Siegfried Kauder: Herr Bundespräsident, unterschreiben Sie nicht das Gesetz zum Leistungsschutzrecht!

In einer mit wenigen Tagen Vorlauf einberufenen Pressekonferenz hat der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, Siegfried Kauder (CDU) dem Leistungsschutzrecht für Presseverleger einen Totalschaden attestiert. Zusammen mit dem Rechtsexperten Till Kreutzer und in Anwesenheit einer ordentlichen Zahl an Pressevertretern kritisierte er insbesondere das Verfahren der Anhörungen zum von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzesentwurf.

Die Auswahl der Sachverständigen sei einzig nach ihrer Haltung zum LSR erfolgt, es habe sich um Parteivorträge gehalten, unabhängige Sachverständige seien nicht zum Zug gekommen. Inwiefern dies ein spezifisches Problem dieses Gesetzes war, führte er nicht aus.

Darüber hinaus seien im Rechtsausschuss keine Fragen zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzesentwurfs erörtert worden, dazu hätte es auch entsprechender Verfassungsrechtler unter den Sachverständigen bedurft. Er als Ausschussvorsitzender sei auf die Vorschläge der Fraktionen angewiesen.

Kauder erinnerte daran, dass es bis heute an dem Nachweis eines Marktversagens fehlte, das staatliches Eingreifen erfordere. Es sei nicht Aufgabe des Staates, in den Wettbewerb von Firmen um unterschiedlich große Stücke des Kuchens einzugreifen.

Kreutzer führte noch eine Reihe von Problemen des Gesetzes mit einer Reihe von Grundrechten an, seine Einwände decken sich mit dem von Eco und Google in Auftrag gegebenem Gutachten zu verfassungsrechtlichen Fragen des LSR.

Die Fragen der Journalistinnen richteten sich auf die von Kauder am Ende seiner PK selbst gestellten Frage „und nun?“. Kauder strebt hier eine neue Expertenanhörung zu Verfassungsfragen an, ihm schwebt eine kleinere Runde in Form eines „erweiterten Berichterstattergespräches“ vor. Außerdem wolle er im Falle einer Abstimmung mit nein stimmen, sowie eine persönliche Erklärung abgeben, in dem die grundrechtlichen Probleme des LSR aufgeführt werden. Er wolle, so Siegfried Kauder wörtlich, dem Bundespräsidenten empfehlen, das Gesetz zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger nicht zu unterzeichnen.

Unter den Zuhörern der PK war der FDP-Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz, einer der sichtbarsten Gegner des LSR in den Koalitionsreihen. Durch die Absetzung der 2. und 3. Lesung des Gesetzes von der Tagesordnung Ende Februar wird nun der Bundesparteitag der FDP seinen Antrag gegen ein LSR vor dem Bundestag behandeln. Es erscheint schwer vorstellbar, dass im Falle einer Annahme seines Anti-LSR-Antrages die Koalition es auf eine Abstimmung im Bundestag ankommen lassen wird. Alle FDP-Parteitage, die sich bisher mit der Frage LSR beschäftigten, lehnen ein solches Gesetz ab.

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10 Ergänzungen

  1. Irgendwie ironisch, dass wir ausgerechnet jetzt auf Siegfried Kauder hoffen, um eine unvernünftige Verschlimmerung/Verschärfung bei Immaterialgüterschutzgesetzen zu verhindern.

  2. Herr Kauders Job nach der Bundestagswahl und der Abgabe seines Mandats duefte klar sein. Lobbyist im Dunstkreis von Google.

  3. Ich will mal ganz vorsichtig meinen Tipp abgeben: Entweder es fehlen noch ein paar wichtige Details im Gesetz oder Markus hat ihn geschmiert ;-)

  4. Ich halte das – vor allem im Zusammenhang mit dem „Umdenken“ in Sachen Gleichstellung homosexueller Paare, dem „Umdenken“ bei Stuttgart 21 usw. – mittlerweile für perfide Wahlkampftaktik.

    Gucken wir mal auf die Werte der CDU bei der Sonntagsfrage, sehen wir zwischen 39% (Allensbach) und 43% (Forsa). Die SPD kommt auf 24 bis 30%, die Grünen auf 14 bis 15%, die Linke auf 6-7 %, die FDP droht rauszufallen, wäre aber in Schwarz-Gelb sehr, sehr stark geschwächt.

    Mit Direktmandaten usw. fehlen der Union, wenn man die Werte mal als Maßstab nimmt, eigentlich nicht viele Prozentpunkte zur Alleinregierung. Wenn die FDP rausfällt, dürften 46, 47% reichen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Rot-Rot-Grün nicht zustande kommen wird, weil Steinbrück wohl kaum mit einer deutlich kommunistischer polternden Linken regieren kann, und Schwarz-Grün dürfte nach den Erfahrungen von Hamburg der grünen Anhängerschaft kaum vermittelbar sein, vor allem weil die Union dann so stark wäre und die Grünen nur verlieren könnten.

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