Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die Berichte der Bundesregierung an das Bundesverfassungsgericht veröffentlicht. Darin wird detailliert ausgeführt, wie häufig im Zeitraum von 1. März bis zum 31. August 2009 sowie im Jahr 2008 auf Vorratsdaten zurückgegriffen wurde.
2008 gab es in 8.316 Verfahren insgesamt 13.426 Erstanordnungen zur Erhebung von Verkehrsdaten. Im halbjährigen Zeitraum 2009 waren es 7.538 Erstanordnungen in 3.968 Verfahren. Das Papier listet auch die Anfragen der einzelnen Bundesländer auf. Besonders eifrig waren 2009 Behörden in Bayern, die 1.804 Anordnungen in 999 Verfahren erließen. Umgerechnet auf die Bevölkerungszahlen der Bundesländer nutzten allerdings Bremen und Berlin noch häufiger Vorratsdaten.
Bis zur vorläufigen Einschränkung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht am 11. März 2008 war neben Abfragen bei schweren Straftaten nach § 100a StPO auch die Nutzung von Vorratsdaten in Verfahren wegen mittels Telekommunikation begangener Straftaten möglich. Für 2008 listet der Bericht 1.414 solche Anfragen auf. Der Großteil der Anfragen bezog sich also auf schwere Straftaten (12.469 in 2008).
Der Bericht aus 2008 listet auch das Alter der abgefragten Daten auf. Auffällig ist, dass 995 Anfragen sich auf Daten bezogen, die älter als sechs Monate waren. Die Vorratsdatenspeicherung schreibt lediglich eine Speicherung auf sechs Monate vor. Zwar konnten 931 Anfragen nicht beantwortet werden, weil Daten nicht oder nur unvollständig vorhanden waren. Darin sind allerdings auch Anfragen enthalten, die an Provider gingen, die 2008 die Vorratsdatenspeicherung noch nicht implementiert hatten. Daraus ergibt sich, dass offenbar Anfragen für Daten erfolgreich waren, die gar nicht mehr gespeichert hätten sein dürfen.
Im Berichtszeitraum 2009 fällt auf, dass 181 Anordnungen in 170 Verfahren ohne Auskunft blieben, „weil es sich nicht um Straftaten nach § 100a Abs 1 und 2 StPO handelte“. Hier wurden offensichtlich in beinahe 200 Fällen Versuche unternommen, fälschlischerweise auf Vorratsdaten zurückzugreifen. Da stellt sich die Frage, wie hoch die Dunkelziffer an Fällen ist, in denen die Auskunft trotzdem erteilt wurde.
Laut den Rückmeldebögen der verantwortlichen Behörden „vereitelte“ die Erfolglosigkeit des Auskunftsersuchens um Vorratsdaten in 125 Fällen die Aufklärung einer Straftat, in 30 Fällen erschwerte sie diese. Nur 25 mal hatte das Fehler von Vorratsdaten „keine nachteiligen Auswirkungen“. Diese Formulierungen sind auffällig missverständlich: Da die Vorratsdaten aufgrund der vorläufigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur angefragt werden dürfen, wenn andere Ermittlungsmöglichkeiten wesentlich erschwert oder aussichtslos sind, ist fraglich, ob mit die betreffenden Fällen mithilfe dieser Daten aufgeklärt werden könnten.
Der letzte Satz ist etwas zerwürfelt.
Wie lächerlich sowas in der Realität dann ablaufen kann, sieht man z.B. hier, wo ein Social Network dazu gezwungen werden sollte, einen User zu überwachen:
http://blog.aka-aki.com/?p=1054&lang_pref=de
„Im Berichtszeitraum 2009 fällt auf, dass 181 Anordnungen in 170 Verfahren ohne Auskunft blieben, “weil es sich nicht um Straftaten nach § 100a Abs 1 und 2 StPO handelte”. Hier wurden offensichtlich in beinahe 200 Fällen Versuche unternommen, fälschlischerweise auf Vorratsdaten zurückzugreifen.“
Das Gesetz erlaubt den Zugriff auf Vorratsdaten nach § 100g StPO in zwei Fällen: bei schweren Straftaten und bei Straftaten, die per Telekommunikation begangen wurden. Das BVerfG hat durch einstweilige Anordnung geregelt, dass nur Auskunftsersuchen der ersten Art derzeit beantwortet werden dürfen, weil hier eine Verzögerung nicht vertretbar ist. Auf Auskunftsersuchen der zweiten Art hin dürfen die Provider derzeit keine Auskunft geben, müssen die angefragten Daten aber über den 6-Monats-Zeitraum hinaus weiter speichern, damit (wenn das Gesetz als verfassungsgemäß beurteilt wird) die Auskunft nachträglich noch erfolgen kann. Um solche Fälle handelt es sich demnach hier, nicht etwa um „fälschliche“ Zugriffe.
Aber glücklicherweise muß man ja nichts von der Materie verstehen, über die man sich aufregt. :)
@tth
§ 100g Abs 2 StPO sind die – nicht mehr erlaubten – Auskünfte zu Verbrechen, die via Telekommunikation begangen wurden. Wenn Anfragen vorlagen, die weder nach § 100a Abs 1 noch 2 StPO gerechtfertigt waren, so handelt es sich um Anfragen wegen Verbrechen, die weder schwer (Abs 1) noch über TK begangen (Abs 2) wurden – und sind damit nicht gerechtfertigt.
(correct me if I’m wrong, aber deine Begründung kann ich so nicht nachvollziehen)
20 000 Tatverdächtige klar – das ist fast nullkommanix Verdächtige bei 80 Mio.
Achtung Ironie!!
Wer überwacht eigentlich Babyfone? Denn wer schreit macht sich verdächtig. Oder will was?
Den Haushalt schädigen, friedliebende Nachbarn ärgern. Und wer nicht schreit ist vielleicht ein Schläfer.