Wie Markus hier bereits berichtet hat, war das Gespräch mit Digitalkommissar Günther Oettinger im Bundestagsausschuss Digitale Agenda nicht öffentlich. Das ist auch deshalb ärgerlich, weil dort auch wieder Oettingers Pläne für die anstehende Reform des EU-Urheberrechts Thema waren. Neben einem neuerlich revidierten Zeitplan zeigte sich Oettinger demnach auch prinzipiell offen hinsichtlich der Frage, ob das Urheberrecht wie bisher mittels Richtlinie oder nicht doch im Wege einer Verordnung geregelt werden könnte. Zumindest ist das meine Lesart folgender Antwort von Oettinger auf eine Frage des SPD-Abgeordneten Christian Flisek, notiert von einem Teilnehmer an der Ausschusssitzung:
„Urheberrecht ist zum Teil nicht nur Wirtschaftsrecht, sondern Ausdruck eines gewachsenen kulturellen Verständnisses. Will man also ein einheitliches Urheberrecht oder nur eine Regulation, die Spielraum lässt. Das ist offen.“
Alleine der Umstand, dass Oettinger diese Frage zur Disposition stellt, ist bemerkenswert. Denn viele Probleme mit dem heutigen EU-Urheberrecht sind auf die Regulierung mittels Richtlinie zurückzuführen. So listet die EU-Urheberrechtsrichtlinie zwar eine Reihe von möglichen Ausnahmebestimmungen („Schranken“) wie Zitatrecht, Privatkopie oder Wissenschaftsschranke, schreibt diese allerdings nicht zwingend vor. Im Ergebnis führt diese Situation zu einer Vielzahl an national unterschiedlichen Schrankenregelungen – ein Albtraum für den digitalen Binnenmarkt ebenso wie für einen europäischen Forschungs- und Hochschulraum. So können sich beispielsweise Bibliotheken prinzipiell nicht darauf verlassen, dass Ausnahmebestimmungen in ihrem Heimatland auch in anderen EU-Ländern in ähnlichem Maße gelten.
Eine Neuregelung des europäischen Urheberrechts im Wege einer unmittelbar anwendbaren Verordnung würde diese Probleme auf einen Schlag lösen. Selbst wenn sonst keine Korrekturen vorgenommen würden, wäre das bereits ein Fortschritt. Wenn also Oettinger mit einem „einheitlichen Urheberrechtsbegriff“, wie er im Handelsblatt zitiert wurde und mit seiner heutigen Aussage im Bundestag noch einmal untermauert hat, die Idee einer EU-Urheberrechtsverordnung meint, dann könnte die Urheberrechtsdebatte durchaus an Fahrt aufnehmen.
[Update, 4.11.2014, 16.25]
Halina Wawzyniak, Abgeordnete der LINKEN, hat über die Ausschusssitzung gebloggt und verweist ebenfalls auf Oettingers Offenheit bezüglich der Regulierungsform. Ihr zu Folge sprach Oettinger davon, dass entweder ein „einheitliches Urheberrecht in Europa oder Rahmenregelungen, die nationalstaatlich auszufüllen oder zu ergänzen sind“ möglich seien.
Meinst du hier „scheinbar“ (ist in Wirklichkeit nicht so) oder „anscheinend“ (sieht so aus, ist auch so) ? Ich wette, du meinst eigentlich „anscheinend“. Allerdings meint Onkel Oettinger eher „scheinbar“. Ich wette, er will gar nicht das Urheberrecht vereinfachen, sondern nur neue Profitspannen für einzelne grosse Unternehmen schaffen. Aber das werden wir ja sehn.
Hast Recht, dass ich eher „anscheinend“ gemeint habe, dass „scheinbar“ aber vielleicht näher an der Realität dran sein könnte.. ;-)
Ich saß mal zufällig mit Leuten die im Abmahnbusiness tätig sind in lockerer Runde beisammen und habe die gefragt, was eigentlich von einer Vereinheitlichung des Europäischen Urheberrechts zu erwarten wäre.
Die erste Antwort war „Das geht nicht“.
Die zweite Antwort war „Das müsste dann überall an die in Deutschland geltenden Regelungen angepasst werden“.
Wenn sich da auf EU-Ebene wirklich was tut, dann ist das ein kleines Wunder.