die Kommission, „einen Dialog mit den Amerikanern über die Punkte, die geklärt werden müssen“, zu führen.

Die angesprochene Justizkommissarin Viviane Reding räumte Defizite bei der Umsetzung ein und verwies auf ihre Analyse, der zufolge das System nicht wirklich „safe“ sei. Neben dem Mißbrauch durch US-Unternehmen sei auch das massenhafte Speichern personenbezogener Daten durch US-Behörden nicht gerade verhältnismäßig. Sie erwarte von den amerikanischen Behörden, mit denen man in Kürze in Brüssel tagen werde, dass die 13 Handlungsempfehlungen der Kommission (u.a. mehr Transparenz, mehr Rechte für Kunden aus der EU) umgesetzt würden.

Manfred Weber (CSU) meinte, er wolle dass die NSA-Diskussion lebendig bleibe. Das Ausmaß sei für viele unvorstellbar gewesen – und das von Freunden! Die Europäische Volkspartei fordere eine Kündigung des „Safe-Harbour-Abkommens“. Auch EU-Bürger bräuchten Klagemöglichkeiten in den USA. Claude Moraes von der sozialdemokratischen Fraktion stimmte ihm zu, dass es keine Verbraucher erster und zweiter Klasse geben dürfe. Moraes, der auch Berichterstatter zum Überwachungsskandal ist, machte deutlich, dass die Schritte der Kommission nicht ausreichten, da keine wirklichen Konsequenzen im Raum stünden.

intveld_15-jan-2014
Sophie in’t Veld

Sophie in’t Veld (Liberale) meinte, man habe schon vor Snowden gewusst, dass Safe Harbour nicht sicher sei. Jahrelang sei das von der Kommission ignoriert worden. Warum man den Amerikanern selbst jetzt noch mehr Zeit einräumen wolle, sei unbegreiflich. Das Abkommen sollte sofort ausgesetzt werden.

Jan Philipp Albrecht von den Grünen beklagte, dass es keine einzige EU-Regierung gebe, die in Anbetracht der Snowden-Enthüllungen etwas tue. Stattdessen werde toleriert, dass amerikanische Konzerne die Datenschutzbestimmungen in Europa mit massivem Lobbying torpedierten. Die Bürgerinnen und Bürger verlören zunehmend das Vertrauen in ihre Regierungen. Auch deshalb müsse Safe Harbour ausgesetzt werden.

Cornelia Ernst von den Linken wies darauf hin, dass man die Farce, den Papiertiger Safe Harbour nicht mehr ertragen könne. Die Vorschläge der Kommission gingen nicht weit genug und man brauche ein Rahmendatenschutzabkommen mit den USA. Aus Respekt vor den Grundrechten müsse jetzt gehandelt werden.

Niki Tzavela von den Europaskeptikern wies auf einen Terroranschlag hin. Der fraktionslose Abgeordnete Martin Ehrenhauser aus Österreich forderte einen europäischen Aktionsplan und sofortige weitreichende Reformen.

Viviane Reding meinte abschließend, sie habe die Botschaft verstanden. Die Rechtsmittel würden jetzt bis Sommer 2014 geprüft. An der Stelle fragt man sich dann, ob sie überhaupt zugehört hat. Wenn man mal die obskuren Euroskeptiker, zu denen auch die GCHQ-Tories gehören, ausnimmt, war die Aussprache von erfreulicher Klarheit – sogar von konservativer Seite. Aber klar, wir warten natürlich gerne noch ein paar Monate auf den Schutz elementarer Rechte, nur keine Eile.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

4 Ergänzungen

  1. Vielleicht bildet man eine Arbeitsgruppe, die sich dann mit dem Thema befassen soll – aber dabei die Themen Handel und Nachrichtendienste nicht thematisiert werden dürfen. (D.h. kein Bruch im üblichen Handlungsablauf.)

    1. Ja, noch ein Ausschuss und eine Arbeitsgruppe, die für nichts gut ist, außer das sie von unseren Steuergeldern finanziert wird…:-(
      Wann begreift ihr endlich, das weder die EU noch sonst eine Regierungsstelle daran interessiert ist irgendetwas aufzuklären oder gar abzuschaffen…Im Gegenteil…

  2. warum spart sich netzpolitik nicht die mühe, über dieses thema zu berichten. es wird wie immer NICHTS, NULL passieren. und mörkel (raute machend) „es ist alternativlos und grundrechtsschonend, dass millionen EU-bürger unter generalverdacht stehen und von unseren amerikanischen freunden ausgespäht werden. um unseren freunden kräfige unterstützung zukommen zu lassen, fordern wir vehement die einführung der vorratsdatenspeicherung in der gesamten EU. natürlich erhalten unsere freunde im rahmen der abkommen vollen zugriff darauf“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.