Bericht: Wirtschaftsministerium verhängt Exportstopp für Überwachungstechnologien (Updates)

Georg Mascolo und Frederik Obermaier berichten auf Süddeutsche.de: Gabriel stoppt Export von Späh-Software

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will den Export von Überwachungstechnologie in Unrechtsstaaten unterbinden. Sein Ministerium hat den Zoll angewiesen, die Ausfuhr streng zu kontrollieren. Mehrere Lieferungen sollen nach Informationen von NDR, WDR und SZ bereits aufgehalten worden sein.

„Autoritäre Regime unterdrücken ihre Bevölkerung schon lange nicht mehr nur mit Panzern und Maschinengewehren, sondern zunehmend auch mit Internet-Überwachungstechnologie“, begründete Gabriel diesen Schritt. „Wir wollen den Export solcher Technologien in Länder stoppen, die Bürgerrechtsbewegungen unterdrücken und Menschenrechte nicht akzeptieren.“

Gabriel will die Exporte über sogenannte Einzeleingriffe solange unterbinden, bis die Europäische Union strengere Regelungen zum Export von Spähtechnologie beschlossen hat, die automatisch auch in der Bundesrepublik gelten werden. Dies soll Ende des Jahres geschehen. Für die Lieferung von Staatstrojanern, Abhörsoftware und anderen Spähprodukten ins Ausland ist dann eine Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nötig.

Wir freuen uns über diesen Schritt, den wir seit langem fordern. (Auch wenn es irritiert, im selben Atemzug mehr konventionelle Waffen und Panzer in Milliardenhöhe zu exportieren.)

Auch Reporter ohne Grenzen begrüßt den Exportstopp für Überwachungstechnologie. Geschäftsführer Christian Mihr sagt:

Viele Regierungen bringen nicht zuletzt mit Hilfe westlicher Überwachungstechnologien kritische Journalisten und Blogger zum Schweigen. Deshalb setzen wir uns seit langem dafür ein, dass solche Technologien nicht in Staaten exportiert werden dürfen, die Pressefreiheit und andere Menschenrechte mit Füßen treten. Die Ankündigung des Bundeswirtschaftsministers ist ein positiver erster Schritt. Jetzt werden wir aufmerksam beobachten, für welche Länder der Exportstopp tatsächlich umgesetzt wird. In der Vergangenheit wurden Menschenrechte in der Außenwirtschaftspolitik leider in der Regel ignoriert.

Update: Und jetzt auch die Digitale Gesellschaft: Keine Überwachungstechnik für Autokraten: Nicht nur Deutschland, auch die EU braucht engmaschige Exportkontrollen

Eine gesetzliche Regelung in Deutschland kann allerdings nur als Auftakt einer europäischen Lösung verstanden werden. Bis Ende 2014 will der EU-Gesetzgeber Überwachungstechnologien dem Exportkontrollrecht der Dual Use-Verordnung unterstellen. Die Bundesregierung ist daher aufgefordert, auch auf europäischer Ebene mit gutem Beispiel voran zu gehen und sich in dem dortigen Gesetzgebungsverfahren mit Nachdruck für restriktive Vorschriften zur Ausfuhr von Überwachungstechnik einzusetzen.

Update 2: Jetzt hat uns auch das Wirtschaftsministerium geantwortet. Auf unsere konkreten Fragen (Können Sie uns das bestätigen? Können Sie uns die Anweisung an den Zoll im Wortlauf sagen? Seit wann gilt das? Wie viele Lieferungen wurden dabei schon aufgehalten? Welche sind das? (Produkt, Quelle, Ziel?)) ist man leider nicht eingegangen stattdessen haben wir ein Statement von Minister Gabriel erhalten:

Wir müssen in Deutschland für jedes Biathlon-Gewehr, das wir exportieren, eine Genehmigung erteilen. Aber für die Ausfuhr von Überwachungstechnik ist das bisher nicht der Fall. Das kann nicht sein. Unser Ziel ist es, den Export von Überwachungstechnologien in die Staaten zu unterbinden, in denen Menschenrechte missachtet und Bürgerinnen und Bürger unterdrückt werden. Die Bundesregierung setzt sich deshalb dafür ein, dass die jüngsten internationalen Beschlüsse des Wassenaar-Abkommens schnellstmöglich auf der hierfür zuständigen europäischen Ebene umgesetzt werden. Der Export von Überwachungstechnik kann nur so vernünftig kontrolliert werden. Es muss verhindert werden, dass entsprechende Güter zu Zwecken der internen Repression eingesetzt werden. Die Europäische Kommission ist hier jetzt am Zug und muss die Kontrolllisten in der EG-Dual-Use Verordnung anpassen.

Das Bundeswirtschaftsministerium handelt schon jetzt. Wir sprechen mit den betroffenen Unternehmen und empfehlen ihnen, nicht in problematische Länder zu exportieren. Die Unternehmen zeigen sich außerordentlich kooperativ. Falls die Unternehmen dennoch zweifelhafte Exporte in Erwägung ziehen sollten, werden wir diese auf Grundlage des AWG prüfen und im Einzelfall auch stoppen. Um effektive Exportkontrollen bei Überwachungstechnik zu gewährleisten, müssen aber alle EU-Mitgliedstaaten an einem Strang ziehen. Die EU-Kommission sollte dabei auch über die aktuellen Wassenaar-Beschlüsse hinaus konstruktive Kontrollvorschläge zu bestimmten Technologien prüfen. Die Bundesregierung wird hier am Ball bleiben.

4 Ergänzungen

  1. Autoritäre Regime unterdrücken ihre Bevölkerung schon lange nicht mehr nur mit Panzern und Maschinengewehren, sondern zunehmend auch mit Internet-Überwachungstechnologie

    Dann verstehe ich nicht, warum weiterhin Kriegsgerät (Panzer, Maschinengewehre) in Unrechtsstaaten verkauft wird. Entweder es gibt einen Stopp für Kriegsgerät UND Überwachungstechnologien oder gar nicht. Solche Halbe-Halbe-Sachen sind in meinen Augen lächerlich.

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