Youtube hat heute den Kanal von „Querdenken 711“ wegen der Verbreitung von Falschinformationen gelöscht. Das berichten mehrere Medien und beklagt die Querdenken-Initiative von Michael Ballweg in einer Pressemitteilung.
Gegenüber der dpa sagte ein Sprecher von Youtube, dass „Querdenken 711“ in einem ersten Schritt wegen des Hochladens von Inhalten, die gegen die Youtube-Richtlinien für Fehlinformationen verstoßen hätten, abgemahnt worden sei. Youtube sperrte dann den Kanal so, dass die Querdenker keine neuen Videos mehr hochladen konnten. Um das zu umgehen, schufen sie einen zweiten Kanal. „Während dieser Suspendierung versuchten sie, die Vollstreckung zu umgehen, indem sie einen anderen Kanal benutzten, und als Ergebnis wurden beide Kanäle gelöscht“, zitiert die Stuttgarter Zeitung den Unternehmenssprecher.
75.000 Abonnenten
Der Kanal von „Querdenken 711“ hatte rund 75.000 Abonnenten. Laut der Pressemitteilung von Querdenken hatte sich die verschwörungsideologische Protestbewegung Ende 2020 mehrfach gegen die Löschung einzelner YouTube-Videos mit anwaltlicher Unterstützung erfolgreich gewehrt. Alle Klagen gegen YouTube gegen die willkürlichen Löschungen seien bis dato erfolgreich gewesen. Nun will sich Querdenken für die Schaffung einer dezentralen Videoplattform einsetzen.
Der Stuttgarter Ableger von Querdenken spielt eine zentrale Rolle in der Szene. Mit undurchsichtigen Methoden sammelten die Stuttgarter Querdenker rund um Michael Ballweg Spenden und drückten der verschwörungsideologischen Bewegung ihren Stempel auf.
Absteigender Ast
In den letzten zwölf Monaten gelang es den Querdenkern immer wieder, tausende Menschen auf die Straße zu bringen, unter ihnen auch zahlreiche Rechtsextreme und Antisemiten. Die Querdenken-Bewegung wird mittlerweile in einigen Bundesländern und im Bund vom Verfassungsschutz beobachtet.
Der letzte große Mobilisierungsversuch der Szene an Pfingsten in Berlin fand kaum noch Zuspruch, er könnte den Anfang vom Ende der Bewegung einläuten. Die Mobilisierungskraft dürfte sich mit sinkenden Inzidenzen, steigenden Impfquoten und damit verbundenen Rücknahmen von Grundrechtseinschränkungen noch weiter abschwächen.
Einen Youtube-Kanal zu sperren, halte ich nicht für eine angemessene Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Desinformation. Die betreffenden Akteur’innen können sich leicht andere Möglichkeiten zur Verbreitung ihrer „Informationen“ suchen. Wenn wir der Auffassung sind, dass diese Kommunikations-Plattformen den Charakter einer quasi-öffentlichen Infrastruktur haben, dann müssen wir auch über transparente öffentliche Regeln sprechen, wie diese Plattformen mit unliebsamen Meinungsäußerungen umzugehen haben. Die Meinungsäußerungen der Querdenker sind, so nervig das ist, von der Meinungsfreiheit abgedeckt und sollten deshalb nicht einfach gelöscht werden können. Ich halte das für einen verhängnisvollen Irrweg und wundere mich über den Kurswechsel bei Netzpolitik.
Ich weiß nicht, wo Du einen Kurswechsel bei Netzpolitik festmachst, denn der Artikel beschreibt ja erstmal nur, was passiert ist. Ich persönlich halte es für problematisch, wenn marktbeherrschende Plattformen, die eine quasi-öffentliche Infrastruktur betreiben, nach Gutdünken entscheiden, was erscheinen darf und was nicht. Meines Erachtens muss bei diesen Plattformen der rechtliche Rahmen der Meinungsfreiheit als Grundlage für Moderationsentscheidungen dienen und nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die vor allem auch intransparent sind. Insbesondere fehlt derzeit auch eine angemessene Möglichkeit, sich gegen Moderationsentscheidungen zu wehren.
@Marc Reuters: Freut mich zu hören, dass Sie das Verhalten von Youtube für falsch erachten. Meine Erwartungshaltung an Artikeln von netzpolitik.org ist nicht die eines neutralen Berichterstatters, dazu gibt es andere Portale. Ich hätte mir an dieser Stelle eine klare Stellungnahme (zumindest Ihrerseits) erwartet, welche klar Position bezieht. Wenn nicht von Netzpolitik, von wem den sonst? :-)