Es sind schwierige Wochen für Alphabet. Erst im Vorjahr hatte ein US-Bundesgericht in Washington, D.C., nach einem langen Verfahren festgestellt, dass der Konzern seine unrechtmäßig erlangte Marktmacht missbraucht. Vor wenigen Tagen folgte der nächste Paukenschlag: Eine Bundesrichterin in Virginia kam zu dem Schluss, dass Google, die bekannteste Tochter des Tech-Konzerns, ein illegales Monopol bei bestimmten Online-Werbetechnologien errichtet hat.
Was vor wenigen Jahren noch kaum denkbar war, scheint in den USA immer näher zu rücken: Als Antwort auf die Dominanz großer Tech-Konzerne steht zunehmend ihre Aufspaltung zur Debatte. Alphabet könnte dabei nur der Anfang sein.
Ob es soweit kommt, dürfte schon bald entschieden sein. Vor allem das Verfahren zum Missbrauch von Marktmacht, das aus dem Jahr 2020 stammt, neigt sich langsam dem Ende zu. Am vergangenen Montag begann eine für drei Wochen angesetzte Verhandlung in der US-Hauptstadt. Sie wird darüber befinden, ob Google beispielsweise seinen Chrome-Browser abspalten und aus dem Unternehmen lösen muss, wie es das US-Justizministerium verlangt.
Entflechtung als Ultima Ratio
Bald 30 Jahre ist es her, seit Google als einst kleines Start-up die Online-Suche revolutioniert hat. Dabei ist es nicht geblieben. Über die Jahre hat sich das Unternehmen in weiten Teilen des Internets breitgemacht und mit Hilfe von Firmenübernahmen das Geschäft mit Online-Werbeanzeigen unter seine Kontrolle gebracht – die mit Abstand wichtigste Cash-Cow des Unternehmens. Allein im letzten Quartal 2024 hat Alphabet insgesamt 96,5 Milliarden US-Dollar umgesetzt, rund 72 Milliarden davon stammten aus dem Werbegeschäft. Insgesamt fuhr der Konzern in dem Jahr einen gigantischen Gewinn von 100 Milliarden US-Dollar ein.
„Google hat eine umfassende, gestaffelte Monopolstellung und eine lange Geschichte des Machtmissbrauchs“, sagt Ulrich Müller von Rebalance Now. Die Nichtregierungsorganisation will die wachsende Monopolisierung der Wirtschaft zurückdrängen. Gerade Google sei ein Kandidat dafür, „entflechtet“ zu werden, wie eine Aufspaltung im Fachjargon heißt. Gepaart mit sogenannten Netzwerkeffekten, die bestehende Abhängigkeiten verstärken, habe die wettbewerbswidrige Unternehmensstrategie des kalifornischen Konzerns seine Monopolstellung gesichert, führte Müller im vergangenen Herbst in einem Gastbeitrag für netzpolitik.org aus.
Vor allem im Werbe-Bereich hielt Google bislang alle Fäden in der Hand, nun könnten sie nach und nach durchtrennt werden. Das Gericht in Washington hatte entschieden, dass Google ein Monopol in den Märkten für allgemeine Online-Suche sowie für allgemeine Text-Werbung neben Suchergebnissen habe. Diese Dominanz habe Google zudem mit unlauteren Mitteln gefestigt, indem es milliardenschwere Verträge mit Browser-Herstellern wie Apple und Mozilla, Smartphone-Herstellern wie Samsung und Motorola und großen US-Netzbetreibern abgeschlossen hat.
Für Google zahlt sich das aus: Einmal als Standard-Suchmaschine in praktisch allen führenden Browsern eingerichtet, rüttelt kaum jemand an der Einstellung und bleibt im Google-Ökosystem. Oder nutzt ohnehin Chrome, den Google-eigenen Browser, der im Laufe des vergangenen Jahrzehnts fast überall auf der Welt seine Konkurrenz hinter sich gelassen hat.
Online-Werbung fest im Griff
Ein anderes Standbein greift nun das jüngste Urteil aus Virginia an. Demnach besitze Google ein Monopol auf den Märkten für die Technologie, mit denen es täglich Abermilliarden an Werbeanzeigen vermittelt und ausliefert. Dahinter steckt eine gut geölte Maschine, die bei fast jedem Aufruf einer Website versucht, in Sekundenschnelle die richtige Werbeanzeige für das jeweilige Profil der Nutzer:in zu finden. Auch hier spiele Google unsauber, so das Gericht: Bei den Tools, mit denen beispielsweise Nachrichtenseiten freie Anzeigeplätze bereitstellen und umgekehrt Inserenten Werbeeinblendungen platzieren, habe Google seine Marktmacht missbraucht.
Verschont geblieben sind in diesem Verfahren lediglich die Übernahmen der AdTech-Unternehmen DoubleClick im Jahr 2007 und von Admeld vier Jahre später. Aus Sicht der Richterin hätten diese Zukäufe Google zwar dabei geholfen, eine Monopolstellung in zwei benachbarten Ad-Tech-Märkten zu erlangen. Isoliert betrachtet ließe sich jedoch nicht nachweisen, „dass Google diese Monopolstellung durch Verdrängungspraktiken erlangt oder aufrechterhalten hat“, heißt es im Urteil.
Ein Produkt des Neoliberalismus
Dass Google diese Übernahmen überhaupt durchführen konnte, ist dem neoliberalen Laissez-faire-Ansatz zu verdanken, der sich seit den 1970er-Jahren zunächst in den USA breitmachen konnte. Demnach sind Zusammenschlüsse selbst überragend großer Unternehmen unproblematisch, solange dies Verbraucher:innen nicht schädigt. Sogar grundsätzlich starke Gesetze und Richtlinien seien ab Mitte der 1980er-Jahre von Aufsichtsbehörden „größtenteils ignoriert“ worden, „weil sie davon ausgingen, dass staatliche Eingriffe die Dinge eher verschlimmern als verbessern würden“, so die ehemalige Chef-Juristin der Handelsbehörde FTC, Debra Valentine.
Entsprechend hat sich seitdem das Internet und seine Ökonomie entwickelt: Es ist von Zentralisierung und Monopolbildung bestimmt, von Kommerzialisierung und privatisierter Rechtsdurchsetzung, von durchleuchteten Verbraucher:innen, die mehr Produkt sind als Nutzer:innen auf Augenhöhe. Nicht von ungefähr lässt sich das derzeit dominierende Geschäftsmodell im Internet, von der Wirtschaftswissenschaftlerin Shoshana Zuboff „Überwachungskapitalismus“ getauft, auch ganz anders deuten: Genau die Werbemärkte, auf denen Google seine Dominanz ausspielt, seien „die Märkte, die ein offenes und freies Internet möglich machen“, argumentiert das US-Justizministerium.
Handlungsspielraum von Big Tech wird kleiner
Alphabet ist beileibe nicht der einzige Tech-Konzern, der zunehmend seine Grenzen aufgezeigt bekommt. US-Kartellverfahren laufen derzeit unter anderem gegen den iPhone-Hersteller Apple oder gegen den Online-Riesen Amazon. Beide sollen mit illegal aufgestellten Hürden den Wettbewerb behindert und somit den Markt geschädigt haben. Die juristischen Angriffe kommen hierbei von mehreren Seiten: Während in ersteren Fällen das Justizministerium Anklage erhoben hat, ist im Verfahren gegen Amazon die FTC federführend.
Angestrengt hatte die Regulierungsbehörde, gemeinsam mit fast allen Bundesstaaten, ein weiteres aufsehenerregendes Verfahren. Seit Mitte April muss sich der Werbekonzern Meta einem Prozess in Washington stellen. Demnach soll das Unternehmen vor rund einem Jahrzehnt die damals aufstrebenden Konkurrenten Instagram und WhatsApp aufgekauft haben – um laut FTC das eigene Platzhirschprodukt Facebook abzuschirmen. Trotz der berappten Milliardensummen habe man sich so vergleichsweise günstig die Vorherrschaft auf Zukunftsmärkten gesichert.
Bis zum letzten Moment war gar nicht klar, ob dieses Verfahren überhaupt durchgefochten wird. Zum einen hatte Meta eine Karte gezogen, die in der Vergangenheit meist funktioniert hat: Gegen Zahlung eines mehr oder weniger hohen Betrags, die Börsenlieblinge wie Meta oder Alphabet aus der Portokasse bezahlen, ließen sich solche Streitigkeiten außergerichtlich und ohne Schuldeingeständnis lösen. Medienberichten zufolge hatte Meta bis zu einer Milliarde US-Dollar angeboten, um einer Verhandlung zu entgehen.
Kniefall vor Trump
Zum anderen hatte wohl nicht nur Meta-Chef Mark Zuckerberg darauf vertraut, sich mit der Regierung von Donald Trump schon irgendwie einigen zu können. Wie viele andere Tech-Bosse, darunter Apple-Chef Tim Cook oder Google-Chef Sundar Pichai, hatte sich Zuckerberg bei den neuen Machthabern angedient: Moderationspraktiken wurden im Sinne der Republikaner umgebaut, mit Joel Kaplan ein in konservativen Kreisen bestens vernetzter Republikaner zum Politik-Chef bestellt und selbst unternehmensinterne Diversitätsinitiativen kurzerhand abgeschafft.
Dass der für Korruption sonst so anfällige Trump, von Zuckerberg wiederholt persönlich umgarnt, bislang nicht darauf eingestiegen ist, dürfte vor allem auf seine bis heute nicht verwundene Wahlniederlage im Jahr 2020 zurückzuführen sein. Ominöse Mächte hätten sich, so die Erzählung unter Trump-Getreuen, hinter den Kulissen zusammengerauft, um konservative Stimmen zum Verstummen zu bringen und den Demokraten zum Wahlsieg zu verhelfen.
Zu diesen Mächten sollen auch Big-Tech-Unternehmen zählen, so die MAGA-Fans. Deshalb werden sie derzeit auch von der neu besetzten FTC unter die Lupe genommen: Gleich nach seinem Amtsantritt hatte Behörden-Chef Andrew Ferguson, Nachfolger der progressiven Lina Khan, eine Untersuchung eingeleitet. Sie soll zutage fördern, „wie diese Firmen möglicherweise gegen das Gesetz verstoßen haben, indem sie Amerikaner zum Schweigen brachten und einschüchterten, weil sie ihre Meinung äußerten“, so Ferguson. Auch die nach dem Sturm des Kapitols zeitweise verhängten Accountsperren gegen Trump könnten auf geheime Absprachen innerhalb der Tech-Branche zurückzuführen sein, so Ferguson.
„Wir leben jetzt in anderen Zeiten“
Üblicherweise liegt der Fokus in Kartellrechtsverfahren auf wirtschaftlichen Aspekten. Offenkundig spielen die bei den aktuellen FTC-Untersuchungen eine nur untergeordnete Rolle. In dem Meta-Verfahren gehe es darum, die „Macht von Meta zu konfrontieren und sicherzustellen, dass die Situation, die wir im Jahr 2020 hatten, nie wieder auftreten kann“, ließ Ferguson unlängst durchblicken.
Ähnlich gelagert sind die Argumente des Vize-Präsidenten JD Vance, der seine politische Karriere nicht zuletzt dem libertären Monopol-Fan Peter Thiel zu verdanken hat. Vance scheint vor allem die vermeintliche Linkslastigkeit der Unternehmen zu stören: „Die monopolistische Kontrolle über Informationen in unserer Gesellschaft liegt bei einem explizit progressiven Tech-Unternehmen“, wetterte der sonst so wirtschaftsfreundliche Vance im Vorjahr gegen Google.
Liegen Monopole und Kontrolle jedoch in der Hand politischer Verbündeter, allen voran in jener des Trump-Vertrauten Elon Musk, scheinen die Bedenken nicht sonderlich stark ausgeprägt zu sein. So kündigte Anfang April die Sozialversicherungsbehörde an, lokale Büros zu schließen. Wie die meisten Bundesbehörden ist sie von einem beispiellosen Kahlschlag betroffen und wird deshalb auch keine Mitteilungen mehr auf ihrer Website veröffentlichen. Künftig soll die Öffentlichkeit stattdessen offenbar exklusiv über das soziale Netzwerk X von Musk informiert werden.
„Ich weiß, das klingt für Sie wahrscheinlich sehr fremd – mir ging es genauso – und nicht nach dem, was wir gewohnt sind, aber wir leben jetzt in anderen Zeiten“, sagte eine Sprecherin der Behörde.

Seid ihr sicher, dass der Fachbegriff „entflechtet werden“ und nicht „entflochten werden“ heißt? xD
Erst mal ist das Wort „entflechten“ kein Fachbegriff, sondern ein Wort der Allgemeinsprache. Und was Firmen betrifft, geht es darum was verflochten wurde zu trennen, was genau die Grundbedeutung ist.
Das DWDS erwähnt die Form „verflechtet“ als Nebenform:
https://www.dwds.de/wb/entflechten
Es hält die Form auch für umgangssprachlich, was ich nicht so sehe. Sie fühlt sich nicht irgendwie markiert an, als das man sie nicht in irgendeinen Kontext nicht benutzen sollte. Ich habe an der Form nichts auszusetzen, außer dass ich sie selbst nicht benutze.
> Sozialversicherungsbehörde: Wie die meisten Bundesbehörden ist sie von einem beispiellosen Kahlschlag betroffen und wird deshalb auch keine Mitteilungen mehr auf ihrer Website veröffentlichen. Künftig soll die Öffentlichkeit stattdessen offenbar exklusiv über das soziale Netzwerk X von Musk informiert werden.
Und der (erwünschte) Nebeneffekt ist dann das jeder der es Lesen will einen Account bei Twit ähh X braucht da man dort IMHO das lesen ohne Account drastisch einschränkte.
Das wirkt dann sehr wie eine Paywall, nur das man mit seinen (Account-bezogenen) Daten zu bezahlen hätte. Oder kann man sich dort gegen Geldeinwurf von Datenklau und weitergrabe Frei „Kaufen“ (Gold-Member mit Extrasternchen vielleicht)?
Erinnert mich etwas an die VDE-Vorschriften, in denen z.B. Regeln zu Konstruktion, Aufbau und Installation Elektrischer Geräte und Anlagen zu finden sind. Eigentlich von Öffentlichen Interesse aber der Verlag verlangt m.W. hohe Beträge wenn man auch nur einen Teil des Regelwerkes lesen will. Und Elektrobetriebe müssen (oder mußten) Teilwerke davon Kaufen, Mieten, Abonnieren. Eine Sichere Einnahmequelle. Goldstandard mit Extrasternchen… :-/
Wenn die Legislative, also im groben die Politik, nicht will, dass Machtverhältnisse angegriffen werden, dann kann die Justiz immer nur im Nachhinein reagieren.
Justiz kann nicht Proaktiv werden, weil das die Macht der Legislative ist. Die Justiz kann nur berichtigen. Und dafür müssen Dinge ersteinmal passieren. Die Kinder in den Brunnen fallen.
Und die großen Konzerne mit Monopolstellung geben verdammt viel Geld dafür aus, die Legislative zu bestechen, hinzuhalten und zu beeinflussen. Und weil in Demokratien die Mehrheitsverhältnisse in der Legislative auch immer die Exekutive stellen, funktioniert diese Methode auch wunderbar. Das ist auch die große Schwäche der Demokratie, dass die Macht zwischen Legislative und Exekutive nur verschränkt, aber nicht getrennt ist. In Deutschland ist sogar die Justiz nur verschränkt.
Eine Gesellschaft mit einem Staat wo alle Gewalten wirklich geteilt und getrennt sind, würde solche Machtballungen nicht in den Händen weniger „Superreicher“ ermöglichen. Es gäbe sicher andere Probleme, aber nicht die der Oligarchie.
Aber im Kopf vieler ist es unvorstellbar, wie Exekutive und Legislative getrennt sein könnten. Das Gesetze, die erlassen werden, nicht von den gleichen Strukturen umgesetz werden. Ministerien ohne Politiker, sozusagen. Bisschen Off-Topic, aber es führt zwangsläufig dahin, dass in sozialen Gesellschaften Geld dort zum Erhalt der Macht eingesetzt werden kann, wo es die größte Wirkung hat.
Das die Tech-Oligarchen jetzt auch in den USA Gegenwind bekommen zeugt eher davon, dass das ein größerer Batzen Geld den Einfluss der bisherigen zu verdrängen beginnt. Witziger Weise ist das aber sog. Wagniskapital, was überhaupt noch keine realwirtschaftliche Auswirkung hat aber großes Potential „verspricht“. 600 Milliarden allein in den USA. Da kommen weder Zuckerberg noch Besos oder Musk hinterher, auch wenn sie anteil daran haben (wollen).
Wenn die Marktmacht der Big Tech-Konzerne nicht in den Griff bekommt, sehe ich schwarz für die Zukunft eines fairen Internetmarkts. Wir sehen immer weiter, wie sich die Plattformen so aufstellen, dass Nutzer dort so lange wie möglich unterwegs sind und Wege raus aus ihren Plattformen erschweren. Besonders deutlich wurde das ja, als X sperrte, dass Bluesky-Links gepostet werden können.
Aber auch abseits davon merkt man, wie die Plattformen um die Marktmacht rinnen und dabei bewusst kleinere Seiten ins Auge nehmen. Google hat das sehr großflächig getan und kleinen Publishern erheblichen Schaden zugefügt – da gibt es einige Artikel zu, beispielsweise diesen: https://www.theverge.com/2024/5/2/24147152/google-search-seo-publishing-housefresh-product-reviews – HouseFresh hat das quasi sinnbildlich öffentlich gemacht und da tausenden Seiten eine Stimme gegeben. Was Google da macht, ist alles andere als okay.
Gleichzeitig werden die sozialen Netzwerke immer relevanter und wichtiger, dort allerdings tummelt sich der Spamcontent – gerade jetzt mit immer besser werdender KI sind wir womöglich doch relativ nah an der Dead Internet Theory ( https://www.comicschau.de/news/dead-internet-theory-bedeutung-deutsch-692720/ ), die ich eigentlich nie glauben wollte.
Insofern hoffe ich, dass schon die jetzige US-Regierung handeln wird. Mit Musk hat man es sich ja verscherzt. Und selbst wenn, räumt man eben erst die Konkurrenz ab und die klagt dann dafür, dass schließlich auch das gleiche bei den verschonten passiert.