Hausdurchsuchung bei Wikileaks.de?

Gerade vermeldet Wikileaks auf Twitter, dass es eine „Gefahr im Verzug“-Hausdurchsuchung beim Domaininhaber von Wikileaks.de gegeben haben soll. Dieser sitzt laut Denic in Dresden. Als Grund wurden nur kurz „Internet-Zensurlisten“ angegeben und weitere Informationen angekündigt: „Stay tuned“.

Mehr Informationen gibt es im Moment nicht. Allerdings dürften die Sicherheitsbehörden beim Domaininhaber nichts finden. Dazu ist Wikileaks zu dezentral aufgebaut. Aber unnötigen Ärger und Einschüchterung für den Domaininhaber wird das sicherlich bringen.

Update 2:30h: Wikileaks hat zu diesem Vorfall eine englischsprachige Pressemitteilung und das Polizei-Protokoll der Durchsuchung veröffentlicht. Aus ihm gehe hervor, dass der Betroffene bei der Durchsuchung nicht über seine Rechte aufgeklärt worden sein soll („shows the box to be left unchecked“). Kein Wunder also, dass er weder Widerspruch zur Beschlagnahmung einlegte noch einen Zeugen hinzugogen habe. Entspricht diese Einschätzung der Wahrheit, wär diese rechtsstaatlich entsprechend skandalös und sollte ein entsprechendes Nachspiel haben.

Wikileaks.org rückt die Durchsuchung in den Zusammenhang mit der aktuellen politischen Stimmung um Ursula von der Leyen über die Sperrungen kinderpornographischer Websites:

The raid appears to be related to a recent German social hysteria around child pornography and the political battle for a national censorship system under the German family minister Ursula von der Leyen. It comes just a few weeks after a member of parliament, SPD minister Joerg Tauss had his office and private house searched by police and German bloggers discussing the subject were similarly raided.

Hintergrund zu Wikileaks.org bietet der Netzpolitik-Podcast 071 mit Julien Assange von Wikileaks.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

55 Ergänzungen

  1. Dass die Behörden nichts finden, sehe ich nicht als gegeben an. Wikileaks geht zuweilen sehr unvorsichtig mit digitalen Daten um.

  2. Die Aufklärung nach PAG (deren Feld nicht angekreuzt wurde) ist nur bei Durchsuchungen zur Gefahrenabwehr anwendbar, nicht bei Durchsuchungen im Strafverfahren wie hier. Deshalb ist es völlig normal, dass das Feld freigelassen wurde.

    Entscheidend ist ein Kreuz ganz unten, wo der Durchsuchte auf Widerspruch verzichtet hat. Damit hat er verloren. Er hat sich über den Tisch ziehen lassen und kann sich nur noch sehr eingeschränkt gegen das weitere Verfahren wehren.

    Hätte er sich rechtzeitig zB. bei Udo Vetters Vortrag auf dem CC-Congress über seine Rechte informiert, wäre ihm das nicht passiert. Jetzt ist es spät.

    1. @Marc B.: Wieso war das keine Durchsuchung zur Gefahrenabwehr? Da ist doch „Gefahr im Verzuge“ angekreuzt (ganz oben).

      1. OK, dann mache ich eben eine Einführung in das Polizeirecht: Polizei wird in Deutschland in zwei verschiedenen Funktionen tätig. Erstens in originärer Zuständigkeit präventiv, also bevor ein Tat begangen wird oder eine andere Gefahr sich verwirklicht. Das ist Handeln zur Gefahrenabwehr.

        Zweitens handelt Polizei repressiv im Auftrag der Staatsanwaltschaft zur Aufklärung einer bereits begangenen Tat.

        Die Durchsuchung heute morgen diente dem Auffinden von Beweismitteln einer vermuteten Straftat nach §184a und weiterer Taten, ist also dem zweiten Handlungskontext zuzurechnen.

        „Gefahr im Verzug“ kann in beiden Kontexten vorliegen und bezieht sich nur darauf, dass nicht auf einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss gewartet werden kann, weil in der Zwischenzeit der Zweck des Eingriff verfehlt werden könnte, hier die zu suchenden Beweismittel verfallen oder vernichtet werden könnten.

        Soweit verständlich? Es gibt ein paar ganz brauchbare Texte dazu im Netz, sie sind meist unter den entsprechenden Begriffen in der Wikipedia verlinkt.

  3. Frau von der Leyen soll endlich mal klarmachen, wie sie die Internetsperren technisch umsetzen will in Zeiten von Proxy und Co. Blinder Aktionismus! Das wird das Problem nicht lösen. Leider!

  4. Marc B: Ähnliches hab ich vermutet. Aber wenn das Protokoll eben nicht unterschrieben ist, kann der vermeintliche Verzicht auf einen Einspruch ja kaum bindend sein, oder?

  5. Dieses Formular ist aber bezüglich des Widerspruchs sehr seltsam formuliert, ich stelle mir das gerade richtig schön vor:

    Polizist: „Herr X., geben Sie den Laptop freiwillig her?“
    Herr X.: „Nein!“ (Polizist kreuzt Nein an)
    P.: „Sind Sie mit der Durchsuchung einverstanden?“
    X.: „Nein“ (Polizist kreuzt Nein an)

  6. Die Rechteaufklärung hat fälschlicherweise nicht stattgefunden. Da Gefahr im Verzug angkreuzt war, kann man doch wohl von einer Gefahrenabwehr ausgehen.
    Ausserdem ist die Sauklaue des Beamten eine Frechheit, da man kaum entziffern kann, was da eigentlich vorging.
    Weshalb dem Inhaber von Wikileaks.de Kinderpornographisches vorgeworfen wird, würde mich dann doch brennend interessieren. Irgendwie hat das den Anschein von Willkür und riecht verdammt nach Staatsterror wie zu Adolfs Zeiten…

  7. @Marc B.:

    Laut Text der englischsprachigen Pressemitteilung hat der Domaininhaber NICHT auf Widerspruch verzichtet und sich u.A. deswegen geweigert, das Protokoll zu unterschreiben, weil es trotzdem angekreuzt war.

  8. Das musste ja so kommen. Gegen eine so organisierte,und dermassen hochentwickelte Instanz wie das „System“ kommt kaum einer gegen an. Und da kommt ein kleiner „Wurm“ daher und will den in die Suppe spucken.
    Wacht auf Leute.
    Das bedeutet nicht dass meiner einer dieses vorhaben von „morphium“ nicht gut findet. Nein ganz im gegenteil.
    Aber es ist ein kampf gegen Goliath. Vergisst es mal schnell und finanziert weiterhin Kinderportale, Pornoseiten und, Umfrageforums wo es nun wirklich niemanden interresiert, ob da Wahrheit, oder Lueg und Trug korespondiert wird.

    Nur wer gegen den Strom schwimmt,
    kommt an die Quelle.

    aber …

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.