Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) will „eine härtere Gangart“ gegen Schwarzarbeit einlegen. Die wenigen, „die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern“, sollen „auch dingfest gemacht werden“, kündigte der Minister an. Helfen soll dabei der Gesetzentwurf „zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung“, den das Bundeskabinett gestern beschlossen hat.
Unter Schwarzarbeit werden Arbeitsverhältnisse verstanden, die nicht der Sozialversicherung und dem Finanzamt gemeldet werden. Laut Zoll verursachte diese Form der illegalen Arbeit im vergangenen Jahr einen Schaden in Höhe von insgesamt 766 Millionen Euro.
Der nun verabschiedete Entwurf sieht unter anderem vor, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zu einer zentralen Prüfungs- und Ermittlungsbehörde auszubauen. Diese Arbeitseinheit des Zolls soll dafür polizeiähnliche Befugnisse erhalten und noch stärker als „kleine Staatsanwaltschaft“ agieren, wie Klingbeil sagt.
Außerdem soll der Zoll künftig ein durch Künstliche Intelligenz unterstütztes „Risikomanagement“ betreiben und dafür in großem Stil auf Daten anderer Behörden zugreifen.
Polizeiähnliche Befugnisse für die „kleine Staatsanwaltschaft“
Die FKS hat die Aufgabe, „Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Sozialleistungsbetrug“ zu bekämpfen, indem sie etwa Kontrollen in Betrieben durchführt und Ermittlungen einleitet. Schon jetzt arbeitet sie dabei eng mit der Staatsanwaltschaft, der Polizei und der Bundespolizei zusammen. Künftig soll sie aber ebenbürtig mit anderen Ermittlungsbehörden tätig sein.
Dafür will die Bundesregierung etwa den Katalog der Straftaten so ausweiten, dass die FKS auch Telekommunikation überwachen kann. Sie dürfte dann Gespräche zwischen Personen aufzeichnen, die die „fortgesetzte Erstellung“ von Scheinrechnungen verabreden oder illegale Zahlungen vereinbaren.
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Außerdem soll die FKS zu einer „kleinen Staatsanwaltschaft“ ausgebaut werden. Sie könnte dann Verfahren, die sich „auf einfach gelagerte Sachverhalte“ beziehen, eigenständig abschließen und auf diese Weise, so die Absicht der Bundesregierung, die Justiz entlasten.
Direkter Draht zum polizeilichen Informationsverbund
Die FKS soll zudem Zugang zum polizeilichen Informationsverbund erhalten. So soll sie Verdächtige schneller und ohne Amtshilfe der Polizei identifizieren können. Das zentrale Informationssystem dient dem „Austausch von Personen-, Fall- und Sachdaten“ und wird vom Bundeskriminalamt betrieben.
Schon jetzt darf der Zoll eingeschränkt Daten aus dem polizeilichen Informationsverbund abfragen – bislang allerdings nur schriftlich oder telefonisch und in Einzelfällen. Geht es nach der Bundesregierung, darf der Zoll personenbezogene Daten künftig automatisiert abrufen sowie mit den ihm vorliegenden Daten abgleichen.
Dies würde es der FKS ermöglichen, „auf Augenhöhe mit den weiteren Verbundteilnehmern wie bspw. den Polizeien und der Steuerfahndung zu agieren“, heißt es in der Begründung des Gesetzes.
Automatische Datenauswertung fürs Risikomanagement
Erheblich mehr Daten sollen auch beim sogenannten Risikomanagement zum Einsatz kommen. Dafür soll die bisherige Generalzolldirektion zuständig sein, die das Gesetz zur „Zentralstelle der Behörden der Zollverwaltung“ umwandeln würde. Die Zentralstelle soll für die FKS größere Datenmengen auch mit Hilfe von sogenannter Künstlicher Intelligenz automatisiert auswerten.
Als Grundlage für die Risikoanalysen soll ein neues operatives Informations- und Datenanalysesystem (OIDAS) dienen. Das System soll anhand spezieller Risikoindikatoren und -parameter „potentiell verdächtige oder anomale Unternehmensaktivitäten, die auf Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung hindeuten, frühzeitig […] erkennen.“
Die dafür erforderlichen personenbezogenen Daten darf die Zentralstelle „mindestens einmal halbjährlich automatisiert“ abrufen und in OIDAS speichern. Als Datenquellen dienen die Datenbanken der Rentenversicherung, der Landesfinanzbehörden und der Zollverwaltung. Daten, die nicht zu Risikohinweisen führen, soll die Zentralstelle umgehend löschen müssen, alle weiteren Daten nach spätestens einem Jahr.
Kritik an zunehmender Machtfülle der FKS
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Risikoindikatoren und -parameter nur „im Benehmen“, nicht aber „im Einvernehmen“ mit der Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI) Louisa Specht-Riemenschneider festgelegt werden. Sie dürfte also mitreden, aber nicht mitentscheiden.
Die Bundesdatenschutzbeauftragte fordert eine stärkere Beteiligung. Die umfangreiche Datenverarbeitung und der Einsatz von KI seien mit tiefen Eingriffen in Grundrechte verbunden. Daher sei eine Mitentscheidung bei der Festlegung der Risikoparameter umso wichtiger, „denn wir können die Risiken für das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung am besten einschätzen“, so ein Behördensprecher gegenüber Tagesspiegel Background.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert die wachsende Machtfülle der FKS. Der Gesetzesentwurf greife „in vielfältiger Weise in Freiheitsrechte ein, ohne dass damit der Sozialstaat und/oder die wirtschaftliche Situation (einschließlich der sozialen Sicherheit) der Betroffenen verbessert wird.“
Die Erhebung, Speicherung und Verwendung der Daten „auf der Grundlage eines ‚risikobasierten Ansatzes‘ [sei] höchst bedenklich“, schreibt der DAV in seiner Stellungnahme. Dass der Zoll automatisiert Daten „von jedermann“ abgleichen soll, erinnere „an eine Rasterfahndung, die vom Bundesverfassungsgericht zu Recht unter den Vorbehalt ganz spezieller Anlässe gestellt wurde.“ Unterm Strich lehnt der DAV die vorgesehenen Regelungen ab, einzelne Änderungen erscheinen aus seiner Sicht sogar verfassungswidrig.
Der Bundesverband Paket- und Expresslogistik kritisiert ebenfalls die „extreme Erweiterung der Befugnis“ der FKS. Außerdem sei die geplante Risikobewertung „letztlich eine Blackbox“. Der Verband hält es daher für ausreichend, dass „zur Weiterführung der Ermittlungen entsprechende Dokumente auf Anforderung elektronisch übermittelt werden – ohne automatisierten und umfassenden Zugang“.

Das die Interessenvertretungen der Bereiche mit hohem Anteil an Sozialversicherungs – und Steuerhinterziehung etwas dagegen haben, sollte jetzt nicht verwundern 8)
Die in dem Artikel angesprochenen Maßnahmen treffen bei vielen Branchenverbänden, die eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf abgegeben haben, auf Zuspruch (bzw. keinen Widerspruch). Auch bei vermeintlich „üblich Verdächtigen“: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_III/21_Legislaturperiode/2025-07-07-SchwarzArbMoDiG/0-Gesetz.html
Die wenigen, „die sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern“, sollen „auch dingfest gemacht werden“ – gilt das auch für Großsteuerhinterzieher? Warum hört man da nichts von der Politik? Weil es etwa einfacher ist, einen Schwarzarbeiter ausfindig zu machen als einen, der ein paar Millionen „umgeleitet“ hat, sich aber hinter Großkanzleien verbergen kann?
Nein, weil es politisch schlicht und einfach nicht gewollt ist, dass „Großsteuerhinterzieher“
für ihre Vergehen belangt werden. Dafür fehlt es an einer Mehrheit im Parlament. Hin und wieder mal ein Bauernopfer, um den Willen zu simulieren und das muss reichen. Und leider reicht es dem überwiegenden Teil der WählerInnen auch (siehe die letzten Ergebnisse der Bundestagswahl).
> Nein, weil es politisch schlicht und einfach nicht gewollt ist, dass „Großsteuerhinterzieher“
für ihre Vergehen belangt werden.
Das hat man in Hessen gesehen, wo ein Gutachter durch fehlerhafte Erstattung von Gutachten und vorsätzliche Falschbegutachtung gegen das ärztliche Standesrecht verstoßen hat. Während *er* dafür 12.000 € Geldbuße plus Schadenersatz (an die Steuerfahnder) bezahlen musste, hat man es dem armen Hascherl Roland Koch erspart, jemals dafür Knastluft zu atmen, dass er informiert war und trotzdem nicht zugunsten der Steuerfahnder eingegriffen hat.
Schwarzarbeit kann allerdings auch Ausdruck von Systemfehlern sein. Wenn man sich nicht mehr gegenseitig helfen kann, kann man vielleicht noch auswandern. Dahin wo es eben geht. Richtungsthema, generell.
Anderes Thema. Was ich eigentlich schreiben wollte, betrifft das Horrorabziehbild von Wachtmeister Huber. Also hier den Multihuber. Jede komische Behörde kriegt jetzt Abhörbefugnisse, eigene Mittel etc. p.p. Für irgendwelchen Kram, der letztlich auf jeden zutreffen könnte, oder wenigstens überall jederzeit der Fall sein könnte. Frage ist eben, ob das nachhaltig ist. Gehört da nicht eine spezialisiertere Behörde hinter? Eine Datenwacht, die auch die Daten hält und über die Fähigkeit des Neinsagens verfügt, so eine richtige, unabhängige Behörde? Nein? Naja, pech gehabt. Man bedenke jedenfalls, dass in der Übergangszeit, eine potentiell maliziöse Regierung, genau von solchen Unklarheiten gebrauch machen wird, wie sie diese Sorten der Befugnisausweitungen schaffen. Wer das nicht kapiert, hat in der Regierung einer später vielleicht mal modernen Demokratie nicht so unglaublich viel zu suchen, unter der Annahme, dass das Beispiel USA wirklich auch studiert wird.
„Wenn man sich nicht mehr gegenseitig helfen kann, kann man vielleicht noch auswandern.“
Sich gegenseitig helfen ist kein Problem und war nie ein Problem. Nur ist Hilfe auf Gegenseitigkeit eben genau das: unentgeldlich und idR von Haftung freigestellt.
Die Risikoanalyse gibt es bereits seit vielen Jahren bei den Sozialversicherungsträgern und ist tatsächlich Eingriffsarm. Im wesentlichen werden statistischen Daten von Betrieben miteinander verglichen. Ein Maurerbetrieb mit 18 VZ-Kräften und sechs Azubis in der Eifel sollte bei ähnlichen Umsatz- und Gewinnzahlen auch ähnliche Meldungen bei der BG und den SV-Trägern zu Stunden und abgeführten Beiträgen einrichen wie ein Betrieb im Hunsrück oder im Westerwald.