Bundesinnenministerium beauskunftet 30 Arbeitsgruppen zur Zusammenarbeit von Polizeien, Geheimdiensten und Überwachungsherstellern

Unter dem Titel „Kooperationen und Projekte europäischer Polizeien im zweiten Halbjahr 2013“ hat das Bundesinnenministerium eine umfangreiche Antwort zu grenzüberschreitenden Zusammenarbeitsformen geben müssen. Abgefragt wurden beispielsweise die Inhalte und Teilnehmenden von Treffen jener 18 „Expertengruppen“, die auf Ebene der Europäischen Union der „Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung“ zuarbeiten. Die Antwort hat 70 Seiten, hinzu kommt ein umfangreicher Anhang. Deutlich wird: Das Bundeskriminalamt (BKA) ist in vielen internationalen Netzwerken ganz vorn mit dabei, richtet diese aus oder leitet entsprechende Unterarbeitsgruppen.

Angaben macht der Staatssekretär Günter Krings etwa zur „Cross-Border Surveillance Working Group“ (CSW). In dem informellen Netzwerk organisieren sich Mobile Einsatzkommandos, die für die Observation von Personen und Fahrzeugen zuständig sind. Um ihre Beobachtung auch über Grenzen hinweg zu erleichtern, müssen technische Einsatzmittel der jeweiligen Länder synchronisiert werden. Dies betrifft beispielsweise Peilsender oder Systeme zur automatischen Nummernschilderkennung (ANPR). Das deutsche BKA gehört neben Polizeibehörden aus Großbritannien, Frankreich sowie der EU-Polizeiagentur Europol zu den federführenden Teilnehmern der CSW. Immer wieder werden auch Hersteller neuer Überwachungstechnologie zu Treffen der CSW eingeladen.

Auch die Datenbestände von Europol werden beauskunftet. Obwohl hierfür gar nicht zuständig, speichert die Agentur etwa Daten zu „illegaler Einwanderung“. Deutschland zählt weiterhin zu den Power Usern von Europol. Außer dem BKA nutzen 13 weitere Länder mittlerweile den automatisierten „Data Loader“, um Informationen aus den jeweiligen nationalen Datenbeständen an Europol zu liefern.

Die Antwort enthält auch Hinweise zu Geheimdiensten. So verfügt das als „EU-Lagezentrum“ bezeichnete INTCEN derzeit über 75 MitarbeiterInnen, das militärische „EUMS INT Directorate“ über rund 40 Personen. Nicht mitgezählt sind die von den jeweiligen Mitgliedstaaten entsandten VertreterInnen. Je ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz arbeiten etwa im INTCEN mit, zwei Angehörige der Bundeswehr im EUMS INT. Bekanntlich arbeitet der Bundesnachrichtendienst daran, die Geheimdienste der EU-Mitgliedstaaten besser zu vernetzen. Welche Treffen es hierzu gegeben hat, wer eingeladen wurde und wer fernblieb, wird aber nicht einmal im geheimen Teil der Antwort mitgeteilt.

Neues gibt es hingegen zum „Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen“ (ETSI), das unter anderem weltweit gültige Standards zur Überwachung von Telekommunikation („Lawful Interception“) entwickelt. Im zweiten Halbjahr 2013 fanden drei Treffen der Arbeitsgruppe zum Abhören statt. Regelmäßig nehmen die Landeskriminalämter Nordrhein-Westfalen und Bayern teil, auf Bundesebene der Verfassungsschutz und das Zollkriminalamt (ZKA). Das BKA ist nicht selbst präsent, stimmt sich aber mit dem ZKA ab. Immer noch nimmt der Aachener Hersteller von Abhöranlagen Utimaco an Treffen teil oder richtet diese sogar aus. Auch die deutschen Firmen Siemens, P3 communications und Atis Uher sind vertreten. Die Tagesordnung führt auch das „BMWi Deutschland“ auf, womit wohl das Wirtschaftsministerium gemeint ist. Interessante Hinweise ergeben sich auch zu weiteren Herstellern von Abhörtechnologie. Genannt werden etwa die Firmen Pine Lawful Interception und Group 2000 (beide Niederlande) oder die mit Utimaco zusammenarbeitende AREA Spa (Italien).

Kürzlich hatte der FOCUS derartige Kleine Anfragen als „Spähangriff im Bundestag“ bezeichnet. In dem Hetz-Artikel des Wochenblatts kamen Beamte des BKA sowie des Verfassungsschutz Berlin zu Wort – jedoch nicht offiziell, sondern anonym. Anlass war wohl die hier vorliegende Anfrage, für deren Beantwortung die Staatsschutzabteilung des BKA zuständig war und sich gleich zwei Wochen mehr Zeit genommen hatte.

Im damaligen FOCUS-Artikel beschwerte sich der BKA-Staatsschützer über eine frühere, ähnliche Anfrage. Dort wurden polizeiliche Undercover-Agenten sowie Trojaner-Arbeitsgruppen als „Spitzel“ bezeichnet – was das Bundesinnenministerium daraufhin ausdrücklich gerügt hatte. Auch in der neuen Antwort werden Angaben zu den Spitzelarbeitsgruppen gemacht.

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2 Ergänzungen

  1. Seit wann gibt es denn diese ganzen Ämter, Dienste, Behörden, Berater, Gremien, Komissionen, Aussschüsse, Konferenzen, Vernetzer und Lobbyisten und und und! Wer hat sie ins Leben gerufen und wofür? Wieso gibt es sie seither immer noch? Terrorgefahr? Blödsinn.

    Die können mir im Leben nicht weis machen, dass ein paar Bürohansel mit Diplom im Massenüberwachen irgendwelche Anschläge im Vorfeld unterbinden bzw. verhindern könnten. Das ganze Konstrukt hier ist doch eine GeStaPo des 21. Jahrhunderts. Ist doch alles höchst unöffentlich und wie man liest mögen diese Menschen offenbar nicht das Rampenlicht. Natürlich nur aus beruflichem Interesse.

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