Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gestern die Cebit in Hannover eröffnet. Stargast des Abends war der britische Premierminister David Cameron, Vertreter des Partnerlandes Großbritanniens und gleichzeitig oberster Chef des britischen Geheimdienstes GCHQ, einer Organisation, die mit kriminellen Mitteln unsere Onlinekommunikation belauscht und in unser Privatleben eindringt. Wer erwartet hat, dass Angela Merkel in ihrer Eröffnungsrede diese Grundrechtsverletzungen angesprochen hat und Kritik an der Praxis geäußert hat, war im Vorfeld naiv und wurde natürlich enttäuscht. Stattdessen gab es in der Rede von Angela Merkel Floskeln wie diese zu lesen:
Es ist gleichsam ein Wunder, dass unsere beiden Nationen heute darüber sprechen können, wie wir auf der Grundlage von Demokratie und Freiheit noch besser zusammenarbeiten und gemeinsam diejenigen unterstützen können – ich nenne als Beispiel die Ukraine –, die heute noch für ihre Freiheit kämpfen müssen. […] Big Data können große Datenmengen mit Mustern versehen. Man kann erkennen, was da eigentlich vor sich geht. Aber es ist auch klar: Man muss als Mensch immer noch aufpassen, dass man die Muster, die sich ergeben, auch richtig deutet – sozusagen als eine Art Selbstbehauptung des Menschen kurz vor seiner Überflüssigmachung.
Auch mit großer Kreativität konnten wir selbst zwischen den Zeilen keinerlei Kritik herauslesen. Datenschutz wurde zwar angesprochen, aber nur im Rahmen der EU-Datenschutzverordnung und auch ohne jeglichen Inhalt abgesehen von bekannten Bekenntnissen zum Binnenmarkt.
„sozusagen als eine Art Selbstbehauptung des Menschen kurz vor seiner Überflüssigmachung. “
Die gute Frau sollte nicht immer von sich auf andere schliessen.
Unter dem Gesichtspunkt der guten geheimdienstlichen Zusammenarbeit Deutschlands und Großbritanniens ist der Schulterschluss auf der Cebit natürlich höchst interessant. Edward Snowden hatte ja letzte Woche vorm Europaparlament an die Aufweichung des G10-Gesetzes erinnert..
Im November berichteten der Guardian und die Süddeutsche, Geheimdienste Großbritanniens hätten sich mit deutschen Partnern beraten wie Gesetzesbeschränkungen zum Abhören von Telekommunikation „umschifft“ oder anders ausgelegt werden könnten („The document also makes clear that British intelligence agencies were helping their German counterparts change or bypass laws that restricted their ability to use their advanced surveillance technology“; „making the case for reform“).
Wir haben dazu nachgefragt, die Bundesregierung dementiert – das war zu erwarten. Der Bundesnachrichtendienst und das GCHQ träfen sich aber regelmässig, zu dem Themen gehöre auch der „Austausch von Ergebnissen aus der Fernmeldeaufklärung“. Und wirklich: Der BND habe dabei das Artikel-10-Gesetz thematisiert – angeblich allerdings brav auf die „Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben“ hingewiesen.
Über das als streng geheim deklarierte Papier der NSA, worin die Bundesregierung wegen ihres laxen Umgangs mit dem G-10-Gesetz gelobt wird („Die deutsche Regierung hat ihre Auslegung des G-10-Gesetzes geändert, um dem BND mehr Flexibilität bei der Weitergabe geschützter Daten an ausländische Partner zu ermöglichen“, berichtet vom SPIEGEL am 1. November) will die Bundesregierung aber nicht mehr wissen, als in den Pressemeldungen steht. Das bedeutet aber, dass ihr das Papier zuvor ebenfalls bekannt war!
Ob der BND wirklich „flexibler“ bei der Weitergabe von Daten agiere, wird gekontert mit „Der BND agiert im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften“. Derartige Antworten bringen uns natürlich nicht weiter.
Markus hatte ja gestern bei N24 die neuerliche Bekräftigung Snowdens kommentiert, wonach das G10-gesetz mehrfach geändert worden sei. Hierüber berichtete das MDR-Magazin FAKT im November: Seitens des BND sei „der gesamte Datenverkehr [des Internets] per Gesetz zu Auslandskommunikation erklärt [worden]“, da dieser „ständig über Ländergrenzen fließen würde“, und die Kommunikation könne dann vom BND abgehört werden, ohne sich an die Beschränkungen des G-10-Gesetzes zu halten.
Auch hierzu hatten wir gefragt und bekamen zu hören: „Die Aussage trifft nicht zu und wird vom BND nicht vertreten“.
Weiters wird uns erklärt, wie der BND den Datenverkehr abschnorchelt: Einfliessen würden „geeignete Suchbegriffe, angeordnetes Zielgebiet, angeordnete Übertragungswege, angeordnete Kapazitätsbeschränkung“.
Übrigens hatte der Vorsitzende des Ausschusses für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und inneres im Europaparlament nicht nur Snowden, sondern auch den Präsidenten des BND eingeladen um die mögliche Verwicklung des BND in die NSA-Affäre aufzuklären. Die Einladung erfolgte schon am 14. Oktober, bis zu seiner Absage ließ sich der BND aber 5 Wochen Zeit. Die Begründung ist hanebüchen:
„Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Anhörungen ausschließlich vom Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments abgehalten wurden. Einen nichtständigen Untersuchungsausschuss, wie ihn Art. 226 AEUV vorsieht und Art. 185 der Geschäftsordnung des Parlaments näher definiert, hat es in diesem Zusammenhang nicht gegeben.
[…] Zudem ist die nachrichtendienstliche Tätigkeit ausdrücklich keine Unionskompetenz. Nach dem in Art, 5 EUV geregelten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sind die Mitgliedstaaten hierfür zuständig. […]“
Das hier finde ich interessanter: „VW-Boss Martin Winterkorn – Auto darf nicht Big Brother werden“ Eine Ohrfeige für alle VDS Befürworter! Keiner wird mehr ein neues Auto mit Internetanschluss kaufen, wenn der Staat jeden Aufenthaltsort speichert ;)
Ja, auch interessant. Passend dazu hat uns das BMI gerade dazu die Kleine Anfrage „Polizeiliche Aktivitäten zur Überwachung und Manipulation vernetzter Fahrzeuge“ beantwortet: http://www.andrej-hunko.de/start/download/doc_download/435-polizeiliche-aktivitaeten-zur-ueberwachung-und-manipulation-vernetzter-fahrzeuge. Es geht dort auch um das Deaktivieren der „komfort- und sicherheitsbezogenen Dienste“. Bei e-Call geht das ja nicht. Seit 2012 versuche ich, bei BMW direkte Infos zu den vernetzten Systemen bekommen – erfolglos. Darüber hatten ja die Piraten den „Leitfaden zum Datenzugriff“ der bayerischen StA geleakt. Immerhin steht in der Antwort nun einiges zu „BMW-Assist/ ConnectedDrive“.
Ja, das ist interessant. Einmal das mit den Herzschrittmachern, aber auch anderen medizinischen Implantaten, etwa Insulinpumpen.
Mag sein, dass BMW zur Zeit einen Vorbehalt der Weitergabe der Ortsdaten macht, das erledigt sich allerdings mit der von SPD und CDU geplanten VDS, denn dann ist der Provider verpflichtet, die Ortsdaten weiterzugeben.
Aktuell kann man allen potentiellen Käufern nur raten, keinen BMW mit BMW-Assist zu kaufen.
Allein das ist schon ein Grund der Cebit fernzubleiben…:-(