Der Mikroblogging-Dienst Twitter muss Daten eines Nutzers herausgeben, der sich an den Occupy Wall Street Protesten beteiligt hat. Das hat ein New Yorker Gericht nun gegen Twitters Einspruch entschieden. Gleichzeitig veröffentlicht der Konzern einen Transparenz-Bericht, wie oft Daten herausgegeben werden werden müssen.
Ein New Yorker Richter entschied gestern, dass Twitter alle Informationen des Accounts @destructuremal zwischen 15. September und 30. Dezember 2011 an das Gericht übergeben muss. Das umfasst öffentliche Tweets, aber auch Direktnachrichten und IP-Adressen. Den kompletten Datensatz eines Twitter-Profils haben wir mit einem Selbstversuch dokumentiert.
Der angebliche Account-Inhaber Malcolm Harris war einer von über 700 Occupy Wall Street Demonstrantinnen, die am 1. Oktober 2011 auf der New Yorker Brooklyn Bridge verhaftet wurden. Seine Tweets sollen die Verteidigung widerlegen, dass ihn die Polizei auf die Straße „geführt oder begleitet“ hat. Nach einer Weile zeigt Twitter alte Tweets nicht mehr so einfach an.
Harris‘ eigenen Widerspruch der Daten-Herausgabe lehnte das Gericht ab, weil Twitter laut seinen AGBs ein „weltweites, nicht-exklusives“ Recht zur Nutzung seiner Daten hat. Also legte Twitter Einspruch ein und verlangte einen Durchsuchungsbefehl. Auch dem erteilte das Gericht nun eine Absage, da man in öffentlichen Tweets keine Privatsphäre erwarten kann:
Wenn sie einen Tweet abschicken können sie keine Privatsphäre erwarten, genau wie wenn sie aus einem Fenster schreien. Sie haben auch kein Eigentum an ihrem Tweet, sie haben ihn der ganzen Welt geschenkt. Dies ist etwas anderes als eine private E-Mail, eine Direktnachricht, ein privater Chat oder eine andere der vielen zur Verfügung stehenden Optionen, ein privates Gespräch im Internet zu führen. Diese privaten Dialoge würden einen Durchsuchungsbefehl erfordern, um auf die relevanten Informationen zugreifen zu können.
Der Richter will die Tweets selbst lesen und dann die relevanten im Prozess erlauben. Mit den anderen Daten, die keine Tweets sind, will man überprüfen, ob der Account wirklich Malcolm Harris gehört.
Die Bürgerrechts-Organisation American Civil Liberties Union krisitiert die Entscheidung, vor allem weil Beschuldigte die Möglichkeit brauchen, die Herausgabe ihrer Daten von Dritten zu verhindern.
Ebenfalls gestern veröffentlichte Twitter einen Transparenz-Bericht. Inspiriert von Google veröffentlicht der Konzern darin Statistiken, wie viele Anfragen über Nutzer-Informationen sowie Anfragen von Staaten und Copyright-Inhabern zur Entfernung von Inhalten Twitter in der ersten Jahreshälfte erhalten hat.
Seit Januar erhielt Twitter demnach 849 Anfragen, die Nutzer-Informationen hinter einem Account herauszugeben. Davon waren 679 von den USA und 98 von Japan. Deutschland ist einer von 19 Staaten, von denen es weniger als 10 Anfragen gab. Die konkrete Zahl will man nicht veröffentlichen, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden. Insgesamt hat man in 63 % aller Fälle Daten herausgegeben, in den USA mit 75 % am meisten. Deutschland ist eins von 16 Staaten, dem man keine Daten herausgegeben hat. Das kann sein, weil kein Twitter-Account angegeben wurde oder die Anfrage nach Twitters Meinung zu weit gefasst war.
Staatlichen Anfragen zur Entfernung von Inhalten hat Twitter in der ersten Jahreshälfte nicht stattgegeben. Zwar gab es zwei Gerichtsbeschlüsse aus Griechenland und einen aus der Türkei, sowie jeweils eine behördliche Anfrage aus Frankreich, Pakistan und dem Vereinigten Königreich. Diese waren nach Twitters Meinung jedoch alle Fehlerhaft und haben beispielsweise den zu entfernenden Inhalt nicht angegeben.
Anders sieht es bei Anfragen wegen Copyright-Verstößen aus. Von 3.378 Anfragen hat man in 38 % aller Fälle Inhalte entfernt. Insgesamt wurden 5.275 Tweets und 599 Medien-Inhalte gelöscht. Leider gibt es hier keine Auflistung nach Staaten oder Anfragenden wie bei Google. Da auch hier der Digital Millennium Copyright Act zu Grunde gelegt wird, dürften aber die USA auch hier dominieren. Die Anfragen macht Twitter aber auch auf der Plattform Chilling Effects öffentlich.
„Wenn sie einen Tweet abschicken können sie keine Privatsphäre erwarten, genau wie wenn sie aus einem Fenster schreien. Sie haben auch kein Eigentum an ihrem Tweet, sie haben ihn der ganzen Welt geschenkt.“
Sollte man sich merken, wenn’s mal wieder um „geistiges Eigentum“ geht…
Es geht ja nicht um „nehmen und wiederveröffentlichen“ sondern um „lesen“. Und es stimmt doch : Wenn ich etwas öffentlich ins Netz stelle, darf ich mich nicht wundern wenn es gelesen wird.
Apropos „geistiges Eigentum“, Frank Jansen vom Tagesspiegel meint, dass wir den Verfassungsschutz u.a. gerade deswegen brauchen:
Was für ein Unsinn!
Hat sich halt etwas vertan in Wortwahl. Ich korrigiere:
„Den Nachrichtendienst aufzulösen, würde zugleich bedeuten, die Rekrutierung in den trüben Milieus von Extremisten und Spionen aufzugeben. Neonazis, Islamisten, Autonome und die von China, Russland und anderen Staaten geschickten (sic) Räuber geistigen Eigentums wären größtenteils arbeitslos. Der Verzicht auf den Verfassungsschutz wäre für eine Strategie der Spannung verheerend, gerade deswegen.
So blöd ist das gar nicht – die Stasi hat früher massiv Wirtschaftsspionage betrieben und es war Aufgabe des VS, dies zu verhindern. Das ist eigentlich die Aufgabe eines Inlandsgeheimdienstes – nicht irgendwelche Parteien unterwandern, bei linksverdächtigen Personen Gesinnungsschnüffelei zu betreiben oder rechtsextreme Terrororganisationen zu bekämpfen, sondern eben die Spionageversuche ausländischer Mächte zu unterbinden.
Und Deutschland ist in vielen Fällen nunmal attraktives Ziel. Wir haben einiges an Rüstungsindustrie, Hochtechnologie und – nicht zu vergessen – wir haben im Endeffekt auch die Technologie, um selbst eine Atombombe zu bauen. Da schadet es nicht, wenn jemand Spionageversuche unterbindet. Das ist in diesem Fall mit „geistiges Eigentum“ gemeint und (hoffentlich) nicht der russische Teenager, der sich Crysis 2 kopiert.
Laßt mich bitte resümieren.
1: Es werden jetzt die Tweets, Direktnachrichten und IPs ohne Durchsuchungsbeschluß herausgegeben.
2: Tweets sind öffentlich und deswegen brauchts keinen Durchsuchungsbeschluß.
3: Direktnachrichten sind privat und benötigen einen Durchsuchungsbeschluß.
Wie passen 1 und 3 jetzt zusammen?
Interessant finde ich das Zitat aus dem Gerichtsurteil im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht. Wenn man im aufgeführten Zitat „Tweet“ durch „Zeitungsartikel“ ersetzt:
„Wenn sie einen können sie keine Privatsphäre erwarten, genau wie wenn sie aus einem Fenster schreien. Sie haben auch kein Eigentum an ihrem sie haben ihn der ganzen Welt geschenkt.“
Aber das ist wohl etwas spitzfindig meinerseits …
Interessant finde ich das Zitat aus dem Gerichtsurteil im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht. Wenn man im aufgeführten Zitat „Tweet“ durch „Zeitungsartikel“ ersetzt:
„Wenn sie einen #Zeitungsartikel veröffentlichen# können sie keine Privatsphäre erwarten, genau wie wenn sie aus einem Fenster schreien. Sie haben auch kein Eigentum an ihrem #Zeitungsartikel# sie haben ihn der ganzen Welt geschenkt.“
Aber das ist wohl etwas spitzfindig meinerseits …
(Sorry für den doppelten Kommentar – da sind Teile des Textes nicht übernommen worden)
Immer, wenn jemand „AGBs“ schreibt, stirbt irgendwo ein Demokratieanteil. #AGB