Zweites Update zum Schultrojaner (1. Update)

Viel Neues gab es heute nicht rund um die geplante Schnüffelsoftware für unheimliche Onlinedurchsuchungen von Schulrechnern (aka Schultrojaner) . Das liegt auch vor allem daran, dass die meisten Bundesländer heute Feiertag haben. Dafür gibt es ein erstes Statement eines Kultusministers: Dr. Ekkehard Klug (FDP), Bildungsminister in Schleswig-Holstein, kopiert dabei 1:1 die PR-Strategie der Schulbuchverlage.

„Viel Lärm um nichts“, mit diesen Worten reagierte Bildungsminister Dr. Ekkehard Klug auf die Diskussion um eine – noch nicht vorhandene – Software, mit deren Hilfe in Zukunft die Einhaltung des Urheberrechtes an den Schulen sichergestellt werden soll. Der zwischen den Kultusministern der Länder und der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) geschlossene Vertrag besage ausdrücklich, dass vor dem Einsatz einer solchen Prüfsoftware „die technische und datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit der Software vorausgesetzt“ werde, erläuterte Klug. „Selbstverständlich lassen wir nichts an die Schulen, was diese Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht erhält.“ Klug bezeichnete die Diskussion als „Gespensterdebatte“: „Hier wird etwas als Schultrojaner diffamiert, was es noch gar nicht gibt.“

Also alles in Ordnung aus Sicht der FDP, wenn private Ermittler mit eigener Software Razzien auf Schulrechnern durchzuführen, um dort kopierte Schulbücher zu suchen? Ich bin mal auf weitere Reaktionen gespannt und glaube nicht, dass das eine einheitliche Linie der Kultusminister bleiben wird.

Einen anderen Aspekt aus dem Vertrag, den ich nicht so hervorgehoben habe, bloggt Professor Rainer Kuhlen bei netethics: Nicht nur „Schnüffelsoftware“, sondern im Gesamtvertrag über den Tisch gezogen: Schulen sollen analog bleiben. Er findet es nicht minder skandalös, dass sich die Länder in dem Gesamtvertrag von den Verlegern und Verwertungsgesellschaften haben über den Tisch ziehen lassen. Sie hätten es gebilligt, dass die Schulen weiter brav im analogen Zeitalter verharren sollen und die Verlage ihre obsoleten Gechäftspolitiken weiter verfolgen dürfen.

Einen schönen offenen Brief an die Schulbuchverlage hat das Lehrerblog herrlarbig.de verfasst:

Es geht mir darum, dass jener Paragraph 6, Absatz 4 mit keinem Wort auf der Website http://www.schulbuchkopie.de/ erwähnt wird, die vom VdS und der KMK gemeinsam verantwortet wird.

Es geht mir darum, dass uns immer angepriesen wurde, dass eine lehrerfreundliche Regelung zur Kopienfrage aus Schulbüchern gefunden sei, aber nie gesagt wurde, dass wir im Gegenzug Überwachungsmaßnahmen digitaler Art durch den Schulträger im Auftrage der Schulbuchverlage zu akzeptieren hätten. Die Personalräte wurden meines Wissens nach mit dieser Frage ebenso wenig befasst, wie die Datenschutzbeauftragten der Schulen.

Es geht mir darum, dass solche Entscheidungen zur Installation von Spyware an Grundüberzeugungen rütteln, die das Zusammenleben in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung prägen: Freiheit, Vertrauen und nicht zuletzt der Respekt vor den geistigen Leistungen Dritter.

Update:

Ilja Braun schreibt im Blog der Digitalen Linken über die urheberrechtlichen Implikationen des Vertrages:

Zusammengefasst stellt sich die Sache wie folgt dar:
1. Die Verleger drängen die Bundespolitik, ein Verbot des Kopierens aus Schulbüchern in §53 UrhG hineinzuschreiben.
2. Mit Verweis auf dieses Gesetz drängen die Verleger die VG WORT, einen Teil ihrer Ausschüttung von Urhebern (Schulbuchautoren) auf Verwerter (Schulbuchverleger) umzuverteilen und für sie die Lizenzierung und das Inkasso zu übernehmen.
3. Die Verleger pressen den Kultusministern eine Vereinbarung ab, die ihnen gegen Zahlung einer Vergütung das wieder erlaubt, was ihnen gerade per Gesetz verboten wurde, nämlich das Kopieren aus Schulbüchern für den Unterricht nach §53 UrhG. Allerdings nur das analoge Kopieren, digitale Vervielfältigungen bleiben verboten.
4. In derselben Vereinbarung drängen sie die Kultusminister dazu, Schulleitern und Lehrern für den Fall einer Missachtung dieser Vereinbarung Disziplinarmaßnahmen anzudrohen und eine Spähsoftware einzusetzen.

Update: Hier geht es zu den weiteren Neuigkeiten in einem neuen Artikel.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

22 Ergänzungen

  1. Wenn ich mal klug scheißen darf
    Das liegt auch vor allem daran, dass die meisten Bundesländer heute Feiertag haben.
    aber ich wusste nicht das 5 Bundesländer schon die meisten sind. ;) Meintest du evtl. die wichtigsten? O:)

  2. Lehrer sollen Lern-Kollagen für ihre Schüler machen dürfen, sei es digital oder analog. Natürlich mit Nennung der Quellen und keine 100 %igen Auszüge. Mehr will man doch nicht. Das zu vermitteln sollte doch ein FDP Dr. schaffen. Nennt sich Schule, neben.

  3. Aus dem Blog zitiert, namentlich aus „herrlarbig“. — Es geht mir darum, dass solche Entscheidungen zur Installation von Spyware an Grundüberzeugungen rütteln, die das Zusammenleben in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung prägen: Freiheit, Vertrauen und nicht zuletzt der Respekt vor den geistigen Leistungen Dritter. —

    Wie typisch gutmenschlich Lehrer und Konsorten doch sind. Freiheit, Vertrauen und Respekt bla bla…. Auf dem Schulhof und in der Schulklasse Handies mit Pornos drauf, die Lehrerschaft schaut weg. Anstatt dem Unterricht zu folgen, werden Schulrechner für Straftaten genutzt. Kontrolle? Nein! Das ganze Lehrervolk ist durch die Bank daneben. Nicht umsonst herrschen heute an Schulen Zustände, daß keine Eltern ihre Kinder dorthin geben möchten. Der Staat? Ist es nicht Aufgabe des Staates, wenn schon Schulpflicht besteht, die Kinder dort sicher, ungeschädigt und gebildet wieder abzuholen? Wie kommen sie stattdessen heraus? Verprügelt, verletzt, ungebildet! Aber das ist wohl ein anderes Thema. Dieser Staat hat sich verdammt nochmal darum zu kümmern, daß Kindern nicht übler aus den Schulen rauskommen, wie sie reingegangen sind. Das erste Wort auf meiner Schule früher, das mir zu Ohren kam, war „Fotze“. Das sagte ein Schüler zur Lehrerin. Da wußte ich, hier werde ich nicht alt. Zwei Tage, dann war ich in einer anderen Schule. Eltern, achtet auf Eure Kinder, wenn es der Staat in der Schule nicht macht. Und zieht den Staat zur Rechenschaft! Überzieht ihn mit Schadensersatzklagen, Strafanzeigen, Unterlassungsklagen und so weiter. Immer drauf!

    Dani

    1. Dani, du hast vielleich ein paar Erfahrungen, aber keine Ahnung.

      In einer Nußschale argumentierst du, dass, weil du irgendwo Fäkalsprache gehört hast, ist das System korrupt und alle Schulkinder in Gefahr sind. Und damit relativierst du mal eben alles.

      Weeste, die Richtung stimmt: Schulen sind dem Staat nicht wichtig genug. Lehrer aber eben auch nicht. Solange Bildung unter „Gedöns“ läuft, kann das nichts werden. Soweit geh‘ ich ja sogar mit dir in die gleiche Richtung. Aber wenn du direkt Leute aufforderst, zum Kadi zu rennen, hast du den Knall nicht gehört, Troll. Es geht hier darum, sowohl Lehrer als auch ihre Schüler (ja, die mit den Pornohandies!einself!) unter Generalverdacht zu stellen und sie zu überwachen. Klaaaar, das Lehrervolk ist daneben und am besten auch noch Schuld an Beschimpfungen und so weiter! Die Eltern, die übrigens auch einen Erziehungsauftrag haben könnten, die spielen natürlich keine Rolle. Und Überhaupt, du argumentierst gar nicht am Thema vorbei, weil natürlich Schimpfworte und Pornos auf privathandies schlimmer sind als Grundrechtsbruch, Verlust des Schutzes der (erweiterten) Privatsphäre, der Verlust der Schutzzone für Minderjährige, der ausgesprochene Vertrauensbruch des Dienstherren gegenüber seinen vereidigten Angestellten und Beamten.
      Schön geuhlt hast du. :koppschüttel:
      Furchtbar find ich, daß Leute wie du auch die Politik machen, die wir jetzt ausbaden…

      1. +++ und danke!

        ät Dani: Gutmenschen sind natürlich scheisse, würden doch alle einender mit viel mehr Mißtrauen begegnen und sich gegenseitig nur noch durchs Kameraauge begutachten, verklagen und erziehen – die welt wäre so viel besser.

    2. Oh wie furchtbar. Ich bin in den 1970ern zur Schule gegangen. Da wurden unter dem Tisch die Pornoheftchen vom grossen Bruder rumgereicht, und die Fäkalsprache war auch nicht viel anders. So sind sie die Jugendlichen, und spätestens mit 35 sind die meisten trotzdem alle ganz brave Eltern und zetern über die schlimmen Zustände an den Schulen.

    3. Also zu diesem Kommentar fällt einem wirklich nichts mehr ein. Ich bin mir nicht sicher, ob sich hier nur jemand zum Troll des Tages bewirbt, oder das ernst meint. Ich nehm’s mal ernst und versuche, etwas entgegenzuhalten:
      Zuallererst mal zu den „Pornohandys“. Handys haben in der Schule ausgeschaltet zu sein, ansonsten werden sie abgenommen. Selbst wenn ich dies tue, darf ich natürlich nicht überprüfen, welche Inhalte sich auf dem Telefon befinden, da ich dann die Privatsphäre der Kinder verletze. Hier sind also die Eltern gefragt, zu kontrollieren und den Zugang zu solchem Material einzuschränken. Was genau kann ich dafür, wenn sie den Schülern die Zugangsmöglichkeiten geben?
      Und die Kopierfrage: Ich für meinen Teil benutze so weit als möglich das eingeführte und damit im Klassensatz vorhandene Lehrwerk. Da aber von mir erwartet wird, einen möglichst guten Unterricht zu machen, das heißt mit verschiedenen Medien, Methodenwechsel, ansprechendem Material usw. Wird das Lehrwerk gelegentlich durch andere Quellen ergänzt, was übrigens rechtlich unbedenklich ist. Ich für meinen Teil schaffe mir sowieso schon sehr viel Material ( ganz zu schweigen von Büratmaterial und Verbrauchsgegenständen wie Folien etc. an). Ich sehe nicht ein, warum ich kriminalisiert werden soll, wenn ich versuche meinen Job, übrigens auch für die Kinder der Verlagsherren, gut zu machen!

  4. Ich habe gerade den tollen Text auf netethics gelesen. Was die Sache noch lustiger macht:

    Ich wurde von Klett mal beworben, dass dort digitale Zusatzangebote zum Schulbuch der 12. Klasse im Gymnasium gemacht werden. Das lief über einen Code im Buch. Ich denke die Lizenz muss die Schule erwerben wenn alle Schüler das nutzen sollen. Aber bedeutet das laut dem Vertag nicht sogar, dass man das immer ausdrucken muss, auch wenn es schon digital vorliegt?

    Ungeachtet dessen: die Verlage haben erkannt, dass im digitalen Profit gemacht werden kann, sie haben auch erkannt, dass die Schule da nicht als kostenloser Anbieter auftreten darf.

  5. Was, nur analog?
    Auweia, das wird schwierig mit den Kopiergeräten.
    Gibts heute überhaupt noch „große“ Geräte, die analog funktionieren? Ich meine, Duplex und Klassensätze… das wird doch heute meistens über RAM und Festplatte gemacht, oder?

    1. Wikibooks halte ich auch für eine gute Alternative, von daher kann jedem Lehrer/Student/Dozent mit ein bißchen Zeit nur nahegelegt werden, sich dort zu beteiligen. Sobald das Bücherwerk erst einmal „komplett“ ist, lassen sich dort mühelos Arbeitsmaterialien beschaffen.
      Vor allem mehr Grafiken müssten noch hinzugefüt werden, um die Schüler stärker anzusprechen :)

      Ich kann auch nicht sehen, wo das in irgendeiner Form rechtlich angreifbar sein sollte (es gibt ja auch auf anderen Seiten schon offene Praktukumsvorschriften), es sei denn jemand schreibt 1:1 ein Schulbuch ab.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.