Brief: Unser Innenminister schreibt der EU-Kommission

Vergangene Woche hat die EU-Kommission der Bundesregierung eine vierwöchige Frist gesetzt, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen und alternativ mit einem Mahnverfahren gegen Deutschland gedroht. In der Bundesregierung geht der Kampf zwischen Bundesinnenminister Friedrich als Befürworter und Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger als Gegnerin weiter. Letztere ist erst mal mit einem Vorschlag für eine Quick-Freeze-Lösung in die kurzfristige Offensive gegangen.

Interessant ist die Frage, warum gerade jetzt die EU-Kommission so Druck auf Deutschland macht, wo doch selbst auf EU-Ebene die Evaluation der bestehenden Richtlinie verzögert wird, aber viele mit möglichen Änderungen nach dieser rechnen. Uns liegt ein Schreiben (PDF) unseres Bundesinnenministers Friedrich an die EU-Kommissarin Malmström vor, das auf den 28. Februar datiert ist. Malmström hatte Mitgliedsstaaten aufgefordert, detailliertere Statistiken rund um das vermeintliche Erfolgsmodell Vorratsdatenspeicherung für die Evaluation an sie zurück zu schicken. Friedrich beschwert sich in dem Schreiben, dass aufgrund der gründlichen Arbeit des Bundesverfassungsgerichtes „keine statistisch belastbaren Erfahrungen zu den Auswirkungen der Vorratsdatenspeicherung“ vorliegen würde. Ausdrücklich erwähnt er die einstweilige Verfügung des Bundesverfassungsgericht vom 11. März 2008, die damals den Zugriff auf die Verkehrsdaten deutlich eingeschränkt hat.

Der Tenor von Friedrich: Das BKA habe in 85% aller Anfragen nach Verkehrsdaten keine Antwort erhalten, bei IP-Adressen gab es in über 90% keine Auskunft und das führte laut Friedrich dazu, dass das in „ca 80% der durch das BKA erhobenen Fälle“ dazu geführt habe, „dass eine Straftat nicht oder nicht vollständig aufgeklärt bzw. verhütet werden konnte.“ Komischerweise kommt das vom Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht unabhängig geschriebene Gutachten zur Wirksamkeit der Vorratsdatenspeicherung zu ganz anderen Ergebnissen.

Aber die spannende Frage ist: Warum hat eigentlich nicht das Bundesjustizministerium die Antwort an die EU-Kommission geschrieben, sondern das Bundesinnenministerium? Und gab es eine Abstimmung unter den Ressorts? Hat der Bundesinnenminister damit der EU-Kommission ein Zeichen gegeben, sie müsste jetzt mehr Druck auf die Bundesregierung ausüben, damit es rasch wieder zu einer Vorratsdatenspeicherung kommt?

Update: Der AK Vorratsdatenspeicherung hat jetzt auf die von Friedrich an die EU übermittelten Zahlen geantwortet:

Der Bundesinnenminister gesteht mit diesen Aussagen bereits selbst ein, dass die Zahlen des Bundeskriminalamts nicht „statistisch belastbar“ sind. Auch das BKA selbst bezeichnet seine Zahlen als „nicht aussagekräftig“ hinsichtlich der Frage, ob eine Vorratsdatenspeicherung die Zahl der aufgeklärten Straftaten erhöht. Die Zahl von 90% vom BKA nicht zuzuordnender IP-Adressen kommt auf abenteuerliche Weise zustande, etwa durch eine grotesk verzerrte Stichprobe und die Zählung veralteter, von den USA gelieferter Webserver-Logfiles. Wir haben die BKA-Zahlen schon 2010 umfassend zerpflückt. Das BKA kann nicht einmal den Vorwurf widerlegen, dass bei Zugrundelegung seiner unseriösen Erhebungsmethodik auch 2009, als IP-Adressen sechs Monate lang auf Vorrat gespeichert wurden, 90% der IP-Anfragen nicht weiter führten.

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19 Ergänzungen

  1. Hat da nicht ein Herr Schäuble als er Innenminister war auch über Bande gespielt? Ich kann mich dunkel an eine Ablehnung der VDS im Bundestag erinnern und dass danach ein Herr Schäuble in der EU die VDS angestoßen hat…..wenn dies stimmen sollte, so verwundert einem der Brief von Friedrich überhaupt nicht…..frei nach dem Motto was ich hier in De. nicht oder nur eingeschränkt durch bekomme, was u.U. böses Blut beim Wahlvolk erzeugt, macht man über die EU, denn dann hat die den schwarzen Peter…..

    Scheiß Politiker-Gesocks….

    bombjack

  2. Häufig ist Statistik ist keine Auswertung von Daten, sondern ein Argumentationshilfsmittel. Und genau als solches hat der IM Friedrich sie genutzt. Er will ja unbedingt die VDS haben, und weil das Gutachten des MPI nicht seinen Ansichten entspricht, hat er eine andere Quelle für die Zahlen genutzt. Vermutlich hat er sie vom BKA, denn der BKA-Chef ist ja auch scharf auf VDS.

  3. Ist für Statistiken über die Vorratsdatenspeicherung nicht das Innenministerium zuständig? Die werden doch vermutlich von der Polizei geführt.

  4. „darüber hinaus hat das BKA 50 Fälle beispielhaft ausgewertet“ ja, ich kann mir denken wie vollkommen ZUFÄLLIG 50 Fälle rausgesucht worden sind. Ist doch jedem klar, dass in 92% der Fälle wo das BKA beispielhaft Fälle raussucht eine Gewichtung vornimmt, womit die Aussagen nicht auf die Allgemeinheit zutreffen. Und in 85% der Fälle haben die Auswerter des BKA keine Ahnung was eine 2 oder 3 sigma-Umgebung ist.
    Und mir ist auch mal zu Ohren gekommen, dass in 87% der Fälle, wo mit statistischen Methoden umsich geworfen wird, die Grundlage für diese Aussage fehlt, wobei sich diese Zahl um 3,7% erhöht wenn Freitag Nachmittag der Abgabetermin der Zahlen ist. An einem Mittwoch mit gleichzeitiger Neumondphase verringert sich dieser Prozentsatz jedoch um 2,1 %. Das fällt nicht weiter ins Gewicht, da an diesen Tagen, Beamte in hohen Positionen beim Friseur sind, um sich die Haare schneiden zu lassen, denn wie jeder weiß, wenn man sich zu Neumond die Haare schneidet, dann ist die Wahrscheinlichkeit einer Glatzenbildung zu 31% reduziert!

  5. @Carola, geh dich trollen.

    Was du nämlich mal wieder außer acht lässt:

    Die VDS ist Verfassungswidrig und das aus gutem Grund.

    Und wer das immer und immer wieder fordert möchte eine andere Gesellschaft als sie durch unsere Verfassung (ja das Grundgesetz Verfassungsrang) definiert wird.

  6. @ bombjack: Das Schlimme ist: Diese Taktik funktioniert einwandfrei. Man schaue sich mal in den Foren großer Online-Foren um – immer ist die pöse EU Schuld.
    Damit will ich die Europäische Kommission nicht aus der Schusslinie bringen, die lässt das ja sehr gern mit sich machen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass ihre Kommissare von den Regierungschefs (w/m) =) nominiert werden.

    Immerhin bringen fleißige Leute diesen Dreck ans Licht, damit die Herren Law und Order sich nicht zu sicher fühlen können mit ihrer Klüngelei. Auch wenn das den Carolas dieser Welt nicht passt und sie von „Schnarrenberger“ gleich in die Kommentarfunktion springen.

  7. Warum hat eigentlich nicht das Bundesjustizministerium […], sondern das Bundesinnenministerium?
    Ganz einfach Frau SLS „weigert“ sich und wenn Frau Merkel ihr droht, sie „abmahnt“ oder gar entlässt, ist die Koalition im Arsch.
    Also versucht sie es jetzt hinten herum über den Hardliner Friedrich.

  8. Wieder eine Optimistin die des Lesens nicht mehr mächtig ist. Diese Selektive Mediale Nutzung ist doch echt gefährlich.

    Aber sollte dir das hier jemand irgendwann mal vorlesen, dann beantworte doch bitte: WARUM beschwerst du dich darüber das andere nicht so sicher sind?!?!

    Und wenn du das Thema einfach ignorieren willst, welche alternative Themen für Netzpolitik glaubst du sind aktuell wichtig?!?

    1. Und wieder ist der Original Post gelöscht worden. Der hier bezog sich auf Anna welche das Thema nicht mehr lesen konnte und Optimistisch war das dieses Thema nicht mehr Gesetz wird.

  9. Es gibt immer Querulanten die versuchen etwas mit Statistiken zu beweisen. Die Hälfte aller Leute weis das.

  10. @beckedahl

    Ist das Veröffentlichen des Fax-Streifens im Sinne des Zuträgers. So läßt sich zumindest das Gerät identifizieren.

  11. @Markus – Die Antwort auf die Frage, wieso der Innenminister nach Brüssel schreibt und nicht Frau SLS, ist folgende: Für eine eventuelle gesetzliche Regelung zur VDS ist zwar das Justizministerium zuständig, wenn es aber um die Kommunikation mit der EU geht, richtet sich diese nach den formalen EU-Zuständigkeiten. Da die VDS nun thematisch bei der Innenkommissarin liegt, antwortet dieser das Innenministerium (und führt auch formal die Verhandlungen, was natürlich ein besonderes Problem für Frau SLS ist und bei der Beschleunigung der angekündigten RiChtlinienüberarbeitung vorsichtig gesagt nicht gerade hilft). Anders ist es nur bei den „blauen Briefen“ der EU, die richteten sich direkt an SLS, weil sie die EU-Vorgaben ja nicht umsetzt (insofern kommt es also wieder auf die nationale Zuständigkeit an). hoffe, das war jetzt halbwegs verständlich ;-)

  12. Langweilig ist es tatsächlich, weil der politische Gegner so derartig unqualifiziert argumentiert liebe Carola…gib uns doch Deine Einschätzung oder saguns, wo wir sie finden können.

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