Offener Brief an den Verwaltungsrat des ZDF

Auf Initiative von Telemedicus wurde ein offener Brief im Fall Brender formuliert und von einigen Personen erstgezeichnet. Diese Brief steht jetzt hier, auf Telemedicus und auf carta online und kann bei Telemedicus in den Kommentaren mitgezeichnet werden.

Offener Brief an den Verwaltungsrat des ZDF

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Mitglieder des ZDF-Verwaltungsrates stehen Sie vor einer wichtigen Entscheidung. Nach dem geltenden ZDF-Staatsvertrag fällt es in Ihren Aufgabenbereich, gemeinsam mit dem Intendanten den Chefredakteur zu berufen. Der Intendant hat eine Weiterbeschäftigung von Nikolaus Brender vorgeschlagen. Herr Ministerpräsident Roland Koch hat demgegenüber angedeutet, dass dieser Vorschlag in Ihrem Gremium keine Unterstützung finden wird. Demnach sei Nikolaus Brender für einen Quotenrückgang im Nachrichtensegment des ZDF verantwortlich. Wir sind der Auffassung, dass dies nicht als Grundlage für Ihre Entscheidung geeignet ist.

In Ihrer heutigen Sitzung werden Sie nicht nur über die berufliche Zukunft von Nikolaus Brender entscheiden. Ihr Beschluss wird auch eine der Grundfesten des freien Rundfunks in Deutschland berühren – nämlich das Prinzip der Staatsferne. Denn eine Entscheidung über den Posten des Chefredakteurs ist nicht nur eine bloße Personalentscheidung: Sie hat zwangsläufig auch mittelbare Auswirkungen auf das Programm.

Ergreift ein staatlicher Vertreter im Verwaltungsrat die Initiative, sich dem Personalvorschlag des Intendanten entgegenzustellen, ist eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit des Rundfunks zu befürchten. Zumindest ist in einem solchen Fall eine besondere Begründung erforderlich, um eine politisch motivierte oder willkürliche staatliche Einflussnahme auszuschließen.

Die vorgebrachte Begründung ist jedoch nicht tragfähig. Wir sind der Auffassung, dass die inhaltliche Bewertung der bisherigen Arbeit des Chefredakteurs nicht dem Verwaltungsrat obliegen kann. Denn er ist – im Gegensatz zum Fernsehrat – nicht als pluralistisch besetztes Gremium konzipiert. Daraus folgt, dass es ausschließlich Aufgabe des Fernsehrates ist, die inhaltliche Gestaltung des Programms durch den Chefredakteur zu bewerten. Andernfalls würde dem Verwaltungsrat ein Einfluss auf inhaltliche Fragen zuteil, der nach der Kompetenzverteilung des ZDF-Staatsvertrages nicht vorgesehen ist und verfassungsrechtlich nicht zulässig wäre.

In diesem Fall hat der Fernsehrat jedoch keinen Grund zur Beanstandung an der Arbeit von Nikolaus Brender gesehen. Wir halten es daher für unzulässig, wenn Sie sich dieser Einschätzung entgegenstellen würden.
Unser Anliegen ist es nicht, für Herrn Brender Partei zu ergreifen. Wir appellieren vielmehr an Sie, die Kompetenzverteilungen des ZDF-Staatsvertrages zu achten und die Unabhängigkeit des Rundfunks zu bewahren.

Adrian Schneider, telemedicus.info, Münster
Thomas Mike Peters, telemedicus.info, Münster
Dr. Robin Meyer-Lucht, carta.info, Berlin
Markus Beckedahl, netzpolitik.org, Berlin

Prof. Dr. Rainer Erd, Universität Darmstadt
Prof. Dr. Lars Harden, Fachhochschule Osnabrück
Prof. Dr. Thomas Hoeren, Universität Münster
Prof. Dr. Hans J. Kleinsteuber, Universität Hamburg
Prof. Dr. Karl-Heinz Ladeur, Universität Hamburg
Prof. Dr. Volker Lilienthal, Universität Hamburg

Anja Assion, telemedicus.info, Leipzig
Thorsten Feldmann, LL.M., Kanzlei JBB, Berlin
Dr. Tobias Gostomzyk, Rechtsanwalt, Hannover
Jan Kottmann, LL.M., Rechtsanwalt, Berlin
Dr. Till Kreutzer, Rechtsanwalt, Hamburg
Henning Krieg, LL.M., Rechtsanwalt, Frankfurt
Simon Möller, telemedicus.info, Leipzig
Christiane Müller, telemedicus.info, Münster
Thomas Stadler, Rechtsanwalt, Freising
Klaudia Wick, Journalistin, Berlin

Eine Aktion von www.telemedicus.info, www.netzpolitik.org und www.carta.info.

16 Ergänzungen

  1. Ich habe mich ohnehin schon immer gefragt, warum die Exekutive überhaupt (!) Einfluss auf die Programmgestaltung haben darf.
    Die Gefahr der „gelenkten Demokratie“ ist ja augescheinlich. Kein Politiker sollte auf den ÖFR Macht ausüben dürfen.

  2. Nicht zu vergessen, dass Roland Kochs Argument bzgl. der ZDF-heute nachweislich nicht den Tatsachen entspricht.

    Ich kann nicht sagen, ob Brender ein durch und durch guter Mann ist. Aber da Koch ihn weg haben will ist das sehr wahrscheinlich. Außerdem darf diese Art der Einflussnahme nicht sein, was ja der eigentliche Skandal ist.

    Captcha: state drucker ;)

  3. Hö? Die üben doch schon lange massig Macht aus, bei den ÖFR und bei den Privaten.

    Was denkst du wieso die Berichte über Killerspiele so einseitig (und gefaked) waren?

  4. Hat nicht der Brender unerlaubt umdeklarierte jüdische Vermächtnisse dazu benutzt, schmierige politische Propaganda aus Anstaltsinsassen sprechen zu lassen?

    Ist es nicht legitim, dass Roland Koch hier hart durchgreift?

    Das ZDF ist immerhin für die CDU erschaffen worden.

  5. Markus, Du kannst mich gerne auch dazuschreiben:
    Dominik Boecker, Rechtsanwalt, Köln

    VG aus K
    Dominik

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